American Footy Star

Von Maximilian Schmeckel
Miro Gladovic versucht einige College-Stars in Australien unterzubringen
© getty
Cookie-Einstellungen

Sein Jagdgebiet wurden die Colleges. Natürlich, denn hier fand er sportliche Klasse, die einfach verpufft, wenn sie nicht zum Draft zugelassen werden würde. Er traf Kevin Moore, einen zähen Experten mit Glatze. Als Trainer hatte er unter anderem Stars wie Marquise Lee geformt. Er war Coach und später Scout für Colleges - und von Gladovic' Idee sofort angetan.

Also rekrutierten die beiden einige ehemalige College-Stars für einen ersten Jahrgang von American Footy Star, wie Gladovic sein Projekt taufte. Da war Ramses Barden, derjenige, der seinen Traum schon erfüllt sah. Da war Torrey Harkness, ein ehemaliger Quarterback mit unglaublicher Kraft und Schnelligkeit, der die 40 Yards bei den Tryouts in 4,3 Sekunden schneller zurückgelegt hatte als etwa Marshawn Lynch.

Da war Carl Winston, ein brachialer Running Back, der für die Washington State Cougars oft kurz vor der Zone gebracht wurde und immerhin auf neun College-Touchdowns kam. Sie alle wirkten auf den ersten Blick wie Maschinen, strotzten vor Kraft und waren trotzdem pfeilschnell. "Als ich mit den Jungs in LA zu trainieren begann, hat mich ihre Athletik umgehauen. Sie sind schnell, haben Kraft. Das ist genau das, wonach ich gesucht habe", beschreibt Gladovic gegenüber SPOX seinen ersten Eindruck: "Athletisch sind sie weit besser als alles, was die AFL jemals gesehen hat."

Neue Regeln in nur vier Monaten

Das Problem: die Regeln von Footy. Denn Footy eint ganz anders als American Football Elemente von Fußball, Rugby, Basketball und Volleyball. Man muss etwa alle 15 Meter prellen, man darf nur per Schlag passen und nicht per Wurf und die Punkte erzielt man mit Schüssen durch die Pfosten am Ende des Feldes. Alleine das Prellen und das häufige Benutzen des Fußes ist eine große Umstellung für Football-Spieler.

In einem viermonatigen Trainingscamp unter der Leitung von Moore erlernten die Männer die Eigenarten des Sports, der ihnen vielleicht eine neue Chance geben würde. "Es war nicht wirklich hart. Die Jungs haben sehr schnell gelernt und ihre überragende Athletik perfekt eingesetzt. Man merkt, dass sie Vollblut-Sportler sind", beschreibt Gladovic, der sich keineswegs Illusionen macht: "Es ist nicht unser Ziel, die Michael Jordans der AFL zu erschaffen. Es ist unser Ziel, Sportler zu schaffen mit durchschnittlichen technischen Fähigkeiten, aber herausragenden athletischen - und gleichzeitig einen massiven amerikanischen Impuls in einen Sport zu bringen, der nur auf einem kleinen Teil der Welt bekannt ist."

Schnell stieß Gladovic an Grenzen - finanziell wie sportlich. Versuche, das Projekt zu finanzieren, indem man eine Fernseh-Show daraus machte, scheiterten nach ersten Pilotversuchen. Gladovic aber gab nicht auf, telefonierte über 50 AFL-Klubs ab, kein einziger zeigte Interesse. Skepsis beherrschte die Reaktionen. Man konnte sich nicht vorstellen, dass Amerikaner plötzlich in einer Sportart Erfolg haben sollen, deren Protagonisten sie von Kindesbeinen an spielen.

Hilfe vom Liga-CEO

Gladovic flog nach Melbourne und traf sich mit dem Vorsitzenden der AFL, Andrew Demetriou. Er erklärte seine Vision. "Jetzt kann Amerika den Markt des Australian Football nicht brauchen, aber in einer Welt, die sich ständig weiter digitalisiert und dadurch schrumpft, schon. In fünf Jahren wird der normale Sportfan auf seinem Tablet oder Smartphone wählen zwischen einem Live-Pferdesport-Event in Dubai, einem American-Football-Spiel in Denver, einem Champions-League-Spiel in München, einem Pferderennen in Hong Kong, einem RedBull-Air-Race in Wien, oder Gott weiß, was bis dahin noch alles erfunden ist. Da muss es doch möglich sein, das internationale Publikum anzulocken, indem man den regionalen Sport Footy mit überregionalen Stars aufmotzt!", so Gladovic gegenüber SPOX.

Demetriou sprach mit den Vereinen, auch der CEO zeigte sich angetan von der Idee der Internationalisierung. Und tatsächlich: Es passierte etwas. Der ehemalige AFL-Champion-Coach Gary Ayres und Manager Barry Kidd signalisierten Interesse und trafen sich mit Gladovic.

In Los Angeles platzte mitten in das von Moore geleitete Training Gladovic' Anruf. Die Spieler standen im Kreis um Moore, der auf Lautsprecher geschaltet hatte. "Torrey Harkness und Carl Winston dürfen nach Australien kommen", sagte er. Das Duo umarmte sich, Winston schrie seine ganze Freude heraus, sie strahlten. So sahen Sportler aus, die eine zweite Chance bekamen.

"Es ist eine große Chance. Ich bin so glücklich, ich will es allen noch einmal zeigen", sagte ein breit lächelnder Harkness, der später samt Eltern und Schwester zusammen mit Winston, Moore und Gladovic nach Melbourne flog. Bereit, Footy zu erobern.

"Athletisch unglaublich"

Melbourne, Vormittag, Trainingsgelände des Melbourne Port Football Club. Harkness und Winston durften gleich mittrainieren. In einer der ersten Aktionen räumte Harkness seinen Gegenspieler um. "Wow, athletisch sind die unglaublich", schwärmte Trainer Ayers. In der Zwischenzeit bekamen auch Barden und Billy Mallard Einladungen. Alle vier durften in der Preseason ihr Können zeigen.

Sie wohnten zusammen in einer einstöckigen Wohnung in ruhiger Melbourner Lage. Sie spielten Playstation, skypten mit ihren Familien und machten zusammen draußen Kraftsport. Es war fast rührend, wie sie alles auf die Karte setzten, die Gladovic ihnen hingeworfen hatte. Sie nahmen Footy ernst, keine Sprüche der lockeren Vorstadt-Jungs aus den Staaten mit den Klunkern in den Ohren über die knappen Hosen der Footy-Spieler oder die zunächst etwas exotisch anmutenden Trikots.

Obwohl ihre neuen Mitspieler, allesamt weiß, im Training über den Speed und die Sprungkraft der Neuankömmlinge staunten, obwohl Mallard in einem Preseason-Spiel gar punkten konnte, bekam keiner des Quartetts einen Vertrag, sie alle mussten in der unterklassigen Minor League ran.

Stießen sie zu spät zu den Teams, als die Planungen für die AFL-Saison schon fortgeschritten waren? Reichten ihre technischen Fähigkeiten letzten Endes nicht aus? War das Risiko den Teams zu groß, um Geld, das für jeden Akteur genau geplant wird, für Novizen auszugeben?

Weiterträumen nach der Niederlage

Es wird am Ende wohl eine Mischung aus allem gewesen sein. Nachdem Mallard und Harkness eine ganze Saison in der Minor League absolviert hatten, ging es in die Heimat, wo sie auf den verletzten Winston und Barden trafen. Zurück in L.A. herrschte Niedergeschlagenheit, das Gefühl, es nicht geschafft zu haben, obwohl Gladovic beim Anflug versichert hatte, ab hier "gibt es kein Scheitern mehr. American Footy war ein Erfolg, egal was jetzt noch passiert".

Doch nach der ersten Enttäuschung ging er weiter, der Traum von Gladovic. In L.A. bestritten seine Spieler einige Partien für die Footy-Amateurliga USAFL, sie trainierten weiter. Am 3. Oktober saßen sie vor dem Fernseher und schauten das AFL-Finale. "One day", sagte Mallard und es klang, als würde er es mehr zu sich selbst sagen als zu den anderen.

Dann eben 2016

Zwei Monate später laufen die Planungen auf Hochtouren. Es sind neue Spieler hinzugestoßen, Gladovic' Roster ist auf sieben Spieler angewachsen. Sie alle haben den Sommer über trainiert und trainiert, besonders an ihren technischen Fähigkeiten gefeilt.

Im Januar soll es wieder nach Australien gehen, dann ist wieder Preseason. Und dann, davon ist Gladovic fest überzeugt, schafft es mindestens einer in die AFL. Und wenn nicht, dann eben im nächsten Jahr. American Footy Star wächst. "Es geht voran. Nachdem sie auf Minor-Level bereits großen Eindruck hinterlassen haben, will ich meine Spieler 2016 etablieren in der AFL, um wieder einen Schritt nach vorne zu machen und die USA weiter mit Footy zu verknüpfen. Auch über zwei Meter große Basketballspieler sind in der AFL gefragt, das ist derzeit ein großer Schwerpunkt, an dem Kevin und ich arbeiten."

Zeitgleich arbeitet er an anderen Projekten und berät große Sportfirmen, denn sein Footy-Traum "bezahlt definitiv nicht die Rechnungen". Aber darum geht es ihm auch nicht. Er hat eine Vision: Gladovic will, dass eines Tages nicht nur einer, sondern viele seiner Spieler bei einem Spiel der AFL den Rasen betreten, den Jubel der Fans hören und ein Gesicht machen wie Ramses Barden 2009 beim NFL-Draft in New York. Ein Gesicht, das zeigt: Ich habe es geschafft. Denn dann hätte sich nicht nur der Traum der Spielers erfüllt, sondern auch der von Miro Gladovic.

Seite 1: Gladovic' Werdegang und die Faszination Footy

Seite 2: Die Umsetzung des Traums und die ersten Rückschläge

Alle Artikel von Page 2 im Überblick