Eiszeit im Rodel-Team

SID
Nach ihrem Doppelsieg blickten die beiden noch fröhlich drein
© getty

Felix Loch hat für die erste deutsche Goldmedaille in Sotschi gesorgt, Rodel-Teamkollegin Tatjana Hüfner für den ersten Eklat. Nach ihrer Silberfahrt kritisierte sie den eigenen Verband scharf und warf damit auch einen Schatten auf den Olympiasieg ihrer Rivalin Natalie Geisenberger.

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Schwere Vorwürfe gegen den Verband, ein ausufernder Ost-West-Konflikt und neuer Zickenalarm: Die Sportwelt beneidet Deutschland um die Dominanz im Rennrodeln, doch im Erfolgsteam selbst herrscht Eiszeit. Der Jubel über die zweite Rodel-Goldmedaille in Sotschi durch Natalie Geisenberger war kaum verhallt, da legte ihre große Rivalin Tatjana Hüfner mit harter Kritik an den Verbandsstrukturen die tiefe Zerrissenheit innerhalb der Mannschaft schonungslos offen.

Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) wies Hüfners Vorwurf der Ungleichbehandlung zurück. "Wenn von uns eine gewinnt, erklingt nicht die Bayern-Hymne oder das Rennsteig-Lied. Wir starten hier alle gemeinsam für Deutschland", sagte BSD-Präsident Andreas Trautvetter und meinte: "So lange ich dabei bin, hat es bei den Frauen immer einen gewissen Zickenkrieg gegeben."

Keine Reue über harte Worte

Für die Olympia-Zweite Hüfner liegen die Probleme aber woanders. Auch am Mittwoch bereute sie ihre drastischen Worte bei der offiziellen Pressekonferenz nur eineinhalb Stunden nach Rennende nicht.

"Es gibt vor allem in Personalfragen einen großen Verbesserungsbedarf. Denjenigen, die nicht aus Berchtesgaden kommen, wird das Leben schwer gemacht", sagte die 30-Jährige aus Friedrichroda und widersprach Trautvetter bei "N24": "Das Thema Ost-West-Konflikt war bei uns immer noch ein Thema, auch nach der Wende. Es gab schon immer die zwei großen Lager, einmal die Berchtesgadener, einmal die Oberhofer, und wenn es dann nicht homogen zugeht, ist das eine Gefahr."

Hüfner hatte sich zuvor Geisenberger, die genau wie ihr Berchtesgadener Trainingskollege Felix Loch in einer anderen Liga fuhr, mit einem riesigen Rückstand von 1,139 Sekunden geschlagen geben müssen.

Dass auch die Doppelsitzer Tobias Wendl/Tobias Arlt am Mittwoch die Konkurrenz bei ihrem ersten Olympiasieg nach Belieben dominierten, lässt auf einen deutlichen Materialvorteil der "Trainingsgruppe Sonnenschein" schließen, wie sich die vier Freunde selbst auf "Facebook" nennen. Dafür verantwortlich ist "Schlitten-Gott" Georg Hackl, der aber dafür bekannt ist, seine Geheimnisse auch teamintern nicht preiszugeben.

Die Bayern-Connection

Die Bayern-Connection war ein Grund für Hüfners großen Rundumschlag unmittelbar nach ihrem Silberrennen. Ihr seien "Steine in den Weg gelegt" worden, und eine Natalie Geisenberger bekomme "deutlich mehr Unterstützung", hatte Hüfner geklagt und die Fortsetzung ihrer Karriere offen gelassen. Ihre Kritik ziele aber nicht auf ihre Rivalin, zu der sie seit Jahren ein unterkühltes Verhältnis pflegt: "Das ist nichts gegen Natalie, sie kann ja nichts dafür. Ich gönne ihr den Erfolg, sie war definitiv am besten."

Für Geisenberger war die Sache damit erledigt, zumindest nach Außen. "Sie hat ja nicht mich angegriffen, sondern den Verband", sagte die Weltmeisterin. Ihr säuerliches Lächeln drückte aber Unverständnis aus: "Ich habe grad andere Dinge zu tun, als mich zu ärgern."

Bei der nächtlichen Siegesfeier im Kufenstüberl würdigten sich beide Rivalinnen keines Blickes und suchten den größtmöglichen Abstand. Doch Hüfner bereute nichts. Die Kritik sei eine "spontane Entscheidung" gewesen, "aber ich hatte es satt, ständig rumzudrucksen", sagte die Vancouver-Olympiasiegerin.

BSD bevorzugt Berchtesgaden

Die Personalpolitik im BSD würde ihrer Meinung nach den Bundesstützpunkt in Berchtesgaden, wo auch der Verband seinen Sitz hat, klar bevorteilen. Auch in Sachen Material gebe es keine Gleichbehandlung. Dass sich der BSD zudem ein halbes Jahr vor Olympia von ihrem Oberhofer Heimtrainer André Florschütz getrennt hat, "war, als ob mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hat".

Unterstützung erfuhr Hüfner von ihrem Trainingskollegen David Möller. "Das Trainerkarussell hat sich in Oberhof in letzter Zeit sehr schnell gedreht. Für die Psyche der Athleten waren die Rahmenbedingungen vor so einem Höhepunkt sehr, sehr ungünstig", sagte der Olympia-Zweite von 2010, der bei seinem vermutlich letzten Rennen nur auf dem 14. Platz gelandet war.

BSD-Sportdirektor Thomas Schwab zeigte Verständnis für die Reaktionen der Athleten aus dem Osten, bei der Personalie Florschütz sei dem Verband aber keine andere Wahl geblieben als ein Auflösungsvertrag "im beidseitigen Einvernehmen", wie Schwab betonte.

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