Magisch, tragisch und dramatisch

Von Jonas Schützeneder
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© getty

Nach 16 Tagen hat sich Sotschi als Gastgeber der Winterspiele von der Sportwelt verabschiedet. Ein Rückblick auf die ganz besonderen Momente und Geschichten, auf Triumphe und Tragödien und die Exoten im Schatten der Superstars...

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König Ole krönt sich zum Alleinherrscher

Wenn sich auf der Tribüne ein König verneigt, muss Historisches passiert sein. "Das ist unglaublich", sagte Harald V., Monarch von Norwegen, über einen Landsmann, der sich vor den Augen seiner Majestät selbst zum König krönte. Kurz nach seiner Goldmedaille im Sprint holt sich Ole Einar Björndalen mit der Mixed-Staffel ebenfalls Gold im Biathlon. Das achte Gold der Legende! Auf der Tribüne feiert ihn neben seinem König auch Björn Daehlie. Der Langläufer war bis dahin der erfolgreichste Winter-Olympionike aller Zeiten. Jetzt ist es Björndalen, der wie sein Landsmann acht Goldene und vier Silberne im Schrank hat. Björndalen hat jedoch eine bronzene, Daehlie nicht. Damit ist er der Alleinherrscher unter den Wintersportlern.

Pünktlich zu Olympia war der Routinier wieder da. Und wie: Schusssicher und stark in der Loipe ließ er die jüngere Konkurrenz locker hinter sich. Aber jetzt soll Schluss sein mit Leistungssport. "Es sind noch drei Weltcups. Dann ist die Saison vorbei und mein Ziel ist es aufzuhören", sagt der Norweger. Seine Bilanz außerhalb Olympias: 94 Weltcupsiege. Einer davon sogar im Langlauf. Ein weiteres Indiz dafür, dass der sympathische Norweger über seinen Sport hinausschaut: Er will in die Athleten-Kommission beim IOC. Die Chancen stehen gut. Wer will einem König schon den Zugang verwehren?

Johnny Quinn als Türöffner

Ein Türöffner, den Fuß in der Tür haben, Tür und Tor offen: Die Liste der Wortspiele für US-Bobfahrer Johnny Quinn ist schier unendlich. Die Spiele hatten kaum begonnen, da sorgte der 30-Jährige für Aufregung. Quinn machte sich nach dem Aufstehen auf den Weg in sein Bad, wollte kurz darauf zurück ins Zimmer und hatte ein Problem.

Das Schloss klemmte und ließ sich nicht mehr öffnen. Quinn versuchte es eine Zeit lang mit sanften Methoden, verlor dann aber die Geduld. Wofür das ganze Jahr trainieren, dachte sich der kräftige Athlet und rammte kurzerhand ein Loch in die versperrte Tür. Übrig blieb ein größeres Loch in der Mitte, eine dünne Schicht Holz und eine Kunststoffverkleidung kamen zum Vorschein. Bei aller Muskelkraft des Athleten: Besonders stabil wirkte die zerstörte Tür nicht.

Via "Twitter" berichtete er seiner Fangemeinde von seinem Erlebnis. Die Zahl seiner Follower vervielfachte sich daraufhin rasend. "Ohne Handy, um um Hilfe zu rufen, habe ich mein Bob-Training genutzt um auszubrechen", schrieb der Tür-Rambo.

Quinns Aktion war der Höhepunkt in der Zusammenfassung aller Baustellen rund um das Olympische Dorf: Heizkörper in drei Metern Höhe, Toiletten ohne Trennwände, dafür mit dem Hinweis versehen, dass Angeln auf dem stillen Örtchen verboten sei. Das Netz hatte mit Sotschis Infrastruktur mehr Spaß als mit dem Sport. Auch dank Johnny Quinn.

Drama on Ice: Shootout zwischen USA und Russland

Der Eispalast bebt, Putin jubelt und Thomas Bach gratuliert. Das späte 3:2 der russischen Eishockey-Stars gegen die USA sollte der Auftakt zum glorreichen Gold-Run bei den Heimspielen in Sotschi werden. Sollte! Zuerst nahmen die Referees per Video-Beweis die russische Führung zurück, dann sorgte ein Nachfahre amerikanischer Ureinwohner für den russischen Albtraum in einer magischen Nacht.

Satte 16 Versuche im Penalty brauchte das intensive Duell, um einen glücklichen Sieger zu krönen. Der Held: Timothy Leif - kurz TJ - Olshie. US-Coach Dan Bylsma wählte den Angreifer der St. Louis Blues acht (!) Mal als Schützen aus. Olshie dankte für das Vertrauen und traf sechsmal - ein überragender Wert!. Selbst Barack Obama schickte einen Glückwunsch via "Twitter" an den 27-Jährigen, der sich in 15 Minuten selbst zum Nationalhelden machte. Als Nachfahre der Anishinabe, einem Stamm von Ureinwohner hat der NHL-Spieler auch den Namen "Keeway Gaaboo". Heißt soviel wie Rückkehr. Als neuer Nationalheld dürfte die äußerst euphorisch ausfallen.

Judith Hesses Fehlstart-Drama

Im Moment der großen Enttäuschung erhält sie einen einfachen Trost. "Wenigstens bist du gesund geblieben", bekam Judith Hesse von ihrer Oma am Telefon zu hören. Die Erfurterin war als Mitfavoritin über 500 Meter im Eisschnelllauf angetreten. De facto war der Wettkampf ohne einen Lauf schon wieder vorbei. Zwei Fehlstarts, Disqualifikation, Hesse war untröstlich.

Ihr Trainer kritisierte vor allem den russischen Starter, der vor dem zweiten Lauf lange auf den Schuss gewartet hatte. "Das war eine schwache Leistung. Judith hat gezuckt, aber ihre russische Gegnerin Lobyschewa ist losgelaufen", so Stephan Gneup. Gäbe es im Eisschnelllauf einen Videobewis, Hesse wäre wohl ohne die Disqualifikation ins Rennen gegangen. Das tragische Ende ihrer Medaillen-Hoffnung wirft die 31-Jährige aber nicht um: "Es bringt ja nichts, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken", sagte Hesse nach ihren dritten Olympischen Spielen. Gut möglich, dass es nicht ihre letzten waren.

Kombinierer: Alles andere als Stallorder

Traumhafte Ausgangslage in der vorletzten Kurve: Drei Deutsche Kombinierer und zwei Norweger kämpfen um drei Medaillen. Deutscher Favorit: Björn Kircheisen. Läuferisch der stärkste und in Topform. Aber: taktisch der schwächste. Der 30-Jährige attackiert zu früh, hat im Ziel keine Kraft mehr zum Sprint und landet auf Rang 4. Tränen.

Bleiben noch zwei Deutsche. Fabian Rießle und Johannes Rydzek. In der vorletzten Kurve wird es eng. Rießle zieht kurz nach innen, streift seinen Teamkollegen, Rydzek stürzt. Rießle holt Bronze, Norwegen gewinnt. Im Zielsprint kommt es zur Diskussion zwischen Rydzek und Rießle. Wenig später umarmen sich beide. Keine Stallorder im deutschen Team und das schlechteste der denkbaren Ergebnisse aus dieser Konstellation. Deutschland litt mit, spottete allerdings auch über die "nordischen Ramponierer". Immerhin: Im Team reichte es später zu Silber. Knapp hinter Norwegen. Schon wieder.

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