Radsportler schlagen wieder zu

SID
Am achten Wettkampftag der Paralympics besserten die Radsportler die deutsche Bilanz auf
© getty

Erst drei bittere Plätze am Morgen, dann wieder großer Jubel am Strand von Barra: Die Radsportler haben wieder zugeschlagen und mit Frauen-Power am achten Wettkampf-Tag der Paralympics die deutsche Bilanz weiter aufpoliert.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Nach drei Siegen im Zeitfahren am Mittwoch legten im Straßenrennen am Donnerstag die ehemalige Schwimmerin Christina Reppe und Andrea Eskau innerhalb einer Viertelstunde nach. Anschließend bannte auch noch Vico Merklein (Nendorf) seinen Vize-Fluch und holte seinen ersten großen Titel.

Am Morgen hatte die Bilanz noch gelautet: Dreimal Silber gewonnen, aber Gold verloren. Denn die drei deutschen Weltmeister David Behre, Edina Müller und Tom Kierey verpassten einen Eintrag in die Geschichtsbücher der Paralympics allesamt knapp. Behre fehlten über 400 m 0,03 Sekunden, um Nachfolger des gefallenen Superstars Oscar Pistorius zu werden.

London-Champion Heinrich Popow verpasste über 100 m nicht nur die Wiederholung seines Gold-Copus, sondern als Vierte sogar eine Medaille. Es gewann der Australier Scott Reardon, Lebensgefährte der deutschen Weitsprung-Paralympicssiegerin Vanessa Low.

Im Kanu verpasste Müller im allerersten paralympischen Rennen der Sportart Gold um 0,114 Sekunden. Dann fehlte Tom Kierey sogar weniger als eine Zehntelsekunde, um erster Paralympics-Sieger seiner Klasse zu werden. Radsportler Max Weber (Obergünzburg) holte ebenfalls Silber. Mindestens das haben auch die Rollstuhl-Basketballerinnen sicher, die nach dem 55:45 gegen Toprfavorit Niederlande aber im Finale gegen die USA auch ihren Gold-Coup von London wiederholen wollen.

Silber gewannen auch die Dressur-Mannschaft und Leichtathletin Irmgard Bensusan (Leverkusen) über 200 m. Bronze ging an Torben Schmidtke (Potsdam), der über 100 m Brust die Schwimmer nach fünf Tagen ohne Medaille erlöste, und Sprinter Thomas Ulbricht (Berlin) über 100 m.

"Gestern Silber und heute Gold, das ist perfekt"

Groß war der Jubel natürlich unter den Radsportlern. "Ich wusste, es kann etwas Tolles werden. Das ist es geworden. Ich bin superstolz", sagte Reppe (29/Nendorf), die schon zweimal bei Paralympics im Schwimmen gestartet war und zwei Bronzemedaillen geholt hatte: "Das ist einfach nur geil. Ich hätte heute Abend auf jeden Fall gefeiert, egal wie das Rennen ausgegangen wäre. Nun feiere ich doppelt und dreifach."

Auch Eskau war überglücklich. "Das war der Laktat-Schrei", sagte sie, nachdem sie im Ziel einen lauten Schrei losgelassen hatte: "Ich war so vollgepumpt, das tat so weh, aber umso größer ist die Freude. Gestern Silber und heute Gold, das ist perfekt. Aber wer mich kennt, weiß, dass ich morgen schon wieder an Pyeongchang denke. Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf."

"Da meine Freundin weint, muss es wahr sein", meinte Merklein, der nach sechs zweiten Plätzen seit 2011 erstmals gewann: "Ich stehe zum ersten Mal bei einem ganz wichtigen Rennen ganz oben. Es gibt keinen besseren Tag. Das ist Wahnsinn, abartig."

Der Leverkusener Behre musste sich zwei Tage nach seinem 30. Geburtstag dem Neuseeländer Liam Malone (46,20 Sekunden) geschlagen geben. "Es ist eine Niederlage, aber es war am Ende so so knapp", sagte Behre: "Ich hätte gerne die Nachfolge von Oscar angetreten. Aber mit der Zeit ist Silber auch viel wert. Und nun habe ich den kompletten Medaillensatz von Rio komplett."

Frust bei den Kanuten

Mit der Staffel gewann Behre Gold, über 200 Bronze, in allen vier Disziplinen (inklusive 100 m) stellte er einen Europarekord auf. Der Südafrikaner Pistorius sitzt wegen Mordes an seiner Freundin im Gefängnis.

An der Kanu-Strecke überwog bei den deutschen Athleten trotz Doppel-Silber dagegen der Frust. Im Reiten schließlich hatte Steffen Zeibig (Dresden) auf Feel Good 4 als Vierter im Individual Championship Test 0,6 Prozentpunkte zu wenig für Bronze.

Bei Multitalent Müller - sie hatte 2008 Silber und 2012 Gold im Rollstuhl-Basketball gewonnen - dauerte es jedenfalls etwas, bis sie ihr Lächeln wiedergefunden hatte. Erst nach der Siegerehrung, mit der Silbermedaille um den Hals, sprach die Welt- und Europameisterin von einem "tollen Gefühl. Ich kann absolut zufrieden sein. Natürlich wäre Gold möglich gewesen, aber es herrschte starker Seitenwind. Damit hatte ich zu kämpfen. Jeanette ist mit den Bedingungen etwas besser zurecht gekommen."

Kierey blickt optimistisch in die Zukunft

Die Erwartungen waren groß gewesen. Auch bei Müller selbst. Sie wollte ihr "Gold-Jahr" nach WM- und EM-Titel krönen, "aber es hat eben nicht ganz gereicht. Jetzt habe ich Silber in Peking, Gold in London und jetzt wieder Silber. Schauen wir mal, was in Tokio dran ist." Da wolle sie "noch einmal angreifen". Erneut im Kanusprint.

Kierey war sogar als Weltmeister der vergangenen beiden Jahre ins Rennen gegangen. Doch am Ende war der Ukrainer Sergej Jemeljanow 0,099 Sekunden schneller. Er habe trotzdem sein "Ziel erreicht", sagte er: "Ich war ganz dicht dran." Doch Kierey blickte gleich schon wieder Richtung der nächsten Paralympics 2020: "Das ist für mich die klare Ansage für Tokio, das es weitergeht. Ich habe gehofft, meine Hymne zu hören, jetzt muss ich in vier Jahren wieder ran."

Artikel und Videos zum Thema