Die Fehde von Rio und WADA

SID
Vitali Mutkos Ministeramt steht auf dem Spiel
© getty

Im Anti-Doping-Kampf schlagen die Wellen keine sechs Wochen vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) weiter hoch. Die aufgekommene Schlammschlacht zwischen den Olympia-Machern und der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) wegen der erneuten Suspendierung ausgerechnet des Anti-Doping-Labors in Rio warf dabei am Wochenende kein gutes Licht auf die Bekämpfung von Leistungsmanipulationen. Russlands Sport verlagert unterdessen seine Bemühungen um ein möglichst großes Olympia-Team zusehends auf juristische Winkelzüge.

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In Brasilien reagierte das Organisationskomitee der bevorstehenden Sommerspiele (COL) mit heftigen Attacken gegen die WADA auf die imageschädigende Sperre ihres Labors. "Das ist die Entscheidung von einem, der die Scheinwerfer sucht, um ein enormes Debakel unter den Tisch zu kehren", unterstellte COL-Anwalt Sergio Mazzillo der WADA ein Ablenkungsmanöver zur Verdeckung von Problemen im "Fall Russland". Das brasilianische Internetportal zitierte Mazillo sogar mit dem Ratschlag zu einer Klage gegen die "eitlen Funktionäre mit abgelaufenem Verfallsdatum".

Allerdings sind nicht zum ersten Mal Zweifel an der Zuverlässigkeit des Labors in Rio aufgekommen. Schon 2013 sperrte die WADA das Institut wegen Mängeln in der Analyse von Urin- und Blutkontrollen für mehr als ein Jahr, sodass die Dopingkontrollen bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien zur Überprüfung nach Lausanne geflogen werden mussten.

"Ziemlich verstörende" Probleme

Den abermaligen Lizenzentzug erläuterte der noch amtierende WADA-Generaldirektor David Howman (Neuseeland) nunmehr mit "ziemlich verstörenden" Problemen bei den Brasilianern. Ob das Labor in Rio in den verbleibenden 40 Tagen bis zur Eröffnungsfeier der Spiele an der Copacabana seinen Status als akkreditiertes Analyse-Labor zurückerhalten und wieder für die Kontrollen bei Olympia zuständig erklärt wird, erschien am Sonntag ausgesprochen fraglich.

Auf fraglichen Wegen will Russlands Sportführung offenbar möglichst vielen einheimischen Olympia-Kandidaten aus dem Lager der Leichtathleten und der Gewichtheber trotz internationaler Sperren durch ihre Weltverbände noch einen Rio-Start ermöglichen. Sportminister Witali Mutko stellte nach der Ankündigung einer Sammelklage der Leichtathleten beim internationalen Sportgerichtshof CAS zusätzliche Einzelanträge aller 67 russischen Aktiven bei der IAAF in Aussicht. Außerdem werden laut Mutko auch die Gewichtheber wegen "Respektlosigkeit vor Athleten und Nationalmannschaften" ebenfalls vor den CAS ziehen.

Issinbajewa: "Sie sind echte Scheißkerle"

Neben der Androhung juristischer Schritte gehören allerdings auch einlenkende Töne zu Mutkos Taktik. Allerdings ist das Angebot des Regierungsmitglieds, sämtliche Aktive des russischen Olympia-Teams vor Rio auf Staatskosten durch ein unabhängiges Labor auf Doping testen zu lassen, nicht mehr als ein sportpolitisches Feigenblatt: Die Hochzeit für die Medikation von Athleten mit verbotenen Substanzen zum Formaufbau für Olympia war im vergangenen Herbst, und Nachweise dafür durch "normale" Kontrollen sind inzwischen mehr als unwahrscheinlich.

Darauf setzt offenkundig auch die russische Stabhochsprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa. "Ich darf nicht an den Spielen teilnehmen, und zwar nicht, weil ich etwas Falsches gemacht habe, sondern alleine weil ich Russin bin. Das ist diskriminierend. Keiner darf mir verbieten, meinen Beruf auszuüben. Aber genau das macht die IAAF ohne jeden Grund", sagte die zweimalige Olympiasiegerin und inoffizielle Weltjahresbeste dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Die Bestätigung ihrer Pläne für eine Klage beim CAS verband Issinbajewa außerdem mit persönlichen Angriffen auf die Angehörigen der IAAF-Spitze: "Ich habe keinen Respekt vor diesen Mitgliedern. Sie sind echte Scheißkerle."

Mutko stellt sich der Verantwortung

Issinbajewas Attacken unter der Gürtellinie könnten jedoch ebenso ein Indiz für schwindende Hoffnung wie Mutkos erste Aussagen über einen möglichen Rücktritt für den Fall von Russlands General-Ausschluss von den Olympia-Wettbewerben: "Es wäre eine große persönliche Niederlage für mich, wenn die ganze Mannschaft disqualifiziert werden würde", sagte Mutko dem russischen Onlineportal Match-TV.

Zwar sei er, meinte der 57 Jahre alte Vertraute von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin weiter, nicht dafür verantwortlich, wenn Sportler Dopingmittel zu sich nehmen, aber: "Ich bin für die Politik in unserem Land mitverantwortlich. Und wenn diese Politik am Ende in meinem Bereich versagt oder nicht effektiv ist, bedeutet das, dass ich falsch arbeite. Ich bin bereit, dafür die volle Verantwortung zu tragen."