So schlecht? "Damals, vor dem Krieg"

Von Florian Regelmann
Schützin Beate Gauß war eine der vielen Enttäuschten im deutschen Lager
© Getty

Katastrophe. Debakel. Desaster. Nach dem ersten Tag wartet das deutsche Team in London weiter auf die erste Medaille. Es gab auch internationale Verlierer, allen voran Michael Phelps, der gegen Ryan Lochte nicht den Funken einer Chance hatte. Eine ungarische Judoka ist die erste Heldin der Spiele.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Usbekistan hat eine Medaille. Nordkorea hat eine Medaille. Kolumbien auch. Ungarn. Belgien. Gefühlsmäßig einfach alle außer Deutschland! Bei den Chinesen und US-Boys läuft es eh von alleine. Auch die Italiener durften sogar schon fünfmal über Edelmetall jubeln.

Dem deutschen Team würde nach dem desaströsen Auftakt ja einmal schon reichen. Im Mittelpunkt des ersten Tages stand natürlich die Schwimm-Katastrophe um Paul Biedermann und Britta Steffen (kollektives Absaufen!), aber auch im Lager der Schützen oder der Radsportler war die Stimmung kaum besser.

Der ganze Tag zum Nachlesen im Ticker

Ob es am Sonntag (9 Uhr im LIVE-TICKER) schöner wird? Fraglich. Vielleicht kann Säbel-Fechter Nicolas Limbach etwas reißen. Für die großen internationalen Highlights sorgten am Samstag Ryan Lochte, der den ersten Showdown mit Michael Phelps ganz klar für sich entschied und die erst 16-jährige Wunder-Chinesin Ye Shiwen, die über 400 Meter Lagen Weltrekord schwamm. Bemerkenswert: Es ist der erste Weltrekord seit dem Verbot der Schwimm-Anzüge Anfang 2010.

Die Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 2):

 

WettbewerbEntschheidung
Bogenschießen, Männer, MannschaftItalien holt Gold!
Fechten, Frauen, Florett-Einzel
Italien, Italien, Italien!
Gewichtheben, Frauen, 48 kg Chinesin nicht zu schlagen
Judo, Männer, bis 60 kgFinale: Russe besiegt Japaner
Judo, Frauen, bis 48 kgBrasilianerin jubelt über Gold
Radsport, Männer, StraßenrennenGold für Vinokurov? In der Tat!
Schießen, Frauen, LuftgewehrChinesin holt erstes London-Gold
Schießen, Männer, LuftpistoleSüdkoreaner wird Olympiasieger
Schwimmen, Männer, 400m LagenPhelps bei Lochte-Sieg nur Vierter
Schwimmen, Männer, 400m FreistilOhne Paule: Sun Yang triumphiert
Schwimmen, Frauen, 400m Lagen16-Jährige stellt Weltrekord auf
Schwimmen, Frauen, 4x100m FreistilOhne DSV: Gold an Australien

Was sonst noch wichtig war:

Badminton: Guter Auftakt für Marc Zwiebler und Juliane Schenk. Europameister Zwiebler gewann in der Vorrundengruppe K locker mit 21:9, 21:6 gegen Mohamed Ajfan Rasheed von den Malediven. Die WM-Dritte Schenk schlug die Tschechin Kristina Gavnholt auch überzeugend mit 21:18, 21:14.

Beachvolleyball: Julius Brink und Jonas Reckermann sind mit einem Sieg ins Turnier gestartet. Vor 15.000 Fans an der Horse Guards Parade besiegte das deutsche Duo die Russen Semenov/Prokopyev mit 2:0 (21:19, 21:17). Katrin Holtwick und Ilka Semmler setzten sich mit 2:0 (21:16, 21:18) gegen die Tschechinnen Klapalova/Hajeckova durch.

Fußball/Frauen: Die USA (3:0 gegen Kolumbien), Brasilien (1:0 gegen Neuseeland), Weltmeister Japan (0:0 gegen Schweden) und Großbritannien (3:0 gegen Kamerun) machten alle den vorzeitigen Viertelfinal-Einzug perfekt.

Pferdesport/Vielseitigkeit: Nach dem 1. Tag sieht es ordentlich aus für das deutsche Team. Zwar hatte Peter Thomsen (mit Barny) zum Auftakt im Königlichen Park in Greenwich enttäuscht, aber Ingrid Klimke (mit Butts Abraxxas) und Dirk Schrade (mit King Artus) haben es herausgerissen. Nach dem ersten Tag der Dressur mit 37 Reitern liegen Klimke und Schrade auf den ersten beiden Plätzen der Einzelwertung. In der Zwischenwertung der Mannschaft liegt Deutschland auf Rang zwei hinter Australien. Welt- und Europameister Michael Jung mit seinem Super-Pferd Sam kommt erst noch.

Rudern: Todesgruppe? Kein Problem!Der Deutschland-Achter ist mit dem 35. Sieg in Folge souverän ins Finale gerudert. Die Operation Gold läuft. Großbritannien, die Niederlande und Kanada wurden in die Schranken verwiesen. Neben dem Achter gewannen auch Eric Knittel und Stephan Krüger im Doppelzweier, der Frauen-Doppelvierer um Schlagfrau Britta Oppelt und Marcel Hacker im Einer ihre Vorläufe.

Tennis: Philipp Kohlschreiber sagte seine Teilnahme ab, nachdem er am Samstag das Kitzbühel-Finale (auf Sand) gegen Robin Haase verloren hatte. Erste Begründung: ein verhärteter Fuß. Später sprach der DOSB von einer Adduktorenzerrung im rechten Oberschenkel. Weil Florian Mayer keine Lust hatte und Tommy Haas nicht gelassen wurde, ist jetzt Nachrücker Philipp Petzschner (!) der einzige deutsche Mann im Einzel-Wettbewerb. Immerhin: Petzschner gewann in Runde eins gegen den Slowaken Lukas Lacko mit 7:6, 6:1. Nächster Gegner: Janko Tipsarevic. Das Frauen-Doppel Angelique Kerber/Sabine Lisicki lag gegen die Britinnen Laura Robson/Heather Watson 1:6, 2:4 zuück, gewann aber noch 1:6, 6:4, 6:3. Raus ist Mona Barthel (4:6, 3:6 gegen Ursula Radwanska). Roger Federer hatte viel Mühe beim 6:3, 5:7, 6:3 gegen den Kolumbianer Alejandro Falla.

Turnen: Das deutsche Team zog auf Platz vier (vor China und Japan!) ins Finale am Montag ein. Im Mehrkampf stehen Fabian Hambüchen (3. in der Quali) und Marcel Nguyen (7.) im Endkampf. Hambüchen erreichte außerdem das Einzelfinale am Reck, Nguyen ist am Barren und am Boden qualifiziert. Pech hatte Mehrkampf-Vizeweltmeister Philipp Boy, der sich beim Sprung am Fußgelenk verletzte, später vom Reck stürzte und fast aufgegeben hätte, dann aber noch für das Team weitermachte.

Doping: Die Olympischen Spiele 2012 haben ihren ersten Dopingfall. Der albanische Gewichtheber Hysen Pulaku wurde am 23. Juli positiv auf das anabole Steroid Stanozolol getestet. Das gab das IOC bekannt.

Mann des Tages: Donald Young

"I'm a loser baby, so why don't you kill me." Nicht nur viele Deutsche haben an Tag eins Niederlagen einstecken müssen. Da ist auch noch die Geschichte von Donald Oliver Young Jr. 2011 stand der 23-jährige US-Boy im US-Open-Achtelfinale und kletterte in der Weltrangliste auf Rang 38. Nicht schlecht. Darum geht es aber schon lange nicht mehr. Youngs Problem ist, dass er ums Verrecken kein Tennis-Match mehr gewinnt. So gar keins.

In London war schon wieder in Runde eins Endstation. 4:6, 4:6 gegen den Südtiroler Andreas Seppi. Young hat seit Februar (!) kein Match mehr gewonnen. Inzwischen steht sein Losing-Streak bei 15 Niederlagen in Folge. Und seine Bilanz für 2012 bei 2-18. Und er ist immer noch die Nummer 60 der Welt. Unfassbar. So langsam muss sich Vince Spadea Sorgen um seinen Negativ-Rekord machen. Spadea hat es mal geschafft, 21 Matches in Serie zu verlieren. Sein Spitzname damals: "The World's Biggest Loser." Bis der 26. Juni 2000 kam und Spadea in der ersten Runde von Wimbledon Greg Rusedski mit 9:7 im fünften Satz bezwang. Kopf hoch, Donald! Auch du wirst wieder gewinnen. Vielleicht ja gegen Kohlschreiber.

Frau des Tages: Eva Csernoviczki

Wir haben unsere erste Heldin von London! Sie heißt Eva Csernoviczki, ist 25 Jahre alt und kommt aus Ungarn. Ihre Sportart: Judo. Im Leichtgewicht-Viertelfinale musste die Eva gegen die gemeingefährliche Belgierin Charlene van Snick ran. Und was passierte? Die Belgierin würgte unsere Eva bewusstlos. Die spinnt doch! Der Mattenrichter brach den Kampf ab, van Snick war die Siegerin.

Aber unsere Eva ließ sich von dieser kurzen Bewusstlosigkeit nicht unterkriegen. Im Gegenteil. In der Trostrunde legte sie richtig los, bezwang erst die Chinesin Wu Shugen und stand so im kleinen Finale. Es ging gegen die Argentinierin Paula Pareto um die Bronzemedaille - und unsere Eva setzte sich durch. Erst bewusstlos, dann Bronze! Übrigens: Auch Charlene "Die Würgerin" van Snick gewann am Ende Bronze.

Sprüche des Tages:

"Damals, vor dem Krieg. Ich weiß nicht, was mir der Herrgott damit sagen will." (Schützin Beate Gauß auf die Frage, wann sie das letzte Mal so schlecht geschossen hat)

"Wir sollten uns Reserven zurückhalten, am Ende sind wir in der Tonne sitzen geblieben." (Britta Steffen über die ausgeklügelte Taktik der DSV-Trainer)

"Wir haben uns verpokert. Jetzt haben wir die Arschkarte gezogen." (Daniela Schreiber ebenfalls über die Super-Taktik)

"Vom Gefühl her habe ich eigentlich ein ganz gutes Rennen gehabt." (Hendrik Feldwehr nach Platz 7 im 100m-Rücken-Vorlauf)

"Ich will hier auch als Einzelkämpfer weiter kräftig mitmischen und für Unruhe sorgen." (Philipp Petzschner macht Federer und Co. Angst...)

"Es war das Wahnsinnigste, was ich je in meinem Leben erlebt habe. Es gab keine Stelle zum Pinkeln."(Andre Greipel über die Begeisterung beim Straßenrennen)

"Das war einfach ein beschissenes Rennen." (Michael Phelps nach seinem 4. Platz über 400m Lagen)

"Ich war einfach nicht gemein genug."(Florett-Fechterin Carolin Golubytskyi nach der Niederlage gegen Elisa di Francisca. Die Italienerin hatte der Deutschen einen bösen "Kinnhaken" an den Hals verpasst)

Zahlen des Tages:

0. Null. Nada. Njet. Nix halt. Deutschlands Medaillenzahl.

4.10 Sekunden. Der Rückstand von Michael Pheps auf Ryan Lochte.

15 Jahre alt war Phelps, als er 2000 das letzte Mal bei einem Olympia-Rennen keine Medaille holte. Seitdem lautete seine Bilanz: 16/16. 14x Gold, 2x Bronze.

392. So viele Ringe schoss Beate Gauß in der Quali. Genauso viele wie die hochschwangere Nur Suryani Mohamed Taibi aus Malaysia. Rang 32.

1221. Der Weltranglisten-Platz von Yoshua Shing. Tischtennis-Spieler aus Vanuatu. Verlor in der Quali 0-4 gegen den Kubaner Andy Pereira.

Olympia 2012: Alle Wettkämpfe im Zeitplan