Von Technikdoping und großen Spielen

SID
Wojtek Czyz (l.) warf Heinrich Popow (r.) Technikdoping vor
© Getty

"An diese Spiele wird man sich erinnern", hatte Lord Sebastian Coe auf der Eröffnungsfeier der Paralympischen Spiele versprochen. Der Organisationschef sollte Recht behalten.

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Bis zur Schlussfeier am Sonntagabend sahen 2,7 Millionen euphorische Zuschauer in den Sportstätten nie da gewesene Glanzleistungen der 4.200 Athleten - die Briten waren wundervolle Gastgeber. Mit der Professionalisierung kommen aber wie immer im Sport auch die unerwünschten Nebenwirkungen - Technikdoping wurde zum geflügelten Begriff der Spiele von London.

Friedhelm Julius Beucher konzentrierte sich auf der Abschlusskonferenz des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) naturgemäß mehr auf die schönen Seiten des Sports.

"Bedeutendste Paralympics"

"Das waren die bedeutendsten Spiele in der 64-jährigen Geschichte der Paralympics", sagte der Präsident des DBS und fügte an, dass das deutsche Team sensationell abgeschnitten habe. In der Tat, mit 18 Gold-, 26 Silber- und 22 Bronzemedaillen holte die deutsche Mannschaft deutlich mehr Edelmetall als noch in Peking (14, 25, 20).

Der Chef de Mission sieht die erweiterten Förderprogramme als ausschlaggebenden Punkt für die Steigerung: "Unser Leistungssportplan mit dem System der paralympischen Trainingsstützpunkte und der Top-Team-Förderung scheint Früchte zu tragen", sagte Karl Quade. Vor Peking waren die deutschen Topathleten nur neun Monate betreut worden, die Vorbereitung auf London begann bereits im Januar 2009.

Die ständige Professionalisierung des Sports mache aber weitergehende Unterstützung notwendig, sagte Beucher. "Die Zeiten sind vorbei, dass man nach der Arbeit noch trainiert und vorn in der Weltspitze dabei ist. Wir brauchen auch weiter gute Partner in der Wirtschaft", forderte der DBS-Präsident.

Materialschlacht-Hammer rausgeholt

Zu welchen teaminternen Diskrepanzen Sponsorentum im Behindertensport momentan noch führen kann, zeigte dagegen die Technikdoping-Debatte um Heinrich Popows Kniegelenk.

Nachdem sie noch zwei Tage zuvor zusammen in der Staffel Bronze geholt hatten, hatte Wojtek Czyz nach den 100-Meter-Vorläufen den großen Materialschlacht-Hammer rausgeholt: "Es kann nicht sein, dass ein Athlet Bauteile hat, an die niemand anderes bei den Paralympics herankommt. Das, was Heinrich macht, ist für mich das Paradebeispiel für technisches Doping", hatte der 32-Jährige gesagt.

Angeblich nutzte Goldsprinter Popow ein verbessertes Kniegelenk, dass Czyz nicht zur Verfügung gestanden hätte. Am Ende stellte sich heraus, dass das Gelenk wohl frei verfügbar war, der 29 Jahre alte Popow als Werbeträger von Prothesenhersteller Ottobock aber direkt an der Modifikation des Teiles mitwirken konnte.

Eine Dopingmethode mehr

Eigentlich keine große Sache, Zusammenarbeit in der Entwicklung zwischen Athleten und Unternehmen ist außerhalb des Behindertensports durchaus nichts Ungewöhnliches.

Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch. Oscar Pistorius hatte es in der Diskussion um zu lange Stelzen vorgemacht, Czyz schließlich aufgegriffen: Wieder hat die Sportwelt eine Dopingmethode mehr für sich entdeckt - oder zumindest die Möglichkeit, mit deren Vorwurf Aufmerksamkeit zu erregen.

Aber das sind wohl Misstöne, die zu großem Sport irgendwie dazugehören. Das positive Fazit ließ sich der Chef de Mission davon jedenfalls nicht nehmen: "Wir hatten drei Ziele: Positiv auftreten, Botschafter unseres Landes sein und Erfolg haben. Das haben wir erreicht", sagte Quade. Rio 2014 kann kommen.

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