Wir sind Judo, aber leider nicht nur...

Von Für SPOX in London: Alexander Mey
Schwergewicht Andreas Tölzer trug mit seiner Bronzemedaille zum tollen Judo-Ergebnis bei
© Getty
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Sportarten, die wir schlecht können

Schwimmen: Null Medaillen. Mal verzockt, wie in der Freistilstaffel der Frauen, mal im Pech wie Britta Steffen und Steffen Deibler bei ihren vierten Plätzen, aber meistens einfach nur viel zu schlecht für olympische Spiele. Das ist die harte Wahrheit über den einst so ruhmreichen DSV. Einem der größten Debakel eines deutschen Sportverbandes bei Olympia folgte eine umfassende verbale Bankrotterklärung der Verantwortlichen. Quintessenz: Es war noch nie so schlecht und es gibt auch keine Aussicht auf Besserung.

Anders lässt sich die Analyse von Leistungssportdirektor Lutz Buschkow nicht interpretieren. In einem mehr als 20-minutigen Monolog gegenüber den Medien fielen Schlagworte wie "Anschluss an die Weltspitze verloren", "Athleten haben eine zu geringe Grundlagenausdauer", "haben die Steuerung der Wettkampfvorbereitung nicht im Griff", "haben ein echtes Trainerproblem", "haben ein gesellschaftliches Problem", "unsere Sporter sind dem Spitzensport psychisch und physisch nicht gewachsen", "sie schaffen es nicht, beim Höhepunkt ihre Top-Leistung abzurufen".

Und das Schlimmste: "In den nächsten drei bis fünf Jahren ist kein Talent in Sicht, von dem man Medaillen erwarten kann. Wir sichten mehr Karpfen als Delfine."

Im Schwimmverband ist in den letzten mehr als zehn Jahren so viel schief gelaufen, dass wir es uns im Prinzip sparen können, ein Team in vier Jahren nach Rio zu schicken? So haben sich die Verantwortlichen angehört.

Grundprobleme gibt es laut Buschkow zwei. Zum einen findet der Verband ums Verrecken keinen ausreichend qualifizierten Bundestrainer oder auch nur geeignete Nachwuchstrainer. "Die Bewerbungen stapeln sich nicht gerade auf meinem Schreibtisch", sagte Buschkow.

Zum anderen kann man vom Schwimmen nur als absoluter Weltklasse-Athlet leben, was viele Talente davon abhält, sich voll und ganz dem Training zu verschreiben. Ein zweites Standbein ist den meisten wichtiger.

"Niemand aus München schickt sein Kind zum Stützpunkt nach Sachsen-Anhalt, weil die schulischen Voraussetzungen dort ganz anders sind", nannte Buschkow als Beispiel. "Wir haben zu wenige talentierte Schwimmer, die die guten Bedingungen von Bundeswehr und Bundespolizei nutzen. Ein Talent wie Jan-Philip Glania studiert zum Beispiel lieber."

So ist die Lage und sie ist richtig finster. Da kann man nur hoffen, dass vielleicht wenigstens ein Paul Biedermann bis 2016 weitermacht und ein Steffen Deibler seine positive Entwicklung fortsetzt. Ansonsten brauchen sich die Organisatoren in Rio erst gar keine deutsche Flagge für die Siegerehrungen zu besorgen.

Fechten: Mit großen Erwartungen und zahlreichen Medaillenhoffnungen sind die Fechter in London angetreten. Am Ende ist nur eine hart erkämpfte Silbermedaille für Routinier Britta Heidemann und Bronze für die Florett-Männer dabei herausgekommen.

Viel zu wenig, wenn man bedenkt, welches Potenzial Fechter wie Nicolas Limbach, Benjamin Kleibrink oder Peter Joppich eigentlich haben.

Limbach ging als Weltranglistenerster in die Säbel-Gefechte. Dort versagte erst er allein, dann auch die ganze Mannschaft. "Die Enttäuschung ist riesig", sagte er. "Entweder man ist der Sieger oder eben der Depp der Nation. Wir sind jetzt wohl die Deppen der Nation."

Viel besser machten es auch die Frauen nicht. Mit Ausnahme von Heidemann, der die Freude über ihr Silber im Einzel nach dem frühen Ausscheiden der Degen-Mannschaft aber auch gehörig vergangen war.

Sie kritisierte ihre Teamkolleginnen: "Wir haben uns viel vorgenommen. Aber wir haben als Team unsere Gesamtleistung nicht abgerufen. Wenn an einigen Stellen die Punkte fehlen, gewinnt man nicht. Man hat gemerkt, dass die Fechterinnen nervös waren und zu hektisch geworden sind."

Da passt es irgendwie ins Bild, dass zum Abschluss die Florett-Männer auch noch viel Pech mit zweifelhaften Kampfrichter-Entscheidungen hatten. Sonst hätten sie das Ergebnis vielleicht mit dem Olympiasieg noch kaschieren können.

Schießen: Am Montag wird zwar noch ein letztes Mal geschossen, aber die Bilanz der deutschen Schützen ist jetzt schon erbärmlich. Fünf Medaillen waren das Ziel, null sind es geworden. Dabei waren die Schützen mal deutsche Medaillen-Garanten!

Nun musste sich bei seinen letzten Spielen sogar Medaillenbank Ralf Schumann bereits in der Qualifikation verabschieden. Vom erneuten Totalausfall der Dauerhoffnung Sonja Pfeilschifter ganz zu schweigen.

Sie stand jedoch sinnbildlich für das schlechteste Abschneiden des Verbandes seit 1956. Seit Olympia 2000 in Sydney gilt sie immer als Goldhoffnung, geholt hat sie noch nie etwas.

Diesmal sorgte sie zudem durch Kritik für Ärger im Team. "So wie das letzte halbe Jahr gelaufen ist, war es eigentlich ganz gut", spielte sie auf die ihrer Meinung nach falschen Nominierungskriterien an. Jeder Schütze durfte nur in einer Disziplin starten. "Es muss sich was ändern beim DSB", fügte sie hinzu.

Das rief natürlich prompt ihre Kollegen auf den Plan, die das ganz anders sehen. "Unsere Mannschaft ist toll, alle saßen bei meinem Finale auf der Tribüne, nur Sonja kapselt sich immer ab", konterte Barbara Engleder.

Bundestrainer Claus-Dieter Roth reagierte genervt und ließ vorerst sogar offen, ob er Pfeilschifter noch einmal für Olympia nominieren wird. "Das macht wirklich keinen Spaß. Über eine erneute Nominierung möchte ich erst einmal in Ruhe nachdenken."

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