IOC-Mitglied Pound: Olympia in Tokio wird verschoben

SID
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird die Olympischen Spiele in Tokio in diesem Jahr angeblich absagen.
© getty

Die Olympischen Spiele in Tokio werden allem Anschein nach verschoben. Ein IOC-Mitglied betont, die Entscheidung sei bereits gefallen.

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Die Olympischen Spiele in Tokio werden verschoben - sagt das IOC-Schwergewicht Dick Pound. Wie der Kanadier am Montag versicherte, hat sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) aufgrund der Corona-Pandemie bereits zu dieser historischen Entscheidung durchgerungen. "Auf Grundlage der Informationen, die dem IOC vorliegen, ist die Verschiebung beschlossen", sagte der 78-Jährige der US-Zeitung USA Today in einem Telefoninterview. Der Nachrichtenagentur AFP bestätigte Pound auf Nachfrage, dass die Verschiebung "unvermeidlich" sei.

Das IOC reagierte auf die Aussagen von Pound, Mitglied des IOC seit 1978 und lange Jahre auch Chef der Weltantidoping-Agentur WADA, überrascht. "Es ist das Recht eines jeden IOC-Mitglieds, die gestern getroffene Entscheidung der IOC-Exekutive zu interpretieren", sagte IOC-Sprecher Christian Klaue dem SID auf Nachfrage. Das IOC hatte am Sonntag erklärt, innerhalb der kommenden vier Wochen eine Entscheidung treffen zu wollen. Pound preschte nun vor: Die Parameter für das weitere Vorgehen seien noch nicht festgelegt, "aber die Spiele werden nicht am 24. Juli beginnen, so viel weiß ich", sagte er.

Das Einknicken des IOC ist nach tagelanger Kritik von Verbänden und Athleten aus aller Welt freilich keine allzu große Überraschung mehr. Auch aus Japan kamen schon deutliche Signale. "Wir sind nicht so blöd, die Olympischen Spiele wie geplant auszutragen", sagte Yoshiro Mori: Der Präsident des Organisationskomitees schloss sich damit der Haltung der Regierung an. Es sei schwierig, Spiele unter diesen Umständen abzuhalten, betonte Japans Premierminister Shinzo Abe: "Wir müssen über eine Verschiebung entscheiden". Der Fackellauf soll dennoch am Donnerstag in Fukushima beginnen.

IOC schließt komplette Absage aus: Suche nach Ersatztermin

Da das IOC eine komplette Absage der Spiele ausschloss, muss möglichst schnell ein Ersatztermin gefunden werden. Gegen eine Verlegung in den Oktober oder November spricht die unklare Entwicklung der Pandemie. Allerdings wären Sommerspiele im Herbst aus terminlicher Sicht leichter umzusetzen als die Verschiebung in die Jahre 2021 oder 2022. So sind etwa die Wohnungen im Olympischen Dorf längst verkauft, 2021 sollen dort schon die neuen Besitzer eingezogen sein.

Im kommenden Jahr stehen außerdem unter anderem die Weltmeisterschaften der Leichtathleten und Schwimmer auf dem Programm. Zudem müssten Termine für die Qualifikation gefunden werden. Im Jahr 2022 finden mit den Winterspielen in Peking und der Winter-WM der Fußballer in Katar schon zwei Großereignisse statt. Leichtathletik-Weltverbandspräsident Sebastian Coe hat Bach immerhin schon angeboten, seine für 2021 geplante WM auf 2022 zu verschieben.

Für seine selbst eingeräumte Gnadenfrist hatte das IOC seit Sonntagabend aus aller Welt heftige Kritik einstecken müssen. "Hinhaltetaktik", "Hängepartie", "Führungsversagen": Das Urteil fiel vernichtend aus. Denn auch wenn sich IOC-Präsident Thomas Bach damit eine letzte Verlängerung des unwürdigen Spiels auf Zeit verschafft hatte, stand offensichtlich schon fest: Die Olympischen Spiele in Tokio können aufgrund der Corona-Pandemie nicht im geplanten Zeitraum (24. Juli bis 9. August) stattfinden.

Athlethen sauer: "Das ist alles nur noch Hinhaltetaktik"

Diese unausweichliche Entscheidung wollte das IOC allerdings erst in einem Monat treffen, wie den Athleten aus aller Welt mitgeteilt wurde. Daran übte auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Kritik. Die Prüfung der Verlegung sei zwar ein richtiger und in Anbetracht der aktuellen gesundheitlichen Weltlage längst fälliger Schritt, erklärte DOSB-Präsident Alfons Hörmann auf SID-Anfrage, "allerdings hätten wir uns bereits jetzt eine klare Aussage dahingehend gewünscht, dass die Spiele definitiv nicht zum geplanten Termin stattfinden können und nun über denkbare Alternativen beraten wird".

Die Athleten hielten mit ihrer Meinung nicht mehr hinter dem Berg. "Das ist alles nur noch Hinhaltetaktik", sagte Wasserspringer Patrick Hausding dem SID. Aus Sicht des Olympia-Dritten müssten die Spiele "um ein Jahr" verschoben werden. Der DOSB "präferiere" laut Hörmann "eine Verlegung mindestens ins nächste Jahr". Thomas Röhler wäre ebenfalls für eine Austragung 2021. Der Speerwurf-Olympiasieger sagte dem SID: "2021 bietet aus meiner Sicht derzeit die größte Sicherheit."

Bach hatte betont, dass das IOC Teil der Lösung sein wolle. "Menschenleben haben Vorrang vor allem, auch vor der Austragung der Spiele", erklärte der Fecht-Olympiasieger von 1976. Gleichzeitig drückte der Herr der Ringe seine Hoffnung aus, "dass am Ende dieses dunklen Tunnels, durch den wir alle gemeinsam gehen, ohne zu wissen, wie lange er noch dauert, die olympische Flamme ein Licht sein wird."

Dieses Licht am Ende des Tunnels hatten viele schon nicht mehr gesehen. Kanada kündigte als erstes Land an, keine Sportler zu den Olympischen und Paralympischen Spielen (25. August bis 6. September) zu schicken. In Australien verständigte sich das Olympia-Komitee darauf, seine Athleten auf 2021 einzuschwören.


 

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