Gestatten, Monsieur Invincible!

Von Simon Ommer
Martin Fourcade gewann den Gesamtweltcup fünfmal in Folge
© getty

Martin Fourcade ist seit einigen Jahren die dominierende Person in der Biathlon-Szene. Der Franzose polarisiert nicht nur in der Loipe, sondern auch abseits des Sports mit seinem Auftreten: Er gilt als arrogant, respektlos und ehrgeizig. Der 28-Jährige ist besessen von Siegen. Jeder Erfolg gibt ihm ein Stück mehr Selbstsicherheit, mit der er seine Gegner verzweifeln lässt.

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Der letzte Schuss: Ein Treffer! In aller Ruhe setzt Martin Fourcade im letzten Schießen diesen entscheidenden Schuss. Von der Konkurrenz ist weit und breit noch nichts zu sehen. Da dreht sich der Franzose zur Tribüne um und zeigt dem jubelnden Publikum die Siegerfaust. Die Menge tobt, Fourcade macht sich auf die Schlussrunde. In aller Ruhe.

Er ist sich seines Sieges sicher, er weiß, dass er der Beste ist. Die Konkurrenten um Simon Schempp und Emil Hegle Svendsen schauen in die Röhre. Mal wieder. Der Dominator lässt seinen Rivalen nicht den Hauch einer Chance und zeigt keine Schwächen, zumindest sportlich. Denn sein vorzeitiger Jubel zeigt dann doch eine seiner negativen Neigungen: Respektlosigkeit.

Siege haben bei Martin Fourcade keine Seltenheit. Dem Franzosen gelangen in seiner Karriere bisher 55 Weltcupsiege, 47 davon in Einzelwettbewerben. Nur Ole Einar Bjoerndalen liegt mit unglaublichen 94 Siegen vor ihm. Den Gesamtweltcup konnte Fourcade in den letzten fünf Jahren immer für sich entscheiden, ein sechster Triumph würde ihn auf eine Stufe mit Bjoerndalen bringen. Seine zahlreichen Siege gehen auch an der Konkurrenz nicht spurlos vorbei: "Martin ist unschlagbar, deshalb werde ich hier kein Rennen mehr bestreiten", zeigte sich Tarjei Bö, einer der stärksten Norweger, bei der WM 2016 chancenlos.

Konstanz als große Stärke

Doch warum ist dieser Mann so stark? Die Gründe hierfür finden sich schnell. Fourcade ist besessen von Siegen, er will immer gewinnen und scheut dabei kein Risiko. Zudem hat er gegenüber anderen Athleten einen großen Vorteil: Er ist sowohl in der Loipe als auch am Schießstand gleichmäßig stark. Fourcade kennt seinen eigenen Körper unheimlich gut, denn er weiß, wie er sich ein Rennen einteilen muss. Schießt er einen Fehler und muss eine Strafrunde laufen, arbeitet er sich auf der Strecke Stück für Stück zurück an die Spitze. Bleibt er am Schießstand fehlerfrei, baut er seine Führungsposition kontrolliert aus. Dies geschieht scheinbar mühelos.

Auf der Schlussrunde versucht der Biathlon-König seine Konkurrenten vorzeitig abzuschütteln, meistens am letzten oder vorletzten Anstieg. Er will es nicht auf einen möglichen Schlussspurt ankommen lassen, sondern seine Rivalen schon vorher in die Schranken weisen. Der zweifache Olympiasieger hat sich in den letzten Jahren auch am Schießstand enorm gesteigert. Zu Beginn seiner Karriere lag seine Trefferquote bei 85 Prozent. Inzwischen finden über 89 Prozent seiner Schüsse das Ziel. Die Trefferquote von Simon Schempp liegt im Vergleich dazu bei etwas über 87 Prozent.

Darüber hinaus hasst er es zu verlieren, schon als Kind konnte er dies nicht. Sein älterer Bruder Simon berichtet, dass er früher die Spielregeln geändert habe, wenn er am Verlieren war. Eine Schwäche, die ihn besonders stark macht.

In der letzten Saison triumphierte Martin Fourcade nicht nur im Gesamtweltcup, er konnte zudem alle vier Disziplinenwertungen für sich entscheiden. Besonders beeindruckend war dabei seine Konstanz: Bis zum Gewinn der großen Kristallkugel war er in den Weltcuprennen fast immer ganz vorn dabei, nur zweimal verpasste er die Top7. "Es gibt begabte Biathleten und weniger begabte. Er ist sehr begabt", lobt Erik Lesser den 28-Jährigen.

Herber Rückschlag

Verantwortlich für diese Erfolge war die jahrelange Zusammenarbeit mit Trainer Siegfried Mazet. Der 38-Jährige betreute die französische Mannschaft acht Jahre lang und verhalf Fourcade außerdem zu zehn Weltmeistertiteln. In diesem Sommer kehrte der Erfolgscoach seinem Team jedoch den Rücken und verstärkt stattdessen den härtesten Konkurrenten: Norwegen. Ausgerechnet. "Martin war enttäuscht, aber er hat meine Entscheidung verstanden. Ich wollte unbedingt im Ausland arbeiten", kommentierte Mazet seine Entscheidung.

Für Fourcade ist dieser Wechsel ein herber Rückschlag, denn er hat seinen Trainer an den größten sportlichen Konkurrenten verloren. Mit seinem Ehrgeiz und seinem Siegeswillen wird er diesen Verlust trotzdem wegstecken können.

In der Loipe genießt Martin Fourcade ohne jeden Zweifel den Respekt seiner Konkurrenten, fernab der Wettbewerbe sieht dies jedoch in der Regel anders aus: Der Franzose gilt als arrogant und respektlos. Dies liegt zum einen daran, dass er seine Gegner mit abfälligen Gesten provoziert, aber auch an seinem Auftreten neben der Strecke. Er sucht Auseinandersetzungen und geht keinem Konflikt aus dem Weg.

Als sich beispielsweise die deutsche Biathletin Miriam Gössner nach einem schweren Unfall für den Playboy auszog, witzelte Fourcade über die Verletzung von Gössner: "Schön zu sehen, dass es deiner Wirbelsäule besser geht", schrieb er auf Twitter und fügte ein Nacktbild der Biathletin hinzu.

"Wir brauchen das"

Mit Emil Hegle Svendsen lieferte sich Fourcade schon einige packende Zweikämpfe. In der Regel behielt der Franzose dabei die Oberhand, doch auch Svendsen konnte schon Duelle für sich entscheiden. Besonders packend wird es immer dann, wenn es zwischen den beiden Superstars abseits der Loipe hoch hergeht. Beide liefern sich immer mal wieder einen verbalen Schlagabtausch: "Wir brauchen das", sagt Svendsen. "Auf der einen Seite sind wir gute Freunde, auf der anderen sind wir große Gegner", beschreibt Fourcade die besondere Rivalität der beiden.

Die neue Biathlon-Saison steht in den Startlöchern und Martin Fourcade wird versuchen, seine sowieso schon üppige Erfolgssammlung weiter zu vergrößern. Mit einem erneuten Erfolg im Gesamtweltcup könnte er mit der Legende des Biathlon-Sports gleichziehen: Ole Einar Bjoerndalen gewann die große Kristallkugel sechsmal, wenn auch nicht am Stück.

Im Normalfall sollte Martin Fourcade der nächste Coup gelingen, denn wenn er zu seiner Form findet, ist er unschlagbar. Seinen Konkurrenten bleiben dann nur die beiden Ränge neben ihm auf dem Podium. Für Spannung im Weltcup können nur die Fourcade-Gegner sorgen: Es wird sich zeigen, ob Svendsen seine Krise aus dem Vorjahr überwunden hat und die Boe-Brüder konstantere Wettbewerbe abliefern können. Alle drei trainieren schließlich nun unter Mazet. Und nur mit Konstanz besteht die geringe Chance, dem Dominator in die Quere zu kommen.

Weiter dominieren

Aus deutscher Sicht kann Simon Schempp in der Weltklasse mitmischen und wenn alles optimal läuft auch der größte Konkurrent für den Franzosen sein. Hätte Schempp im letzten Jahr nicht so häufig mit Krankheiten kämpfen müssen, wäre er wohl damals schon erster Verfolger gewesen.

Spannend wird außerdem zu sehen sein, wie Fourcade den Verlust von Erfolgscoach Mazet wegsteckt, der ihm zu all seinen Titeln verholfen hat. Wer Fourcade kennt, weiß aber auch, dass er von Problemen nicht aufhalten lässt, sondern seinen Siegeswillen nur noch steigert.

Seine Zukunft lässt der Rekordjäger noch offen, möglich wäre das Setzen neuer Reize durch einen Wechsel in den Langlauf-Weltcup. Diesen peilt er jedoch frühestens für die Saison nach den Olympischen Spielen 2018 an. "Ich werde mich diesen und nächsten Winter voll auf Biathlon konzentrieren." Eine Warnung an die Konkurrenz, für die es auch in den nächsten Jahren enorm schwer wird, Erfolge zu feiern.

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