Gemischte Gefühle im Langlauf-Lager

SID
Frank Ullrich sieht vor dem Tour-Auftakt der Langläufer Licht und Schatten im deutschen Team
© getty

Bei den Frauen läuft's richtig rund, die Männer schlittern geradewegs in die sportliche Katastrophe: Vor dem Start der Tour de Ski am Samstag in Oberstdorf ist die Stimmung im Lager der deutschen Skilangläufer in arger Schieflage. Zu Bundestrainer Frank Ullrich scheint indes nur gute Laune vorgedrungen zu sein. "Ich bin glücklich und froh, dass jetzt die Tour bei prächtigem Winterwetter losgeht", sagte Ullrich dem "SID": "Das wird erster Saisonhöhepunkt und Standortbestimmung zugleich."

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Ullrichs Euphorie vor dem Heim-Weltcup - dem einzigen in der WM-Saison - ist vor allem dem vorweihnachtlichen Leistungssprung seiner Mädels geschuldet. Nachdem die Sprint-Asse Denise Herrmann und Hanna Kolb für ordentliche Ergebnisse gesorgt hatten, zeigten zuletzt in Davos Nicole Fessel und Claudia Nystad mit den Plätzen zwei und fünf, dass der DSV auch im Distanzbereich konkurrenzfähig ist.

"Wir liebäugeln auch bei der Tour mit dem einen oder anderen Top-Ten-Platz - vielleicht sogar im Gesamtklassement", sagt Ullrich, der vor allem Fessel attestiert, "zu einigem in der Lage" zu sein. Der kurze Freistil-Prolog am Samstag liegt der 31-Jährigen besonders, zudem dürfte sie ein Höchstmaß an Unterstützung erfahren - schließlich skatet Fessel fast an ihrer Haustür vorbei: "Oberstdorf ist meine Heimat, ich bin sehr heimatverbunden. Ich freue mich auf meine Leute, mein Allgäu, es gibt keinen schöneren Ort. Ich hoffe, dass ich zeigen kann, was in mir steckt."

Nystad "hochmotiviert"

Das will auch die 36 Jahre alte Nystad bei ihrem letzten Weltcup-Auftritt in Deutschland. Die zweimalige Olympiasiegerin, die nach der Saison ihre Karriere beendet, ist laut Ullrich "hochmotiviert, bündelt ihre ganzen Kräfte für die Tour". Spurt-Spezialistin Herrmann soll vor allem bei den kurzen Rennen der ersten Tour-Hälfte punkten, im Gesamtklassement könnte neben Fessel die nimmermüde Stefanie Böhler in die Nähe der favorisierten Skandinavier kommen.

Dabei werden allerdings die Norweger, bislang im Weltcup überragend, kaum zu schlagen sein, treten mit kompletter Kapelle an. Anders als im Vorjahr, als sich Marit Björgen im Hinblick auf Olympia frühzeitig verabschiedete, werden sämtliche Norge-Topstars um die Vorjahressieger Therese Johaug und Martin Johnsrud Sundby bis zum Finale am 11. Januar dabei bleiben.

Sollte einer der deutschen Männer bis dahin durchhalten, wäre das ein Erfolg. Bislang hat kein DSV-Läufer auch nur die halbe WM-Norm (Platz 15 oder Sprint-Halbfinale) erfüllt - nicht auszuschließen, dass bei den Weltmeisterschaften im Februar erstmals seit 1950 kein deutscher Starter vertreten ist. Ullrich scheint den Ernst der Lage noch nicht ganz verstanden zu haben. "Wenn denn bei der Staffel ein vierter Mann fehlt, sind die Nominierungs-Richtlinien nicht in Stein gemeißelt", sagt der Coach.

Ernst der Lage noch nicht ganz verstanden

Dabei sieht es derzeit nicht danach aus, dass auch nur drei den Sprung ins WM-Team schaffen. Sebastian Eisenlauer, als 68. bester Deutscher im Gesamtweltcup, erreichte einmal Sprint-Platz 14. Josef Wenzl, im Vorjahr zeitweise Führender des Sprint-Weltcups, scheiterte in seiner Spezialdisziplin bei vier Starts dreimal in der Qualifikation, wurde einmal 30., Distanz-Hoffnung Tim Tscharnke hat als Topresultat einen 28. Platz auf dem Konto.

"Wir wussten, dass nach dem Abgang von Axel Teichmann und Tobias Angerer eine Lücke klaffen würde", sagt Ullrich: "Die Jungs sollen aber jetzt nicht einem achten Platz hinterherrennen, sondern gesund bleiben und sich um die Inhalte kümmern."

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