Athleten benennen Verbands-Schwäche

SID
Zwischen Beckert (l.) und Pechstein (r.) herrscht seit einiger Zeit ein erbitterter Streit
© getty

Ein extrem kritisches Strategiepapier aus dem Kreis der Spitzenathleten stellt die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) vor eine Zerreißprobe. Eine Gruppe von Sportlern um DESG-Athletensprecher Robert Lehmann benannte in dem Schreiben schonungslos die vermeintlichen Schwächen der Verbandsführung um Präsident Gerd Heinze.

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Das Dokument wurde an die sechs DESG-Präsidiumsmitglieder, alle großen deutschen Eisschnelllauf-Vereine und die Obleute der Landeseissportverbände verschickt - ein in dieser Form wohl einmaliger Vorgang in der Geschichte des deutschen Sports.

"Wir wollten einfach nicht mehr so weitermachen, es musste etwas passieren", sagte Lehmann dem SID: "Wir wollen das als Handreichung verstanden wissen."

In dem achtseitigen Dokument mit dem Titel "Defizit-Analyse und Visionen der DESG-Kaderathleten", das dem SID vorliegt, wird der Führung das "Fehlen einer erfolgsversprechenden, langfristigen und geplanten Ausrichtung des Verbandes" und ein "Mangel an gelebter Verbandsstruktur" vorgeworfen.

"Keine angemessene Reaktion"

Es bedürfe einer "tiefgreifenden Strukturreform". Seit vielen Jahren habe es "keine angemessene Reaktion auf interne Fehlentwicklungen" gegeben, dadurch habe sich der Verband "selbst in eine schwere Krise manövriert".

Auf SID-Anfrage gab sich DESG-Präsident Gerd Heinze wortkarg. Die genannten Dinge hätten zum Teil ihre Berechtigung, "aber nur zum Teil", sagte der Berliner. Die Athleten hätten nicht grundsätzlich, aber partiell eine Rote Linie überschritten. Im Detail wollte sich Heinze nicht äußern. Auch Sportdirektor Günter Schumacher wollte "momentan noch keine Stellung nehmen".

Jüngster Tiefpunkt in der Geschichte der einst ruhmreichen DESG waren die Winterspiele in Sotschi. Zum ersten Mal seit 50 Jahren blieben deutsche Eisschnellläufer bei Olympia ohne Medaille, eine Folge wird die Streichung von dringend benötigten Fördergeldern sein.

Vesper muss als Vermittler einspringen

Im Endlosstreit zwischen Claudia Pechstein und Stephanie Beckert musste in Sotschi sogar Chef de Mission Michael Vesper als Vermittler einspringen. "Kein konsequentes Auftreten bei medienwirksamen Konflikten unter Athleten", nannten dies nun die Sportler, die noch auf eine offizielle Reaktion von Heinze und Co. warten.

Aus dem Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes, das die Sportler informiert hatten, sei laut Lehmann "zur Sache noch nichts Negatives gekommen". Viele Vereine sollen sich ausdrücklich positiv geäußert haben.

Angeblich befürworten 46 der etwa 50 DESG-Kaderathleten das Schreiben. Wie viele Sportler genau das Papier mittragen, ist allerdings ungewiss. Als Zustimmung wurde in einigen Fällen offenbar das Ausbleiben einer Reaktion auf den Vorschlag innerhalb einer Frist gewertet.

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