"Deutschland sehnt sich nach neuem Star"

Von Interview: Alexander Mey
Sven Hannawald und Martin Schmitt gehörten zur goldenen Generation des deutschen Skispringens
© Getty

Sven Hannawald hat eine lehrreiche Motorsport-Saison an der Seite von Heinz-Harald Frentzen hinter sich. Nun steht er vor dem Jubiläum seines Vierschanzentournee-Triumphes. SPOX sprach mit ihm über Formel-1-Tricks, Martin Schmitt als Armutszeugnis, Severin Freund und die österreichische Bedrohung.

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SPOX: Ihre Motorsport-Saison ist vorbei, der Winter steht vor der Tür. Kommt jetzt wieder der Skispringer in Ihnen durch?

Sven Hannawald: Ich bin in der Tat nach meinem Urlaub dabei, mich einzuarbeiten, und werde mir sicher im Winter einige Springen vor Ort anschauen. Zwar muss ich mich auch im Winter um einige Dinge im Motorsport kümmern, aber da ich an den Wochenenden keine Rennen habe, kann ich mich dem Skispringen widmen.

SPOX: Ihrem Nachwuchsprojekt namens Schneeflöckchen zum Beispiel.

Hannawald: Genau. Das hat vor einem Jahr angefangen und entwickelt sich ganz gut. Bei den Kindern geht es aber noch gar nicht darum, Vollgas zu geben. Wir wollen den Kids einen Anfang bieten und eventuell Lust auf Skispringen machen, mehr nicht. Für eine echte Förderung bräuchten wir Sponsoren, aber wir wollen es ohne Sponsoren machen.

SPOX: Nebenbei könnten Sie sich auch einmal als TV-Experte versuchen, oder?

Hannawald: Wenn es gewünscht wird, kann ich das gerne machen. Wenn nicht, bleibe ich zu Hause (lacht). Ich dränge mich bestimmt nicht auf. Noch gibt es keine konkreten Anfragen, was sich aber nach den Erfahrungen aus den letzten Jahren auch kurzfristig ändern kann.

SPOX: Sollte es so kommen, wird man Sie sicher hauptsächlich nach Martin Schmitt fragen. Ist es nicht unfair gegenüber den anderen, dass er in Deutschland immer noch das häufigste Gesprächsthema vor dem Saisonstart ist?

Hannawald: Nein, denn er hat sich das durch seine Leistungen in der Vergangenheit verdient. Die Jungen müssen lernen, dass auf ihnen zwar die Hoffnungen für die Zukunft ruhen, dass sie aber erst einmal konstant etwas zeigen müssen. Es ist eigentlich eher schade für den deutschen Nachwuchs, dass Martin immer noch die meisten von ihnen im Griff hat. In Österreich wäre er schon seit Jahren nicht mehr im Aufgebot.

SPOX: Nun sagt aber selbst Bundestrainer Schuster, dass Schmitt in seinem Alter nicht mehr besser wird.

Hannawald: Ich weiß nicht, ob er so etwas sagen muss. Vielleicht wollte er Martin dadurch motivieren. Es wird natürlich immer schwieriger für ihn, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass einem im Alter die Kaltschnäuzigkeit etwas verloren geht. Man denkt eher nach und akzeptiert nicht mehr jedes Risiko. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich wünsche ihm noch einen Wettkampf, in dem alles passt, und nach dem er sagen kann, dass es sich gelohnt hat, die ganzen Jahre weiterzumachen. Ich werde ihm aber sicher nicht reinreden.

SPOX: Sportlich hat ihm im vergangenen Winter vor allem Severin Freund den Rang abgelaufen. Hat er das Zeug zum neuen deutschen Star?

Hannawald: Neben ihm würde ich Richard Freitag nicht vergessen, der auch schon die Spitze im deutschen Team im Visier hat. Für beide wird es aber darauf ankommen, mit dem Druck fertig zu werden, denn Deutschland sehnt sich nach einem neuen Star. Eine gute Saison kann jeder einmal erwischen. Es läuft, man macht sich keine Gedanken. Das dann aber zu bestätigen, das ist die Herausforderung.

SPOX: Ist gegen die Österreicher denn überhaupt ein Kraut gewachsen?

Hannawald: Höchstens mal für eine Saison durch einen Simon Ammann oder einen anderen Überflieger. Aber langfristig nicht. Dafür ist der Konkurrenzdruck durch den riesigen Fundus an jungen Springern einfach zu groß. Die Jungs wissen, wenn sie in ihrem Team vorne dabei sind, sind sie gleichzeitig Weltspitze. Das ist in Deutschland schwieriger. Wenn die Besten im Team normalerweise um Platz sechs herum springen, wissen die Nachwuchsspringer nicht genau, wo sie hin müssen.

SPOX: Sie feiern bei der diesjährigen Vierschanzentournee Jubiläum. Zehn Jahre ist Ihr historischer Triumph her. Wie lebendig sind die Erinnerungen noch?

Hannawald: Die Erinnerungen kommen immer wieder hoch, wenn die Tournee näher rückt.

SPOX: Welcher Moment schießt dann als Erstes durch Ihren Kopf?

Hannawald: Der Schanzenrekord in Innsbruck. Das war der beste Sprung der ganzen Tournee. Und dann natürlich der Jubel nach dem Gesamtsieg in Bischofshofen, obwohl meine Sprünge dort nicht mehr so gut waren. Ich war einfach nur noch froh, dass es vorbei war.

SPOX: Haben Sie angesichts der zu erwartenden Dominanz der Österreicher Angst, dass Ihr Rekord von vier Einzelsiegen ausgerechnet beim Jubiläum fällt?

Hannawald: Ich hoffe nicht! Ich würde gerne so lange wie möglich der Einzige bleiben. Das heißt nicht, dass ich es niemandem gönne, denn wenn es einer schafft, dann hat er es sicher verdient. Aber es ist jedes Jahr so, dass ich mir die Springen erst richtig entspannt anschauen kann, sobald es zwei Tagessieger gegeben hat (lacht).

SPOX: Was halten Sie eigentlich von Frauen-Skispringen?

Hannawald: Generell finde ich das sehr gut. Es darf nur nicht der Eindruck entstehen, Frauen könnten genauso gut springen wie Männer. Das ist aufgrund der körperlichen Voraussetzungen schlichtweg unmöglich. Ein Mixed-Wettkampf, wie er eingeführt werden soll, ist etwas anderes. Das ist ein Teamwettbewerb, den ich mir sehr interessant vorstelle.

SPOX: Sie haben den ganzen Sommer über Ihren eigenen Teamwettbewerb im ADAC GT Masters gehabt. Wie war das Lehrjahr im Team mit Heinz-Harald Frentzen? Was bringt einem so ein ehemaliger Formel-1-Star bei?

Hannawald: Zunächst einmal habe ich gelernt, dass er eigentlich ein ganz normaler Typ ist. Man stellt sich so einen Formel-1-Fahrer mit Ecken und Kanten vor, aber Heinz-Harald war vom ersten Moment an total bodenständig. Mit so jemandem im gleichen Auto zu sitzen, ist beeindruckend und motivierend.

SPOX: Aber er hat Ihnen doch bestimmt auch auf der Strecke etwas beigebracht.

Hannawald: Klar. Aber nicht einmal unbedingt technisch. Grobe Linien habe ich schon in meinem ersten Jahr gelernt. Aber ich halte mich sehr stark an feste Vorgaben und Daten. Sobald sich dann im Auto jedoch etwas verändert, wenn es zum Beispiel regnet, dann fahre ich wie ein Anfänger. Heinz-Harald hat daher versucht, mir ein Gefühl fürs Fahren beizubringen, mich also auf wechselndes Fahrverhalten einzustellen. Das richtig zu beherrschen, wird aber noch einige Zeit dauern.

SPOX: Lag es daran, dass Ihre zweite Saison nicht so erfolgreich war wie die erste?

Hannawald: Diese Saison hat mir die Augen geöffnet. Ich war zwar schon im Vorfeld pessimistisch, weil das Feld der Privatfahrer enorm viel stärker war als im ersten Jahr. Aber trotzdem denkt man nach so einem guten ersten Jahr im Hinterkopf doch, dass alles relativ leicht ist. Dann nur fünfmal aufs Podium zu fahren, hatte ich so nicht erwartet. Ich ziehe mich aber daran hoch, dass ich um fast eine Sekunde schneller geworden bin als im ersten Jahr. Nur meine Gegner waren diesmal sehr viel besser.

SPOX: Wollen Sie es 2012 wieder wissen?

Hannawald: Ich denke schon, dass ich weiterhin mit der Corvette starten werde. In dem Stadium, in dem ich mich befinde, macht es keinen Sinn, die Autos zu wechseln. Die Corvette ist ein extrem gutmütiges Auto und die Umstellung auf etwas anderes wäre sehr schwierig.

SPOX: Hat Frentzen auch noch mal Lust?

Hannawald: Das weiß ich nicht. Vor dem letzten Rennen hat er mir gesagt, dass er sich noch keine Gedanken gemacht hat. Ich würde sehr gerne mit ihm weitermachen, denn es ist auch nicht förderlich für die Leistung, wenn ich mich jedes Jahr auf einen anderen Profi an meiner Seite einstellen muss.

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