"Ich fahre nicht mit Kopf, das ist Instinkt"

Von Interview: Liane Killmann
Das Lächeln ist zurück: Lara Gut gewinnt nach schwerer Hüftverletzung den Super-G in Zauchensee
© Getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Wie kamen Sie denn wieder auf die Beine?

Gut: Ich habe zu den Ärzten gesagt: "Okay, ich mache, was Sie sagen, und dann kann ich hoffentlich bald wieder laufen."

SPOX: Sie sind für ihre Fröhlichkeit und ihr Temperament bekannt. Wie war das, so lange stillhalten zu müssen?

Gut: Am Anfang habe ich das gar nicht gemerkt. Da ist einfach alles auf mich eingestürzt. Es war Ende September und ich war gut drauf - und dann kam das Spital, die Operation, alles mögliche. Zuerst habe ich das gar nicht realisiert. Dann musste ich liegen. Und ich dachte mir "gut, liege ich halt". Meine Familie hat mich sehr unterstützt. Wenn ich jetzt zurückdenke, kann ich mich an diese Zeit kaum noch erinnern.

SPOX: All das passierte ausgerechnet in der Olympiasaison. Haben Sie sich die Rennen in Vancouver denn überhaupt angesehen?

Gut: Zum Glück stand ich am 5. Februar 2010 zum ersten Mal wieder auf dem Ski. Also habe ich mich auf mich konzentriert und gar nichts von Vancouver gesehen.

SPOX: Hat es Sie besonders gewurmt, Olympia zu verpassen?

Gut: Ich habe nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben, denn ich war ja noch nie bei Olympia dabei. Für mich war es viel schwieriger, Weltcuprennen zu verpassen. Sölden, St. Moritz, das kannte ich alles. Na klar habe ich gehört, die oder die ist Olympiasiegerin. Aber ich habe mir gesagt: "Vergiss es einfach. In vier Jahren gibt es wieder Olympische Spiele, da versuchst du dabei zu sein. Konzentriere dich auf deine Hüfte, das Training und nicht auf die Olympiade von den anderen."

SPOX: Apropos Training: Sie trainieren mit ihrem Vater. Kracht es oft?

Gut: Überhaupt nicht. Wir sind zwei ganz unterschiedliche Menschen. Er ist viel, viel ruhiger als ich. Er denkt mehr nach, er gibt mehr nach. Ich habe mehr Feuer. Es ist eine gute Mischung. Zusammen finden wir immer eine Lösung. Er war nicht immer mein Trainer, aber er war immer in meinem Skiteam. Im Sommer ist auch meine Mutter dabei, sie organisiert und kocht. In den Ferien fährt mein Bruder mit.

SPOX: Ihr Bruder Ian soll mindestens Ihr Talent haben. Stimmt das?

Gut: Es ist wichtig, dass wir ihm Zeit lassen und ihn nicht mit mir vergleichen. Er ist ein Junge, bei den Frauen ist es viel einfacher, sich durchzusetzen. Er ist in einer Sportschule, ich habe allein zu Hause gelernt. Das sind zwei verschiedene Wege, aber wir probieren beide, schnell Ski zu fahren. Er hat ein enormes Talent, ihm fällt alles spielerisch leicht, viel leichter als mir. Wirklich unglaublich.

SPOX: Ist Ihr Bruder auch so locker im Starthaus, wie Sie?

Gut: Ich habe ihn schon lange nicht mehr bei einem Rennen gesehen. Wir sind sehr verschieden. Ich lache die ganze Zeit, er ist mehr ein Künstler und ruhiger. Aber als ich 15 war, hat niemand von mir gesprochen. Ich möchte, dass er sich in Ruhe entwickeln kann. Und nicht schon mit 15 Interviews geben oder so etwas.

SPOX: Ihre Scherze am Start, machen Sie das bewusst, um locker zu werden? Oder ist es eher Nervosität?

Gut: Nein, da habe ich keinen Plan. Mal habe ich Lust zum Reden und dann bin ich wieder ruhig. Jedenfalls ist es kein Theater für die Medien. Ich bin einfach so wie ich bin.

SPOX: Vielleicht fällt ihre Lockerheit nur im Vergleich mit den Konkurrentinnen auf, die alle so böse dreinschauen?

Gut: Vielleicht sind viele ruhig, weil sie denken, dass sie anderen auf die Nerven gehen. Aber mit Vicky Rebensburg bin ich letztens im Sessellift zum Start gefahren und wir haben die ganze Zeit gequatscht, auch noch im Starthaus.

SPOX: Der Schweizer Verband hat Sie Ende Dezember für zwei Rennen gesperrt, weil Sie gegen Sponsorenregeln verstoßen haben sollen. Mit dem Sieg in Zauchensee gaben Sie eine nervenstarke Antwort. Waren Sie überhaupt nicht abgelenkt?

Gut: Das ist erledigt. Wir haben in einem guten Gespräch vor Silvester alles klären können.

SPOX: Wie sieht die Einigung mit Swiss Ski aus? Hat dieser Vorfall die persönliche Zusammenarbeit mit den Teamkolleginnen oder Trainern verändert?

Gut: Swiss Ski akzeptiert, dass ich auch in Zukunft und vor allem im Sommer mit meinem privaten Team trainiere. Die Details sind geklärt, die Zusammenarbeit läuft wieder gut.

SPOX: Wie läuft Ihr Training denn in der Saison ab, wenn Sie mit dem Rest des Schweizer Teams unterwegs sind?

Gut: Wenn wir im Winter zusammen im Weltcup unterwegs sind, trainiere ich meistens mit dem Team. Da versuchen wir zusammenzuarbeiten, weil es praktischer ist. Im Sommer trainiere ich lieber allein, denn ich möchte alle fünf Disziplinen fahren. Da bin ich in der Schweiz die Einzige. Das ist mit meinem Team viel einfacher.

SPOX: Fehlt Ihnen im Sommertraining nicht der Vergleich mit anderen Athletinnen?

Gut: Nein, überhaupt nicht. Als ich vor drei Jahren von den Resultaten her schon Weltcup fahren durfte und auch einen Podestplatz holte, da gewann ich nebenher im European Cup die Gesamtwertung. Damals bin ich immer zwischen den Kadern hin und her gewechselt, nirgendwo habe ich wirklich dazugehört. Immer neue Sportler und Trainer. Jetzt ist alles klar: Ich habe mein privates Team und ab und zu trainiere ich mit dem Team. Das sind tolle Kolleginnen.

SPOX: Jetzt steht die WM vor der Tür. Was spielt Garmisch in Ihrer Saisonplanung für eine Rolle?

Gut: Mir war es in meiner Comeback-Saison wichtig, in den Weltcup zurückzukommen und Punkte zu sammeln. Ich wollte wieder in die Top 15, zurück zu den guten Startplätzen. Lange war ich ja, abgesehen vom Riesenslalom, überhaupt nicht für die WM qualifiziert.

SPOX: Hat der Sieg in Zauchensee Ihre Erwartungen in die Höhe geschraubt?

Gut: Nein.

SPOX: Sie stapeln tief, nicht mal im Super-G?

Gut: Nein. (lacht) Ich freue mich einfach riesig auf die WM. Ich habe keine Prognose, werde aber das Beste versuchen.

SPOX: Kennen Sie die Strecken in Garmisch gut?

Gut: Ich bin nur einmal dort gefahren, einen Super-G bei der Junioren-WM 2009. Ich habe die WM-Piste zwar drei Mal besichtigt, aber die Rennen sind immer abgesagt worden. Sollte es eisig sein, dann wird mir der Hang gefallen. Wie bei allen Rennen in Deutschland oder Österreich wird in Garmisch sicher eine tolle Stimmung herrschen.

SPOX: Ihr früher Erfolg hat Ihnen etliche Neider eingebracht. Wie gehen Sie damit um?

Gut: Sobald ein bisschen Erfolg da ist und man in den Zeitungen erscheint, gehört Neid dazu. Aber im Weltcup, in den Top 30, da respektieren wir uns. Wir wissen genau, was wir geleistet und wie hart wir gearbeitet haben, um dorthin zu kommen. Bei den jungen Athletinnen, die vielleicht genau so alt sind wie ich und aus dem Europa Cup kommen, da gibt es schon Neid. Das ist aber ihr Problem und nicht meins.

SPOX: Abgesehen vom Respekt, gibt es besonderen Kontakt zu einigen Konkurrenten.

Gut: Das ist wie überall. Mit einigen kann man supergut reden, mit anderen überhaupt nicht.

SPOX: In den Schweizer Medien sind Sie das Starlet. Wie sehen Sie sich selbst?

Gut: Ach, ich habe tausend verschiedene Spitznamen, von einem Tag auf den anderen: Sternchen, Zicke, Superstar, verlorenes Talent. Ich bin aber einfach eine junge Athletin, die vor zwei Jahren schon gute Leistungen gebracht hat und sich dann verletzte. Jetzt komme ich zurück und probiere, wieder so gut wie vorher zu sein. Aber ich fühle mich weder als Superstar noch als Sternchen, ich bin einfach Skifahrerin.

Zurück zu Teil I: Guts Weg zurück an die Spitze, und warum sie Nordwind nicht mag

Die Gesamtwertung der Damen im Überblick

Artikel und Videos zum Thema