"Den richtigen Punkt zum Aufhören verpasst"

Von Alexander Mey
Martin Schmitt wurde 2010 in Vancouver Olympia-Zweiter im Teamspringen
© Getty

Die deutschen Skispringer starten am Wochenende in Harrachov den vierten Anlauf, in dieser Saison endlich in die Gänge zu kommen. Statt Weltspitze gibt es viel Durchschnitt, wenige Lichtblicke und einen desolaten Martin Schmitt. SPOX sprach mit Sven Hannawald über die aktuelle Situation.

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Sven Hannawald und Martin Schmitt haben tolle Zeiten erlebt. Sie waren die erste Boygroup im Skispringen, wurden von Teenagern geliebt und von den Medien gefeiert. Zusammen erreichten sie einen Olympiasieg, vier WM-Titel und 46 Weltcup-Siege.

Das war zwischen 1998 und 2003. Hannawald hat danach seine Karriere beendet, ein Burnout-Syndrom überstanden und fährt nun Autorennen. Schmitt springt immer noch.

Schmitt: "Träume nicht mehr von Erfolgen"

Leider erfolglos. Platz 49 zum Auftakt in Kuusamo - Letzter! Platz 37 in Kuopio, Platz 34 im ersten Springen von Lillehammer. Im zweiten dann Rang 23, zweiter Durchgang, erste Weltcup-Punkte - endlich!

Trotzdem: Für einen Mann, der wie Schmitt die Weltspitze einige Jahre lang beherrscht hat, unter aller Würde. "Ich träume nicht mehr von irgendwelchen Erfolgen", sagte Schmitt vor Saisonstart im SPOX-Interview. So hat er das aber sicher nicht gemeint.

Schmitts Sprungstil passt nicht mehr in die Anforderungen der heutigen Zeit. Er hat gelernt, nach dem Absprung aggressiv nach vorne zu gehen und Geschwindigkeit zu machen. Dadurch gewinnt er bei niedrigen Anfahrgeschwindigkeiten aber nicht genügend Höhe.

Hannawald stärkt Schmitt den Rücken

Klingt nach einem Auslaufmodell, und trotzdem plant Schmitt, noch bis 2012 weiter zu machen. Warum tut er sich das noch an?

"Ihm sagen immer alle, dass er endlich aufhören soll, obwohl er selbst einfach nur springen will. Ich sage: Solange er selbst weitermachen will, soll er das tun und nicht auf andere hören", sagt Schmitts alter Weggefährte Sven Hannawald im Gespräch mit SPOX.

Die Zeiten, in denen Schmitt darauf geachtet hat, was andere über ihn denken, scheinen endgültig vorbei zu sein. Er macht nur noch sein eigenes Ding. "Den richtigen Punkt zum Aufhören hat er schon lange verpasst", sagt Hannawald. "Seine Silbermedaille bei der WM in Liberec 2009 wäre ein guter Moment gewesen. Wobei ich auch verstehen kann, dass er zu diesem Zeitpunkt gehofft hat, dass es wieder richtig nach vorne geht. Den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören zu finden, ist extrem schwierig."

Neumayer und Freund einzige DSV-Lichtblicke

Schmitts Durchhänger wäre halb so wild, wenn es beim Rest des deutschen Teams nach Plan laufen würde. Aber das tut es ganz und gar nicht. Pascal Bodmer, der Shootingstar von 2009, ist völlig außer Form, Michael Uhrmann ist nach katastrophalen Ergebnissen in Lillehammer sogar aus dem Weltcup ausgestiegen.

Einzige Lichtblicke sind Michael Neumayer und Severin Freund. Beide zeigen ab und zu sehr gute Sprünge, ihnen gelingt auch mal ein Ergebnis unter den Top 15 oder in Ausnahmefällen gar den Top Ten. Das ist okay, aber nicht der Anspruch des deutschen Teams.

"Die Resultate sind schlecht, das müssen wir nicht beschönigen", sagte Bundestrainer Werner Schuster nach den Wettkämpfen in Lillehammer. Das sei bisher nicht das Leistungsniveau gewesen, das die DSV-Springer eigentlich anbieten können.

DSV-Springer in einem Teufelskreis

Fakt ist aber auch: Zur Weltspitze fehlt allen Deutschen auch in Bestform noch ein gutes Stück. Das führt zu einem generellen Problem, meint Hannawald: "Das Wichtigste ist, dass im eigenen Team ein bis zwei Springer Weltspitze sind. Dann weiß jeder Nachwuchsathlet, wo er hin muss. Genau das macht den Erfolg der Österreicher aus."

Während Österreich über die Siege eines Thomas Morgenstern jubelt, steckt Deutschland in einem Teufelskreis fest. "Das Problem ist, dass die Besten vielleicht mal glücklich aufs Podest springen, dann aber auch mal wieder nur 15. werden. Für den Nachwuchs heißt das: Wenn ich so gut springe wie der, dann bin ich 15. und eben nicht Weltspitze", sagt Hannawald. "Heute ist ein Springer schon zufrieden, wenn er bester Deutscher ist. Das werfe ich ihm aber nicht vor, denn er weiß eben nicht, wie er ganz nach vorne kommt."

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