"Der Weg ist der richtige"

Von Interview: Stefan Drescher
Deutsche Gold-Athletinnen unter sich: Hilde Gerg (l.) und Maria Riesch (r.)
© Getty

In Val d'Isere holten die deutschen Skiathleten zweimal Gold und damit den ersten WM-Sieg seit dem Erfolg im Team-Wettbewerb in Bormio 2005. Damals mit dabei: Hilde Gerg. Im SPOX-Interview spricht die 33-Jährige nun über das Abschneiden der Deutschen in Frankreich, die Überraschungssiegerin Kathrin Hölzl und den "Last-Minute-Erfolg" von Maria Riesch.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Zudem erklärt die Lenggrieserin die Gründe für die anhaltende "Männer-Flaute" beim DSV und warum die beiden Goldmedaillen so wichtig für den deutschen Skisport sind. 

SPOX: Frau Gerg, verraten Sie uns, wie die "wilde Hilde" die zwei deutschen WM-Medaillen gefeiert hat?

Hilde Gerg (lacht): Ich hatte ja eigentlich gar nichts zum Feiern, weil sie ja nicht von mir sind. Allerdings: Die Kathy wohnt in Berchtesgaden, ich in Königssee - das ist ja gleich um die Ecke. Da war ich am Donnerstagabend nach dem Rennen auf der Goldfeier eingeladen. Bei mir ist das Feiern allerdings nicht allzu lang und intensiv ausgefallen, weil ich ja mein sechs Wochen altes Baby zuhause habe.

SPOX: Wie lautet ihr WM-Fazit?

Gerg: Also wenn man mit zwei Goldmedaillen nicht zufrieden ist, dann weiß ich auch nicht mehr. In der ersten Woche lief es in den Speed-Wettbewerben noch etwas zäh. Aber wenn man mal ehrlich ist: Nach den Vorleistungen in diesen Bewerben im Weltcup hat man auch nicht unbedingt von einer Medaille ausgehen können. In der Super-Kombi wäre natürlich mehr drin gewesen. Da ist der vierte Platz schon etwas unglücklich. Was ebenfalls etwas schade war, ist, dass dort nur Maria Riesch unter die Top Ten fahren konnte.

SPOX: Wenn Sie sich die zwei deutschen Goldmedaillengewinnerinnen einmal separat ansehen: Hatten Sie persönlich mit einem Sieg von Kathrin Hölzl gerechnet?

Gerg: Naja, irgendwie überrascht eine Goldmedaille ja immer etwas. Dritte oder Zweite - da hätte man sagen können, das wäre nach ihren Vorleistungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten gewesen. Auf der anderen Seite: Dass sie Rennen gewinnen kann, weiß man jetzt eigentlich schon seit zwei Jahren. Dass sie es sich jetzt am Ende ausgerechnet für die WM aufgehoben hat, ist natürlich ein super Timing.

SPOX: Bei Maria Riesch waren die Erwartungen aufgrund ihrer Vorleistungen im Weltcup wiederum extrem hoch...

Gerg: Es wäre für sie natürlich schon bitter gewesen, wenn sie am Ende gar keine Medaille gewonnen hätte. So ist es jetzt natürlich ein absolutes Happy End. Sie hat dem Druck standgehalten. Nach Kathys Sieg ist aber bestimmt ein großer Teil davon von der Mannschaft abgefallen. Die Stimmung ist dann schnell eine ganz andere. Man hat dann nur noch seinen eigenen Druck -  und mit dem lässt sich oft leichter umgehen.

SPOX: Was denken Sie, was dieser befreiende "Last-Minute-Erfolg" für eine Auswirkung auf Maria Riesch haben wird?

Gerg: Ich denke, es ist einfach eine Befriedigung. Ich persönlich habe einen Sieg immer als Lohn für die viele und harte Arbeit empfunden. Wesentlicher ist jedoch: Gewonnen ist gewonnen. Man fährt dem später nicht mehr hinterher - gerade, wenn man älter wird und es dann nicht mehr so leicht ist.

SPOX: Könnte das am Ende vielleicht sogar das entscheidende Aha-Erlebnis gewesen sein, um doch noch die Wende im Gesamtweltcup zu schaffen? Dort liegt Maria Riesch als Zweite ja doch ziemlich deutlich hinter der führenden Lindsey Vonn.

Gerg: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Zudem ist Lindsey Vonn mit ihrer Daumenverletzung ja doch etwas angeschlagen. Das muss man jetzt einfach einmal abwarten. Ein oder zwei Rennen können viel ausmachen. Sie ist motiviert und kann jetzt auch befreit angreifen.

SPOX: Katja Seizinger, Martina Ertl, Sie und Maria Riesch - bei den deutschen Frauen kam immer jemand nach, der auf das Podest fahren konnte. Bei den Männern hingegen sieht es nach wie vor zappenduster aus. Das hat auch die WM wieder deutlich gezeigt. Woran liegt das?

Gerg: Ich denke, dass es bei den Herren einfach nicht so leicht ist, ganz nach vorne zu fahren. Die Dichte zwischen Platz 60 und 400 in der Welt ist dort wahrscheinlich dreimal so hoch wie bei den Frauen. Allerdings gibt es auch viele Fahrer, die gar nicht die Grundausbildung haben, um erfolgreich Ski zu fahren. Im Jugendbereich zählen halt noch viele andere Dinge neben dem Skifahren. Die Entfernungen kommen noch erschwerend hinzu. Bei den Österreichern zum Beispiel ist das anders, weil die meisten der Fahrer in einem Skigebiet aufgewachsen sind. Wenn du bei den Frauen von Haus aus nicht ganz so gut Ski fährst oder nicht so viel Zeit dafür hast, kannst du es in späteren Jahren noch durch hartes Training ausgleichen. Bei den Männern ist das jedoch schwer. Und das ist der Unterschied.

SPOX: Hat die WM in Val d'Isere dem deutschen Skisport gut getan?

Gerg: Auf jeden Fall. Es herrscht wieder eine gute Stimmung, der ganze Druck ist weg und man geht das Thema einfach wieder etwas lockerer an. Gerade die Jungen sehen, dass etwas geht und man sich nicht immer blöd anreden lassen muss. Man geht einfach viele Dinge mit einem ganz anderen Selbstvertrauen an und hinterfragt nicht jede Stange die man irgendwo hinsetzt, sondern weiß: Der Weg ist der richtige. Und da muss man jetzt einfach weitermachen.

Der aktuelle Stand im Gesamtweltcup der Damen