"Klipp und klar: Verantwortlich ist der Trainer"

Von Interview: Richard Rother
Schmitt, Steiert
© Getty

München - Nichts Neues von Deutschlands Skispringern. Nach nur vier Wettkämpfen der neuen Saison sind die deutschen Adler schon wieder das größte Sorgenkind des DSV.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Michael Uhrmann und Michael Neumayer brachten nach langen Verletzungspausen zwar beachtliche Leistungen, dahinter kommt allerdings weder von Martin Schmitt und Georg Späth noch vom Nachwuchs etwas.

Einer, der weitaus erfolgreichere Zeiten beim DSV erlebt und für diese, zusammen mit Reinhard Heß, verantwortlich war, ist Wolfgang Steiert. Mittlerweile hat der 44-Jährige das russische Team in die erweiterte Weltspitze geführt.

Im Gespräch mit SPOX.com zeigt sich der ehemalige Heimtrainer von Schmitt und Hannawald besorgt über die Verfassung des deutschen Skisprungs und nennt die Gründe.

SPOX: Wie empfinden Sie den Misserfolg der Deutschen? Sie haben Deutschland als Skisprungnation mit aufgebaut und werden sicherlich verfolgen, wo es gerade hinsteuert.

Wolfgang Steiert: Es ist eigentlich ganz einfach in dem Geschäft: Die Verantwortung hat immer der Cheftrainer zu tragen. Es ist schon ein Verlust für das Geschäft Skispringen, wenn die Deutschen nicht gut springen.

SPOX: Wo sehen Sie denn die Kernprobleme der Deutschen?

Steiert: Das Kernproblem ist, dass die Weiten nicht stimmen. Daran werden schließlich alle gemessen, nicht an Strukturen, finanziellem Aufwand und der Zahl der Betreuer.

SPOX: Sind die Deutschen satt? Fehlt der Ehrgeiz?

Steiert: In Russland muss man die Athleten auch entsprechend motivieren und entsprechend in anschieben. Ehrgeiz ist die eine Seite, manchmal braucht's dafür einen Tritt in den Hintern. Es ist nicht meine Aufgabe, die Deutschen zu analysieren, denn ich muss schauen, meine Mannschaft voran zu bringen.

SPOX: Grinsen Sie ein Stück weit sogar in sich rein?

Steiert: Schadenfreude ist nicht meine Sache. Bei den Deutschen fehlen mir im Moment die jungen Leute, die den Arrivierten Druck machen. Die Mannschaft wird von Springern gebildet, die dort schon zehn Jahre auf dem Buckel haben. Ich habe einen 17-Jährigen, der drei Mal in den Weltcup-Punkten war. Da muss man die Jungen eben ins kalte Wasser schmeißen und schwimmen lassen. Karelin ist im Sommer-Grandprix in Klingenthal Zweiter geworden - einer von einem derartigen Kaliber fehlt den Deutschen meiner Meinung nach, damit da wieder Power reinkommt.

SPOX: Liegt das am Trainer? Gibt es da eine zu schnelle Rotation?

Steiert: Wie schon gesagt: Für die Leistung verantwortlich ist immer der Cheftrainer und sonst niemand. So ist das Geschäft. Es liegt nicht am Ski, am Material oder an sonst was.

SPOX: Ist die Rückendeckung für Rohwein noch gerechtfertigt?

Steiert: Fragen Sie lieber Weißflog oder Thoma - da gibt's genug Experten, die Ihnen das beantworten können.

SPOX: Sie waren Heimtrainer von Schmitt, Hannawald und Jäckle. Haben Sie noch Kontakte?

Steiert: Ja klar. Aber für mich war es alles in allem äußerst positiv ins Ausland zu gehen. Es ist eine ganz andere Erfahrung, eine Mannschaft von Grund auf aufzubauen. Davon habe ich persönlich und fachlich enorm profitiert. Und was auch angenehm ist: Man bekommt viel mehr Kontakt zu anderen Nationen, die teilweise auch viel hilfsbereiter sind.

SPOX: Zu Schmitt konkret: Er hadert mit dem Material und der Anlaufhocke. Kann man solche Kleinigkeiten nicht abstellen?

Steiert: Es hapert an einem: an der Sprungweite. Alles andere ist Voraussetzung. Ich gehe davon aus, dass einer, der im Weltcup springt, 100%-iges Material hat.

SPOX: Woran liegt's denn dann?

Steiert: Die Leistung eines Athleten ist immer abhängig vom verantwortlichen Trainer. Der muss entscheiden, ob es der richtige Ski oder Anzug ist. Da ist in unserem Sport die Verantwortung klar geregelt. Ob die Einschätzung am Ende stimmt, lässt sich dann an den Weiten ablesen. Da braucht man gar nicht diskutieren.

SPOX: Sehen Sie mentale Probleme? Wenn es nicht passt, schiebt man es mal auf die Anlaufhocke oder auf den Anzug.

Steiert: Das sind die Unterschiede. Die Österreicher haben ihre Hausaufgaben 100%-ig gemacht. Wenn das Material nicht stimmen würde, bräuchte man nicht den ganzen Sommer trainieren.

SPOX: Am Material wird es nicht liegen.

Steiert: Klipp und klar: Verantwortlich für die Leistung ist der Trainer. Ob das meine Nase ist oder eine andere, ist egal.

SPOX: Muss der Trainer dann wechseln?

Steiert: So einfach ist das auch wieder nicht. Hier kann ich nur für mich sprechen: Ich lebe für diesen Sport. Ich fahre im Jahr 80.000 Kilometer, habe fünf Athleten und wenn irgendwas nicht stimmt, habe ich kein Problem, über Nacht 1.000 Kilometer zu fahren und irgendwas zu holen. Man muss ein Stück weit verrückt sein in diesem Geschäft. Wenn man die Weltspitze nicht hat, muss man sie suchen. Deswegen trainiere ich mit den Österreichern oder den Slowenen. Wir bringen mit jungen Leuten super Leistungen, die aus einer Stufe unter dem Continentalcup kommen. Darauf bin ich stolz. Nach drei Springen ist ein Karelin drei Mal in den Punkten - das bestätigt mich als Trainer.

SPOX: Bekommen Sie Feedback aus Deutschland?

Steiert: Neid muss man sich erarbeiten. Es wird sicherlich registriert, aber es kommt keiner zu mir und sagt: "Wolfgang, Du hast da ne tolle Arbeit gemacht."

SPOX: Aber es wird zur Kenntnis genommen, oder?

Steiert: Sie können sich vorstellen, wenn in Deutschland  eine Trainer-Offensive in der gesamten Struktur gestartet wird, die unheimlich viel Geld kostet, dann wird  schon registriert, dass andernorts Erfolg auch mit bescheidenen Mitteln produziert wird.

SPOX: Die Ergebnisse der Deutschen sind dafür erstaunlich ernüchternd...

Steiert: Wenn alle Athleten solche Leistungen brächten wie Uhrmann, wäre alles geritzt. Was er und Neumayer nach den Verletzungen zeigen - Hut ab!

SPOX: Bei Uhrmann merkt man aber richtig Biss und Freude, wieder zurück zu kommen.

Steiert: Das ist nicht meine Aufgabe, dies zu kommentieren. Aber ich würde auch  von den Jungen einfach mal erwarten, dass da ein Weltcup-Punkt kommt.

SPOX: Das gegenseitige Hochpushen fehlt, finden Sie das auch so?

Steiert: Wenn ein Junger mal vorne rein springen würde, dann würde das neuen Schwung reinbringen. Man muss einfach mal schauen, wie alt ein Felix Schoft, ein Pascal Bodmer oder ein Stefan Horlacher sind und dann sehen: Hey, wenn es bei einem Schlierenzauer geht und bei anderen Nationen,  warum geht es bei den Deutschen nicht.

SPOX: Schmitt und Uhrmann sagen genau das Gegenteil. Die sagen, man muss auf Geduld setzen.

Steiert: Ich würde nie einen Athleten fragen. Der denkt zuerst an seine eigene Nase. Jeder hat doch Angst, wenn ein Junger kommt und ihn schlägt.