UFC

Hunt und Dos Santos überschatten WM-Kampf

Von Oliver Copp
Zwischen Mark Hunt und Junior Dos Santos wird ein ausgeglichener Kampf erwartet
© getty

Kaum jemand bezweifelt, dass UFC Schwergewichtmeister Cain Velasquez heute bei UFC 160 seinen Herausforderer Bigfoot Silva bezwingen wird. Viel mehr Aufmerksamkeit bekommt deswegen der Ausscheidungskampf zwischen dem früheren K1 Kickboxweltmeister Mark Hunt und Ex-UFC Champion Junior Dos Santos.

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Im Hauptkampf von UFC 160 in der MGM Grand Garden Arena werden viele Anwesende ein Déjà Vu verspüren. Genau ein Jahr ist es her, dass Cain Velasquez und Antonio Bigfoot Silva in derselben Halle bei UFC 146 aufeinander trafen. Damals machten sie unter sich den nächsten Herausforderer für Weltmeister Junior Dos Santos aus.

Velasquez schockte die Welt, als er Silva in der ersten Runde die schlimmste Niederlage seiner Karriere zufügte. Rund dreieinhalb Minuten brauchte der Mann, der ein halbes Jahr zuvor seinen Titel an Dos Santos verloren hatte, um Silva in ein mit Platzwunden übersätes und völlig demoralisiertes Häufchen Elend zu verwandeln.

Velasquez haushoher Favorit

Heute ist Cain Velasquez wieder Weltmeister, und dank zweier imposanter Siege gegen Travis Browne und Alistair Overeem findet sich Bigfoot in der Herausfordererrolle wieder. Er war die logische Wahl - die einzige Wahl - und trotzdem rechnet ihm kaum jemand Chancen aus.

Blog Preview - UFC 160: K.O. gegen Bigfoot II.?

Der Cain Velasquez, der im Dezember Junior Dos Santos zerstörte und sich so seinen Titel zurückholte, wird gemeinhin als fast unschlagbar angesehen. Natürlich ist die Verwendung von Begriffen wie "unschlagbar" und "sicherer Sieger" eine offene Einladung für einen Überraschungssieg. Auch Alistair Overeem sollte Bigfoot überrollen, und am Ende war es der Holländer, der die Lichter an der Hallendecke zählte.

Doch machen wir uns nichts vor: Velasquez wird den Kampf mit größter Wahrscheinlichkeit problemlos nach Hause schaukeln und die Halle als alter und neuer Weltmeister verlassen.

Hunt fordert Dos Santos

Viel spannender ist die Frage, wer als nächstes die Chance bekommt, gegen ihn zu kämpfen. Der zweite Hauptkampf des Abends könnte die ersehnte Antwort liefern, denn Junior Dos Santos trifft dort auf den wohl größten Außenseiter des Schwergewichts, Mark Hunt.

Der gebürtige Neuseeländer mit samoanischen Wurzeln gewann in den 1990er Jahren als erster - und bislang einziger - Ozeanier völlig überraschend den berühmten K-1 Grand Prix, den Super Bowl des professionellen Kickboxsports. Sein Betonschädel und seine harten Fäuste bescherten ihm im Laufe der Jahre Siege gegen einige der größten Namen des Sports wie Jerome LeBanner, Francisco Filho, Gary Goodridge, Mike Bernardo und den Deutsch-Kroaten Stefan Leko.

Er wechselte dann den Sport und ging zur japanischen MMA-Liga PRIDE, verließ sich aber darauf, dass seine Strikingfähigkeiten ihn dort zum Erfolg tragen würden - und fiel gegen den ehemaligen Olympioniken im Judo Hidehiko Yoshida buchstäblich auf die Nase. Der Japaner warf ihn über die Hüfte zu Boden und beendete den Kampf dort mit einem Armhebel.

Hunt ruhte sich auf Erfolgen aus

Hunt nahm dieses Ergebnis zwar zur Kenntnis, änderte aber nichts an seinem Training und feierte trotzdem zunächst wichtige Erfolge. Er fügte Wanderlei Silva dessen erste Niederlage in fast fünf Jahren zu. Hunt steckte den berüchtigten Headkick von Mirko Cro Cop weg wie nichts und sicherte sich auch gegen den Kroaten im PRIDE-Ring einen Sieg und schickte den früheren UFC Schwergewichtsherausforderer Tsuyoshi Kohsaka mit seinen Fäusten in den Ruhestand.

Mark Hunt hielt sich für den besten Kämpfer der Welt und Grapplingtraining für völlig überbewertet. Dann wurde der Schalter umgelegt, und er verlor seine nächsten fünf Kämpfe bei PRIDE, vier davon durch Aufgabe. Das klingt schlimm, wird aber dadurch relativiert, dass diese Gegner Fedor Emelianenko, Josh Barnett, Alistair Overeem und Gegard Mousasi waren - Hunts Schicksal wurde also von sehr vielen Gegnern geteilt. Gegen den viel kleineren Melvin Manhoef kassierte Hunt auch die einzige KO-Niederlage seiner Profikarriere. Der Neuseeländer stürmte auf den Niederländer zu, um ihn in der Ringecke festzunageln und lief schnurgerade in einen Konter, der ihm die Lichter ausknipste.

Absturz nach Höhenflug

Nach dem Höhenflug kam also der unvermittelte Absturz. Mark Hunt war auf dem Gipfel der MMA-Welt und stürzte dann in die tiefsten Abgründe. Die UFC kaufte ihren alten Rivalen auf und sicherte sich so auch die Verträge von vielen der größten Stars von PRIDE. Auch den von Mark Hunt... nur hatte die UFC keinerlei Interesse daran, den Super Samoan ins Octagon zu schicken.

In den ersten sechs Monaten von 2010 schrieb UFC Justiziar Laurence Epstein Hunt insgesamt vier Briefe, in denen in zunehmendem Maße auf eine außerordentliche Vertragsauflösung gedrängt wurde. Eigentlich ein guter Deal: Hunt hätte fürs Nichtstun den Rest seines Vertrages ausgezahlt bekommen - gut 190.000 Dollar. Doch davon wollte der Neuseeländer nichts wissen und telefonierte sich bis zum UFC Präsidenten Dana White durch. Er bestand darauf, seinen Vertrag zu erfüllen. Hunt rief wieder und wieder an, bis White entnervt aufgab und Matchmaker Joe Silva anwies, ihm einen Kampf zu geben.

Am 25. September 2010 debütierte Mark Hunt bei UFC 119 gegen Sean McCorkle. Innerhalb von 30 Sekunden fand er sich auf der Matte wieder, und nach 1:03 Minuten musste er in einem Armhebel aufgeben. In den Augen der Offiziellen war genau das eingetreten, mit was sie gerechnet hatten.

Hunt war auf dem Tiefpunkt seiner Karriere angekommen, doch einen Kampf schuldete ihm die UFC noch. Einen Tag nach der Niederlage gegen McCorkle ließ Hunt seinen Rückflug nach Sydney, wo er seit Jahren wohnte, verfallen und kaufte ein neues Ticket mit dem Ziel Florida. Er trat dem American Top Team bei und hatte genau ein Ziel vor Augen: seine Grapplingfähigkeiten zu verbessern. Hunt arbeitete hart, trainierte sechs die Tage die Woche, acht Stunden am Tag Ringen, Jiu-Jitsu und Judo.

Comeback in Sydney

Durch die langjährige Freundschaft zwischen ATT Cheftrainer Marcus Conan Silveira und UFC Matchmaker Joe Silva erfuhren auch die Offiziellen der UFC von Hunts Fortschritten und entschieden sich, ihn für die Rückkehr der Liga in seine Wahlheimat, Sydney, ins Programm zu nehmen.

Sein dortiger Gegner, Chris Tuchscherer, wird nie in irgendeiner Top 10 auftauchen, aber er war ein stilistisch schwieriger Kontrahent für den Mark Hunt, den man in den letzten Jahren gesehen hatte: ein hochdekorierter Ringer, der bewusst Schläge frisst, um einen Takedown durchzuziehen. Nach 1:41 Minute der zweiten Runde konterte Hunt einen Takedownversuch seines Gegners mit einem kurz aus der Hüfte gezogenen Aufwärtshaken, und noch bevor Tuchscherer überhaupt den Boden berührte, war Hunt schon weg. Ihm war klar: Der Kampf war vorbei. Dem Ringrichter blieb nichts anderes übrig, als zum selben Schluss zu kommen. Der Super Samoan war zurück!

Die Offiziellen glaubten fest an die These, dass auch ein blindes Huhn manchmal ein Korn findet, und steckten Hunt in seinem nächsten Kampf gegen Ben Rothwell. Der hatte in den sechs Jahren zuvor fünfzehn Siege gefeiert und musste nur zwei Niederlagen einstecken - gegen Cain Velasquez und Ex-UFC Weltmeister Andrei Arlovski. Rothwell war ein zäher Riese mit exzellenten Grapplingfähigkeiten und einem Kinn aus Granit. War Tuchscherer beizukommen stilistisch schwierig, dann durfte man Rothwell mit Fug und Recht als Alptraumgegner bezeichnen.

Wer an den Fight zurückdenkt, wird sich daran erinnern, dass beiden in der zweiten Runde die Puste ausging, weil sie sich bereits so verausgabt hatten. Man wird sich auch daran erinnern, wie Hunt kurz vor dem Rundengong einen Armbar gegen Rothwell durchzog, der ihm unter anderen Umständen den vorzeitigen Sieg hätte bringen können. Am Ende war es Mark Hunt, der einstimmig zum lachenden Sieger erklärt wurde. Der Neuseeländer hatte seine Feuertaufe überstanden.

Knockoutsiege gegen Kongo und Struve

Es folgten zwei beeindruckende Knockoutsiege in Japan gegen Cheick Kongo im Februar 2012 und Stefan Struve im März 2013, und plötzlich fielen die Begriffe "Mark Hunt" und "Titelrennen" im selben Satz. War ein Sieg gegen Kongo noch etwas, mit dem man als Insider rechnen musste, beeindruckte es umso mehr, dass Hunt dem über zwei Meter großen Holländer Struve den Garaus machen konnte.

Struve war für Hunt eine schwierige Nagelprobe: riesig groß, lange Arme und spezialisiert auf Aufgabegriffe - die Allzweckwaffe gegen den Super Samoan. Hunt ging mehrfach freiwillig mit Struve auf den Boden und konterte jede brenzlige Situation gekonnt aus. Das Ende kam durch zwei Rechts-Links-Kombinationen, die Struve nicht nur ins Land der Träume schickten, sondern ihm auch einen gebrochenen Kiefer zufügten.

Als Mixed-Martials-Arts-Kämpfer spielt Junior Dos spielt nicht nur in einer anderen Liga als Mark Hunt, sondern auf einem anderen Planeten. Machen wir uns nichts vor - das ist die Realität. Und trotzdem bezeichnete der Brasilianer Hunt in einem Interview mit dem Magazin Tatame bereits vor eineinhalb Jahren als seinen gefährlichsten potentiellen Widersacher im Schwergewicht. Wurde die Aussage damals noch belächelt, wird sie heute deutlich ernster genommen.

Ausgeglichenes Duell erwartet

Dos Santos ist ein ausgezeichneter Boxer. Mark Hunt ist ein früherer Kickboxweltmeister. Dos Santos ist schnell, wendig und verfügt über ausgezeichnete Jabs. Hunt ist darauf spezialisiert, Jabs auszukontern, indem er in die Schlagdistanz des Gegners reintaucht und einen Cross-Konter über den Jabarm hinweg abfeuert. Es ist de facto unmöglich, einen anderen MMA-Kämpfer zu finden, mit dem man sich auf diese Techniken vorbereiten kann. Es gibt niemanden außer Mark Hunt, der im Schwergewicht auf diesem Level Striking praktiziert.

Der Brasilianer ist sich auch dessen bewusst, dass er beim Striking viel zu offen bleibt. Bislang war das nie ein Problem, weil er immer der bessere Striker war und allenfalls auf Grapplingattacken achten muss. Diesmal trifft er zum ersten Mal auf jemanden, der auf den Beinen vielseitiger, besser und schlagkräftiger ist.

Beide Männer haben ein Kinn aus Granit. Hunts wurde in rund vierzig Kämpfen bei K-1, PRIDE und der UFC nur einmal geknackt - und das ist fünf Jahre her. Dos Santos wurde in seinem letzten Kampf fast ausgeknockt, konnte sich aber über die Runde retten.

Wenn Junior Dos Santos die Arroganz besitzt, mit Mark Hunt einen Standkampf zu machen, wird er aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Bretter gehen. Doch so kurzsichtig ist er nicht. Er wird am Boden die Oberhand haben. Er wird im Grappling die Oberhand haben. Und wenn er schlau ist, wird er beides kombinieren, um Hunt auf die Matte zu bringen und dort zu kontrollieren.

Der Kopf sagt, dass der Ausnahmeathlet Junior Dos Santos einen alternden Mark Hunt schlagen müsste. Doch wenn man diese Impulsaussage hinterfragt, entblättert sich ein vielschichtiger Kampf, in dem es stark darauf ankommen wird, wer seine Taktik besser durchsetzen kann. Spannung ist garantiert!

Außerdem bei UFC 160:

  • TJ Grant und Gray Maynard machen unter sich den nächsten Herausforderer um die Weltmeisterschaft im Leichtgewicht aus. Maynard wird favorisiert, muss jedoch auf sein überlegenes Ringen bauen, um den Sieg zu holen.
  • James Te Huna sah in seinem letzten Kampf beeindruckend aus. Wird es ihm gelingen, die brasilianische Halbschwergewichtshoffnung Glover Teixeira zu entzaubern?
  • Donald Cerrone heißt KJ Noons in der UFC willkommen. Beide Männer brauchen dringend einen Sieg - wer wird das Rennen machen?
  • Der Russe Khabib Nurmagomedov benahm sich beim gestrigen Wiegen stark daneben. Verliert er gegen Abel Trujillo, ist es sehr wahrscheinlich, dass die UFC sich von ihm trennt.

UFC 160: Velasquez vs. Bigfoot 2 wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag ab 4 Uhr auf SPOX.com und UFC.tv übertragen. Die Vorkämpfe starten um 1 Uhr auf facebook.com/UFC und um 2 Uhr dann parallel auf SPOX.com und UFC.tv.

Alle UFC-Champions im Überblick