Noah Rubin im Interview: "Der Tennissport befindet sich in einem erschreckenden Zustand"

Noah Rubin ist aktuell die Nummer 225 der Tenniswelt.
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Patrick Mouratoglou hat mit seinem Event versucht, ein paar innovative Ideen auszuprobieren.

Rubin: Er war mehr oder weniger der Einzige, der wenigstens mal etwas probiert hat. Genau darum geht es mir ja. Einfach mal Sachen ausprobieren, genau das brauchen wir. Es war ein gutes Experiment, auch wenn ich ein kleines Problem damit habe, dass dort wieder nur die Topspieler zum Zug gekommen sind. Aber so ist die Welt, in der wir leben.

Von wem müsste der Impuls denn zuerst kommen?

Rubin: Es bräuchte eine Vision. Eine Vision, die von der Spitze kommen muss. Aber diese Vision fehlt komplett. Es müsste jemand an der Spitze aufstehen und ehrlich sagen: Es läuft momentan vieles falsch im Tennis, lasst es uns anpacken. Lasst uns mutig sein. So wie es jetzt läuft, werden wir in einigen Jahren der vergebenen Chance hinterhertrauern, während der Corona-Zeit etwas anzustoßen.

Noah Rubin macht sich Sorgen um die Zukunft des Tennissports.
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Noah Rubin macht sich Sorgen um die Zukunft des Tennissports.

Noah Rubin: "Es kommt ein Problem und schon explodiert alles"

Von den Superstars, namentlich Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer, hat man praktisch die ganze Zeit nichts gehört.

Rubin: Sie waren sehr ruhig, das ist richtig. Natürlich schauen immer alle auf die Jungs ganz oben, aber man sollte auch nicht den ganzen Druck und die ganze Last bei ihnen abladen. Aber wenn du im Spielerrat bist, hast du einfach die Verpflichtung, deine Stimme zu erheben und zu schauen, wie dein Sport verbessert werden kann. Das Problem ist, dass Corona alle Probleme im Tennis auf dramatische Art und Weise zum Vorschein gebracht hat. Es kommt ein Problem und schon explodiert alles. Ich hatte gehofft, dass wir nicht an einen Tiefpunkt kommen müssen, bevor sich etwas verändert, aber leider sieht es genau danach aus. Wir werden erst ganz unten ankommen müssen. Das ist wirklich furchterregend.

Wenn Sie eine Sache morgen verändern dürften, was wäre das?

Rubin: Das ist tricky. Wir haben ja bereits ausführlich über meine Ideen für Team-Wettbewerbe gesprochen. Was für mich Priorität hätte, wäre folgendes: Wir müssen geografische Lösungen finden. Wir sollten die Grand Slams und Masters-Turniere so lassen, wie sie sind, aber drumherum müssen wir verhindern, dass Spieler viel reisen müssen. Wir sehen ja, welche Probleme das jetzt mit sich bringt. Es ist unmöglich, zu einer gewissen Normalität zurückzukehren, wenn die Spieler auf der ganzen Welt verteilt sind - es ist ein Albtraum. Deshalb müssen wir es schaffen, dass alle Spieler in ihren Ländern die Möglichkeit haben, Events zu spielen und dort sowohl Ranglistenpunkte zu sammeln als auch genug Geld zu verdienen, um ein ordentliches Leben zu führen.

Aktuell blickt alles auf die US Open, die in zwei Wochen starten sollen. Wie ist Ihre Meinung: Sollte das Turnier stattfinden?

Rubin: Die USTA hat alles Mögliche getan, um es so sicher wie möglich zu machen, und wird das Turnier durchdrücken. Sollten wir in diesen Zeiten die US Open austragen? Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.

Noah Rubin über Djokovic und Zverev: "Tennis ist ein egoistischer Sport, das haben wir hier auch gesehen"

Würden Sie als Spieler die Erklärung unterschreiben, dass Sie die komplette Verantwortung für alle Risiken, inkl. eines möglichen Todes, übernehmen?

Rubin: Wenn man so darüber nachdenkt, hört sich das natürlich übel an. Aber irgendwie zeigt es auch nur die Welt, in der wir momentan leben. Wir sind an einem Punkt, an dem du mit fast allem, was du machst, ein Risiko eingehst. So ist einfach die Lage.

Djokovic und Alexander Zverev haben angekündigt, in NY anzutreten. Nick Kyrgios wird dagegen nicht dabei sein und hat sich in der Coronazeit als Stimme der Vernunft gezeigt - im Gegensatz zu Djokovic oder Zverev. Waren Sie enttäuscht vom Verhalten einiger Kollegen?

Rubin: Viele finden es vielleicht witzig, Nick Kyrgios als Stimme der Vernunft zu sehen, und vielleicht hat er diese Rolle auch einen Tick zu sehr angenommen, aber er hat auf jeden Fall verstanden, worum es geht und dass wir die Pandemie noch lange nicht überstanden haben. Das war bei anderen leider nicht der Fall. Andere haben die Plattform, die sie haben, leider nicht gut genutzt und sind ihrer Vorbildfunktion leider überhaupt nicht gerecht geworden. Ich habe nach der Adria-Tour Spieler gehört, die meinten, dass sie ja nicht gewusst hätten, wie ernst die Lage sei. Da fehlte das Bewusstsein und das ist komplett inakzeptabel. Es war hart, anschauen zu müssen, wie manche sich verhalten haben. Aber Tennis ist ein egoistischer Sport, das haben wir hier auch gesehen. Es ist nur schlimm, wenn durch so ein egoistisches Verhalten andere beeinträchtigt werden.

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