Kerber ist die Königin von New York

Von Jannik Schneider
Angelique Kerber sichert sich bei den US Open ihren zweiten Grand-Slam-Titel
© getty

Angelique Kerber startet am Montag als US-Open-Siegerin in ihr neues Tennisleben an der Spitze der Weltrangliste. Die Kielerin bezwang in einem hochklassigen und dramatischen Finale vor mehr als 20.000 Zuschauern im Arthur-Ashe-Stadium die Tschechin Karolina Pliskova mit 6:3, 4:6, 6:4.

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Angelique Kerber (GER/2) - Karolina Pliskova (CZE/10) 6:3, 4:6, 6:4

Bei brutal heißen Temperaturen im Kessel des Center Courts erwischte die neue Nummer eins den besseren Start und wurde ihrer Favoritenrolle gerecht. Ein frühes Break reichte der Kielerin, um den ersten Durchgang nach 40 Minuten für sich zu entscheiden.

Doch Pliskova steigerte sich erheblich und dominierte mit einer überragenden Aufschlagquote und tollen Vorhandwinnern die entscheidende Phase des zweiten Satzes.

Kerber ließ sich trotz zwischenzeitlichen Rückstand im Entscheidungssatz nicht beirren und kämpfte sich mit Laufstärke und Willen zurück. Knackpunkt war das umkämpfte siebte Spiel, das sich Kerber sicherte. Mit der Führung im Rücken brach sie die Gegenwehr der Tschechin, die am Ende gegen den Matchgewinn servieren musste. Zu viel für die Final-Debütantin.

Die Reaktionen:

Karolina Pliskova: "Es war ein großartiges Match, Glückwunsch an Angie! Sie ist die verdiente Nummer eins. Es war mir eine Ehre, hier heute gegen sie zu spielen. Auch wenn ich nicht gewonnen habe, bin ich sehr stolz auf die vergangenen zwei Wochen."

Angelique Kerber: "Wahnsinn, mein zweiter Grand-Slam-Titel. Das bedeutet mir so viel, einen großen Dank auch an Euch Fans. Einen großen Glückwunsch an Karolina für fantastische zwei Wochen. Es ist immer so taff, gegen sie zu spielen. Du bist eine großartige Spielerin. Ich habe so ein tolles Team. Ich kann mich gar nicht genug bedanken."

...über den Nummer-Eins-Status: "Heute ist der Tag der Tage. Ich habe immer dafür gearbeitet. Ich bin jetzt einfach nur glücklich, es erreicht zu haben."

SPOX-Kommentar zum Erfolg von Kerber: Alles reine Kopfsache

Der Spielfilm:

Satz 1

Die Tschechin eröffnet ihr erstes Grand-Slam-Finale gleich mal mit einem Doppelfehler. Zudem drückt die Weltranglisten-Elfte nach dem ersten längeren Ballwechsel einen einfachen Vorhand-Volley ins Aus. Danach reißt ihr zu allem Überfluss noch eine Saite am Schläger - Break! Kerber dagegen wehrt einen Breakball ab und tankt bei eigenem Service Selbstvertrauen - 2:0. Nach Pliskovas ersten Spielgewinn wird Kerbers zweites Aufschlagsspiel zum Schlüsselspiel des ersten Durchgangs. Obwohl Pliskova mehrmals Kerbers zweiten Aufschlag attackiert, bringt sie auch dieses Spiel nach Hause. Danach bleibt der Abstand bei einem Break. Bis Pliskova bei 3:5 und eigenem Aufschlag wackelt. Ein Doppelfehler ermöglicht der Deutschen den ersten Satzball, den die neue Nummer eins mit einem bockstarken Passierball direkt nutzt - Kerber holt sich Durchgang Nummer eins nach 40 Minuten mit 6:3!

Satz 2

Erneut muss Kerber beim Stand von 1:1 einen Breakball abwehren. Doch die Deutsche Nummer eins präsentiert sich auch hier nervenstark und hält ihren Service - Pliskovas Kopf geht zum ersten Mal Richtung Boden. Bis zum 3:3 halten beide Spielerinnen ihren Aufschlag. Im so berüchtigten siebten Spiel gelingt der Final-Debütantin das langersehnte Break - mit einem Volleylob düpiert sie Kerber, die das mit einem ironischen Schlägerklatschen in Richtung eigener Box quittiert. Spätestens jetzt hat die Tschechin ihre Zitterhand endgültig abgelegt und geht nach starken Vorhandwinnern mit 5:3 in Führung. Kerber verkürzt nochmal auf 4:5. Doch die 24-Jährige behält die Nerven und nutzt wiederum ihren ersten Satzball zum Ausgleich.

Satz 3

66 zu 66 Punkte - ausgeglichener hätten die ersten beiden Sätze nicht sein können. Kerber und Pliskova eröffnen Satz drei mit souveränen Aufschlagspielen. Danach gelingt der Tschechin mit langen Returns, die wiederholt die Linie touchieren, das Break. Die Rechtshänderin serviert ihr nächstes Spiel ganz abgeklärt - Kerber zieht nach. Danach gönnt sich die Tschechin drei Vorhandfehler in Serie, Kerber schafft den Ausgleich zum 3:3 und holt sich mit zwei sensationellen Ballwechseln (siehe Ballwechsel des Spiels) die Führung zurück. Dann bleibt bis zum 5:4 aus Kerber-Sicht alles in der Reihe. Pliskova muss gegen den Match-Verlust servieren und zeigt Nerven. Mehrere Unforced Errors der Tschechin ermöglichen Kerber die ersten Matchbälle - und der Erste sitzt.

Schlag des Spiels:

Kerbers Slice-Aufschlag von der Vorteilsseite. Mehrere Male rettete sich die Deutsche so mit ihrem zweiten Aufschlag vor einem Break. Mit Schnitt und Winkel trieb sie Pliskova nach Außen und öffnete das Feld somit entscheidend, um einen Gewinnschlag anzusetzen.

Ballwechsels des Spiels:

Der Ballwechsel, mit dem Kerber die 4:3-Führung im dritten Durchgang ergatterte. Nach einem langen Cross-Cross-Duell touchierte Pliskovas Rückhandball die Netzkante. Den erlief Kerber noch und ließ eine druckvolle Vorhand folgen. Pliskovas Antwort landete seitlich im Aus - Kerber zog das Knie hoch und stieß einen Jubelschrei in Richtung Betreuerbox aus. Die Wende!

Das fiel auf:

  • Der zweite Aufschlag, generell eine Schwäche von Kerber, wurde zum ausschlaggebenden Faktor dieses US-Open-Finals. Alleine in Satz eins sicherte sich die Deutsche starke 10 von 15 Punkten (Pliskova nur 4 von 14) beim zweiten Aufschlag. Das aber nicht, weil der Service viel schneller, oder platzierter war als üblich: Die 28-Jährige antizipierte die aggressiven Returns ihrer Gegnerin erstaunlich gut und blieb dadurch auch im Entscheidungssatz leichter in den Ballwechseln.
  • Die hoch aufgeschossene Tschechin rückte vor allem nach dem eigenen Service in schöner Regelmäßigkeit vor ans Netz. Kerber, besser als noch vor zwei Wochen auf diese Stärke eingestellt, bewahrte die Ruhe und nutzte die wenigen Chancen, Pliskova zu passieren - so gelangen ihr einige Breaks.
  • Pliskova schlug deutlich mehr Winner als Kerber, machte aber verhältnismäßig zu viele Unforced Errors (47:17), was vor allem an Kerbers Beinarbeit lag. Die neue Nummer eins kratzt eben den ein oder anderen Ball mehr von den Tennislinien dieser Welt.
  • Das Wetter entwickelte sich mit zunehmender Spieldauer zu einem nicht unerheblichen Faktor. Der Finaltag der Damen war der heißeste Tag der vergangenen zwei Wochen - 32 Grad zeigte das Thermometer in Flushing Meadows in der Spitze an. Angelique Kerber gilt nicht umsonst als eine der fittesten Spieler auf der Tour und erreichte viele Winkelbälle der Tschechie, die sie vor zwei Wochen beim Final-Duell in Indian Wells noch passieren hat lassen müssen.

Die Weltrangliste der Damen im Überblick

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