Der König und sein Adjutant

Andy Murray war der Frust nach seiner Niederlage deutlich anzusehen
© getty

Eigentlich hat das Duell Andy Murray gegen Novak Djokovic das Potenzial dazu, die beste Rivalität im Herren-Tennis zu sein. Beide kennen sich ewig, sind nahezu gleich alt, beste Freunde und haben zudem auch noch sehr ähnliche Spielstile. Doch einige Faktoren verhindern eine größere Popularität des Duells. Das Australian-Open-Finale 2015 ist da nur das neuste von vielen Beispielen.

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Wenn Blicke töten könnten...

Es war ein bezeichnender Anblick, der sich den Zuschauern in der Rod Laver Arena bot, als das Finale der Australian Open 2015 beendet war. Im Vordergrund: ein strahlender Novak Djokovic mit der Trophäe im Arm. Im Hintergrund: Andy Murray, dessen Gesichtsausdruck von nun an im Wörterbuch unter 'Frust' zu finden sein dürfte.

Um das klarzustellen: Murray präsentierte sich nicht als schlechter Verlierer. Er gratulierte seinem Gegner artig und erkannte an, was dieser in seiner Karriere insgesamt in Melbourne geleistet hat. Er beteuerte gar, es sei "keine Schande", in Australien gegen Djokovic zu verlieren.

Dennoch konnte er seinen Ärger nicht verbergen. Den Ärger darüber, dass er seine vielen Chancen nicht nutzen konnte. Den Ärger darüber, dass er zum vierten Mal in Melbourne im Finale stand - und zum vierten Mal verlor. Den Ärger darüber, dass er - einmal mehr - gegen den Mann den Kürzeren zog, den er besser kennt als jeden anderen auf der Tour.

Rivalen seit der Jugend

Djokovic' und Murrays Karrieren sind seit Ewigkeiten miteinander verknüpft. Murray ist bloß eine Woche älter als der Djoker - schon bevor sie Teenager waren, trafen sie bei einem U12-Turnier in Südfrankreich zum ersten Mal aufeinander. Seit diesem Treffen sind die beiden heute 27-Jährigen gute Freunde geworden - der gemeinsame Aufstieg im ATP-Ranking machte sie allerdings auch zu Rivalen.

Auf der Tour haben sie bisher 25 Spiele gegeneinander absolviert, von denen Djokovic 17 für sich entscheiden konnte. Alleine sechs davon waren Grand-Slam-Finals. Der Serbe gewann zwar den Großteil; bei den beiden Grand Slams, die Murray bisher gewinnen konnte, besiegte er aber wiederum Djokovic.

Die Rivalität zwischen beiden hat zweifellos das Potenzial dazu, die beste im Tennis-Sport zu werden. Eigentlich ist sie gewissermaßen der legitime Nachfolger des Duells zwischen Roger Federer und Rafael Nadal. Dennoch hat sie längst nicht diesen Stellenwert - und das hat mehrere Gründe.

Kämpfer statt Philosophen

Zunächst einmal sind sich beide vom Spielstil her sehr ähnlich. Beide arbeiten am besten aus der Defensive heraus, beim Djoker könnte man sogar dafür argumentieren, dass er zu den besten Defensiv-Spielern aller Zeiten gezählt werden muss. Ein Kontrast a la Federers Finesse gegen Nadals Power findet sich hier nicht.

Matches zwischen Murray und Djokovic sind Abnutzungsschlachten. Häufig spektakulär, wie die ersten beiden Sätze in Melbourne mal wieder eindrucksvoll bewiesen. Aber eben mit einer anderen Dramaturgie. Statt zwei unterschiedlichen Philosophien treffen hier gewissermaßen zwei Gladiatoren aufeinander, die mit der gleichen Technik, dem gleichen Stil und den gleichen Waffen kämpfen.

Zweitens hat keiner von ihnen ansatzweise die Strahlkraft eines Federers oder Nadals. FedEx schwebt bekanntlich über allem - aber im Vorfeld des Turniers wurde auch über Nadal wesentlich mehr gesprochen als über Nole, obwohl dieser in den letzten Jahren der konstanteste und beste Spieler der Tour war.

Darüber ärgerte sich kürzlich auch Coach Boris Becker, der mehr Respekt für seinen Schützling forderte: "Ich bin auch ein Fan von beiden Spielern. Sie sind enorm wichtig für das Tennis, aber man muss auch mal mit den Fakten umgehen. Und da ist die aktuelle Nummer eins Novak Djokovic aus Serbien."

Murray fehlt die Konstanz

Drittens - und das ist wohl der entscheidende Punkt - ist die Rivalität zu diesem Zeitpunkt deutlich einseitiger, als sie sein müsste. Nur Djokovic ist seit etlichen Jahren konstant in der Weltspitze zu finden und schickt sich mittlerweile an, den Rekorden von FedEx und Nadal vielleicht sogar noch gefährlich zu werden.

Bei Murray verhält sich das Ganze anders. Er hat Hochphasen, in denen ihn kaum jemand schlagen kann - wie bei Olympia 2012, als er in London Gold holte, oder in Wimbledon 2013, als er den Djoker im Finale in drei Sätzen ohne Chance ließ. Er ist aber auch ziemlich unkonstant, wenn man ihn mit den anderen Teilen der "Big Four" vergleicht.

Irgendetwas scheint ihm immer zu fehlen, wenn die großen Entscheidungen anstehen. Seine Grand-Slam-Final-Bilanz ist mit zwei Siegen bei acht Versuchen äußerst ausbaufähig, zumal er ein Talent dazu hat, sich - wie beim jüngsten Finale von Melbourne - selbst ins Knie zu schießen.

Alles andere als perfekt

Djokovic hatte am Sonntag keineswegs seinen besten Tag erwischt. Sein Service kam äußerst mittelprächtig, er ließ fünf Breaks zu und hatte zudem teilweise mit seiner Fitness und seinem Körper zu kämpfen. Murray konnte seine zahlreichen Chancen aber zu selten nutzen.

Er ließ insgesamt sieben Breakchancen ungenutzt und war nur ganz selten in der Lage, ein Break auch mal zu bestätigen. Seine Erfolgsquote mit dem zweiten Aufschlag war mit 34 Prozent desolat - Djokovic, der keineswegs überragend servierte, brachte immerhin 62 Prozent seiner zweiten Aufschläge durch.

Es war nicht das erste Mal, dass Murray seinem Kumpel eigentlich ebenbürtig war, bei den Big Points aber letztlich versagte. In einem Match, das lange Zeit auf beiden Seiten von etlichen Fehlern geprägt war, lieferte ein Doppelfehler von Murray zum 3:5 im dritten Satz letztlich die Vorentscheidung.

Der elementare Unterschied

Mehrfach musste das Spiel unterbrochen werden. Erst wegen einer Verletzung von Djokovic, etwas später von Flitzern, die den Court stürmten. Während Murray sich - wie er später zugab - von den Pausen irritieren ließ, zeigte Djokovic, was ihn derzeit von seinem Freund unterscheidet: Die Konzentrationsfähigkeit. "Boris erinnert mich in solchen Momenten daran, dass ich die nötige mentale Stärke habe, um damit umzugehen", erklärte der Serbe nach der Partie.

Murray hingegen verlor den Faden, blickte genervt durch die Gegend und ließ die Schultern hängen. Obwohl er zuvor bravourös dagegengehalten hatte, brach er binnen weniger Minuten vollständig ein. 'Nicht schon wieder!', schien er auszustrahlen, als hätte er sich vollends in sein Schicksal ergeben.

Trotz aller Erfolge ist das vermutlich das Bild, das die allermeisten Leute vor Augen haben, wenn sie an Andy Murray denken.

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