Große Champions - großer Sport!

Stan Wawrinka gewann das Finale der Aussie Open gegen Rafa Nadal
© getty

Die Tennis-Welt hat mit Stan Wawrinka einen neuen Grand-Slam-Champion - der große Gewinner ist aber vor allem auch wieder dieser unfassbare Sport an sich. Warum Stan wirklich the Man ist und warum sich jeder mit ihm mitfreuen sollte. Ein Kommentar von Florian Regelmann.

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Australian Open: Rafael Nadal. Grand-Slam-Titel Nummer 14. Gleichauf mit Pete Sampras.

French Open: Rafael Nadal, wie immer halt. Nummer 15.

Hätte Nadal in Melbourne triumphiert, hätte niemand einen ersten Grand Slam bei den Herren seit Rod Laver 1969 ins Reich der Fabeln verweisen können.

Mit einem Grand Slam Roger Federer einholen und ihn dann womöglich 2015 mit dem 18. Triumph (10. Roland-Garros-Sieg?) sogar übertreffen. Ein Hirngespinst, das man beim Blick zurück auf Nadals siebenmonatige Verletzungspause für völlig krank gehalten hätte. Aber einem fitten Nadal wäre es ernsthaft zuzutrauen gewesen.

Stattdessen bleibt Nadal vorerst bei 13 Slams stecken, worüber niemand sich mehr freuen wird als Federer. Nicht nur weil er naturgemäß nicht eingeholt werden will, sondern weil er es seinem Freund Wawrinka gönnen wird wie keinem anderen Spieler auf der Welt.

Die Federer/Wawrinka-Freundschaft

Wer Federer nach seinen größten Momenten in seiner Karriere fragt, der hört unter den Top 3 immer eins: Olympia-Gold im Doppel mit Stan 2008 in Peking. Der Mann, der 17 Grand-Slam-Titel auf seinem Konto hat, der größte Tennisspieler aller Zeiten, er freut sich mit am meisten über einen Erfolg im Doppel. Das sagt so viel aus. Über ihn. Über Stan. Über ihre Freundschaft.

Es ist generell ganz ganz groß, wie die Superstars im Herren-Tennis, speziell die Big Four, seit Jahren miteinander umgehen. Die Siegerehrung mit Wawrinka und Nadal, das Verhalten des Schweizers nach dem Matchball, das Verhalten des Spaniers, der auf der Pressekonferenz nicht zu sehr über seinen lädierten Rücken sprechen wollte, weil der Tag Stan gehöre - Melbourne war wieder das beste Beispiel dafür, was Tennis abgesehen von den unfassbaren Matches auf dem Court aktuell so besonders macht.

Wawrinka ist nun also derjenige, der neben Juan Martin del Potro (US Open 2009) als Einziger seit Wimbledon 2004 die Phalanx der Big Four durchbrechen konnte. Und wie passend das auch ist. Denn neben Del Potro war Wawrinka schon immer der Spieler, der rein vom spielerischen Potenzial, von den Schlägen, aus eigener Kraft jeden schlagen kann.

Der neue Stan

Die wundervollste Rückhand der Welt hatte Stan schon immer, das Problem war die mentale Komponente. Erst mit der Zusammenarbeit mit Magnus Norman (Paris-Finalist 2000) kam diesbezüglich die Wende. Melbourne 2014 zeigte jetzt auf eindrucksvolle Weise, wie sehr er gereift ist.

Nicht nur, dass er als erster Spieler seit Sergi Bruguera 1993 bei den French Open im selben Grand-Slam-Turnier sowohl die Nummer 1 als auch die Nummer 2 besiegt hat, er meisterte vor allem die schwerste mentale Situation, die er jemals auf einem Tennisplatz erlebte.

Da hat dir Nadal in Gedanken schon mehrfach die Hand geschüttelt, aber dann wirken die Schmerztabletten und dieser "Sauhund" auf der anderen Seite fängt plötzlich an, wieder einigermaßen normal zu spielen und haut dir Winner rein. Er stöhnt wieder. Und es nervt dich kolossal.

Wawrinka hätte auch so gewinnen können

Dass Wawrinka erst mal nicht mit der Situation klar gekommen ist, war fast logisch. Entscheidend war, wie er sie dann bewältigte und zu sich und seinem Spiel zurückfand. Selbst als er im vierten Satz das Re-Break kassierte, schüttelte er sich nur kurz und schlug sofort zurück.

Auch wenn Nadals Rückenprobleme natürlich nicht komplett außen vor gelassen werden dürfen, sollte sich jeder bewusst machen, dass Wawrinka ihn bis zum Medical Timeout komplett vorführte und ihn im Prinzip vom Platz schoss. Hätte Stan auch gegen einen völlig fitten Nadal gewonnen? Nicht zu beantworten, aber möglich wäre es gewesen, definitiv.

Genauso spekulativ bleibt die Frage, ob das Herren-Tennis mit Wawrinkas-Sieg in Zukunft nicht mehr so sehr von nur vier Spielern dominiert wird. Klar ist, dass Wawrinka mehr als einen Major-Sieg auf dem Schläger hat, das sollte jedem klar sein, der ihn spielen sieht. Zumal er sich auf allen Belägen wohlfühlt.

Natürlich spielt Wawrinka Davis Cup

An diesem Tag kann es aber erst einmal nur um eines gehen: Darum, sich mit Wawrinka mitzufreuen. Mit der neuen Nummer drei der Welt. Mit dem Schweizer des Jahres 2013 (und jetzt schon 2014). Und zwar mit dem Spieler und dem Menschen.

Mit dem, der das Pech hat, in eine Ära geboren zu sein, in der es in seinem Land in seinem Sport schon den Größten in der Geschichte gibt. "Roger, für dich ist das normal, im Halbfinale zu stehen. Für mich aber nicht", erzählte Wawrinka von einem SMS-Austausch der beiden. Geht es sympathischer?

Wawrinka wird im Übrigen nächsten Freitag schon wieder im Einsatz sein. Davis Cup in Serbien. Djokovic und Federer spielen nicht. Wawrinka schon. Warum? Weil er immer Davis Cup spielt. Es wird sein 20. Auftritt in Folge sein für die Eidgenossen.

"Natürlich spiele ich den Davis Cup. Sie wissen es vielleicht nicht, aber für mich ist das etwas sehr Wichtiges. Ich weiß noch nicht, wie genau ich da hinkommen werde. Ich weiß nicht, ob ich nach heute Nacht noch lebe, aber ich werde da sein." Stan, you are the man.

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