Zoff, Misserfolg und Ärger: Tennis am Tiefpunkt

SID
Trotz großer Pläne gab es für das Team von Barbara Rittner (l.) eine bittere Pleite
© Getty

Als Georg von Waldenfels im November 2011 unsanft als Präsident des Deutschen Tennis Bundes DTB abgelöst war, hieß es, das größte Problem sei damit gelöst. Der neue starke Mann, Karl-Georg Altenburg, kündigte an, mit seinen kompetenten Mitstreitern Tennis wieder zu einer besonderen Marke in Deutschland zu machen.

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Fünf Monate später ist Tennis in der öffentlichen Wahrnehmung an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Die hochgelobten Fed-Cup-Damen sind abgestiegen, das Männer-Team hat Davis-Cup-Kapitän Patrik Kühnen kaltgestellt, und auch die Spekulationen um einen Abriss des Stadions am Rothenbaum hören nicht auf. Tennis im besten Licht?

Trotz Abstieg: Jobgarantie für Rittner

Statt Siege zu feiern, haben sich Andrea Petkovic, Angelique Kerber und Julia Görges den Mund verbrannt, weil sie über den Titel sprachen und tatsächlich kläglich scheiterten. Natürlich gibt es Gründe dafür, dass es nicht so läuft. Natürlich war in Sabine Lisicki wieder eine Leistungsträgerin verletzt. Aber richtig ist auch, dass Barbara Rittners Team im falschen Moment einknickte.

"Der Druck war riesengroß", sagt der im DTB für den Spitzensport zuständige Vizepräsident Carl-Uwe Steeb. Aber ist der Druck nicht immer riesengroß, wenn man was erreichen will und dies vollmundig ankündigt? Um ihren Job muss Rittner nicht fürchten. Warum auch? Die frühere Topspielerin und letzte deutsche Fed-Cup-Siegerin mit Steffi Graf leistet hervorragende Arbeit und ist motiviert genug, aus der Niederlage noch mehr Energie zu schöpfen. Davon ist Steeb überzeugt: "Nur leider ist ein Jahr verloren."

DTB schließt Interessenkonflikt bei Steeb aus

Eine Vertragsverlängerung sollte Formsache sein. Zumal Steeb ganz andere Probleme zu lösen hat. Auch eigene. Als künftiger Ausrichter des Münchner Tennisturniers wird ihm ein Interessenkonflikt vorgeworfen. Präsident Altenburg sieht das anders und erklärte der Nachrichtenagentur dapd am Mittwoch: "Das DTB-Präsidium hat das Engagement von Charly Steeb geprüft und schließt in Übereinstimmung mit seinen Richtlinien einen möglichen Interessenkonflikt aus."

Turnierdirektor in München ist Patrik Kühnen - und das soll er laut Steeb auch bleiben. Doch in Kühnens Davis-Cup-Team brennt es lichterloh. Wie es aussieht, hat die Mannschaft um Florian Mayer ihrem Kapitän die Gefolgschaft aufgekündigt. Beim World Team Cup wollen sie ihn gleich gar nicht dabei haben. Spitzenspieler Mayer machte von einem nur in Düsseldorf verbrieften Auswahlrecht Gebrauch und nominierte statt Kühnen seinen Heimtrainer Tobias Summerer.

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Kühnen: "Habe das zu akzeptieren"

Ein einmaliger Vorgang, für den der Gastgeber, Titelverteidiger und Rekordsieger bei der Mannschafts-Weltmeisterschaft in Düsseldorf (20. bis 26. Mai) da sorgt. "Ich habe das zu akzeptieren", sagt Kühnen. Das Tischtuch zwischen ihm und der Mannschaft sei aber nicht zerschnitten. "Der Davis Cup bleibt davon unberührt. Das sind zwei Paar Schuhe." Einen Neuanfang mit jungen Spielern plane er nicht für das Abstiegsspiel vom 14. bis 16. September gegen Australien.

Streit, Missgunst und Eifersüchteleien hat es immer geben. Auch zu Zeiten von Boris Becker und Michael Stich. Steeb kennt das und hat auch als Davis-Cup-Kapitän die andere Seite kennengelernt. Aber eine solche Backpfeife für den Teamchef? Nein, das hat noch keiner von Kühnens Vorgängern erlebt.

Fatal ist die Außenwirkung. Aber Steeb will erst mit allen Beteiligten sprechen. "Vorher wird es von mir keinen Kommentar geben", sagt er. Auch Mayer wollte sich am Rande des Turniers in Bukarest nicht äußern. Das übernahm seine Beraterin Karen Krüger: "Das war eine Entscheidung der ganzen Mannschaft und nur für den World Team Cup. Mit dem Abstiegsspiel im September gegen Australien hat das gar nichts zu tun." Aber wie soll das gehen?

Spieler rebellieren gegen den Teamchef

Die Spieler wollen mit ihren Heimtrainern in Düsseldorf weiter arbeiten, um gut vorbereitet zu den French Open fahren zu können, die am Tag nach dem Finale im Rochusclub in Paris beginnen. Klingt gut und logisch, ist es aber nicht: wie in den vorigen Jahren könnten die Trainer ihre Schützlinge nach Belieben trainieren, auch wenn Kühnen auf der Bank säße. Es ist wohl etwas dran, dass die Spieler Kühnen nun dafür büßen lassen, dass er beim verlorenen Davis-Cup-Auftakt gegen Argentinien den verdienten, aber formschwachen Tommy Haas nominiert hatte. "Das ein oder andere Thema war etwas unglücklich", deutet Philipp Kohlschreiber an.

Präsident Altenburg hält sich vornehm zurück und lässt Charly Steeb machen. Öffentliche Statements vermeidet der Investmentbanker auch im Zusammenhang mit den Spekulationen um einen Neubau am Rothenbaum. Unbestritten ist das Stadion nicht mehr auf dem neuesten Stand. Unbestritten ist auch, dass sich die Besitzverhältnisse im noblen Hamburger Stadtteil Pöseldorf verschoben haben, und der finanziell weit besser ausgestattete Club an der Alster mehr Interesse an Hockey- denn an Tennisplätzen hat.

Andererseits gilt aber auch, dass Veränderungen am Rothenbaum der politischen Zustimmung bedürfen. Und dass die Anwohner Veränderungen - vor allem auch im Hinblick auf die Zahl der Veranstaltungen - bisher immer mit Macht und Erfolg verhindert haben.

DTB-Geschäftsführer Stephan Brune dementierte die Meldungen umgehend. Und musste erkennen, dass sich der Wind gedreht hat. Vor einem Monat noch hatte er im dapd-Gespräch die erfreulichen Signale und die positiven Berichte über Tennis und den neuen DTB hervorgehoben. Aktuell ist davon nichts geblieben als Spekulationen um den Rothenbaum, Abstieg statt Titelkampf und Zoff bei den Männern.

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