Federer: Der King der ATP-Finals

Von Philipp Joubert
Roger Federer hat in seiner großen Karriere bislang 65 Turniere gewonnen
© Getty

Nach dem erfolgreichen Debüt im letzten Jahr kehren die ATP World Tour Finals nach London zurück. In der O2 Arena, nur 20 Kilometer von Wimbledon entfernt, spielen die acht besten Tennisspieler des Jahres um den Titel des inoffiziellen Weltmeisters. 2009 gewann Nikolai Dawydenko auf dem relativ schnellen Hardcourt. Auch wenn der Russe in diesem Jahr fehlt, ist eine Woche hochklassiges Tennis garantiert. Der Ausgang des Turniers ist offen wie selten, Favorit ist trotzdem ein alter Bekannter: Roger Federer.

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1. Roger Federer

Roger Federer ist der Spieler, den es in London zu schlagen gilt. Seine Bilanz der letzten Wochen liest sich überzeugend, trotz der schmerzvollen Niederlage beim letzen Vorbereitungsturnier in Paris, als er im Halbfinale keinen seiner fünf Matchbälle gegen Gael Monfils nutzen konnte. Anfang des Jahres sah es nach einem weiteren überragenden Jahr für den Schweizer aus, nachdem er souverän bei den Australian Open triumphierte.

In den folgenden Monaten jedoch hatte es fast den Anschein, als hätte Federer die Motivation etwas verloren. Einigen frühen Niederlagen im Frühling folgte erstmals seit sechs Jahren eine Niederlage vor dem Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers, als er in Paris gegen Robin Söderling verlor. Bei seiner Niederlage gegen Tomas Berdych in Wimbledon sah er dann endgültig nur noch wie ein durchschnittlicher Top-10-Spieler aus.

Nach diesem Schockerlebnis überwand der Sturkopf Federer sich jedoch, engagierte zum ersten Mal seit Jahren einen richtigen Trainer (Paul Annacone) und spielte in den darauf folgenden Monaten wieder häufiger wie der alte Roger Federer. Zwar fehlt dem Weltranglisten-Zweiten mittlerweile die Konstanz im Spiel, die ihn vor Jahren noch so auszeichnete.

Ganz wichtig aber: Er bewegt sich endlich wieder so gut auf dem Platz wie in den besten Jahren seiner Kariere. Die geschmeidigen, kleinen Schritte, die es ihm ermöglichen, fast immer optimal zum Ball zu stehen und unverzüglich von der Defensive in die Offensive umzuschalten, sind die Grundlage seiner großartigen Bilanz beim Jahresendturnier, das er schon viermal gewinnen konnte.

2. Andy Murray

Außerhalb der Grand-Slam-Turniere ist Andy Murray seit mindestens zwei Jahren der beste Hardcourt-Spieler der Welt. Er hat Federer in den letzten beiden Aufeinandertreffen in diesem Sommer und Herbst überzeugend geschlagen und trotz seiner Niederlage im letzten Jahr gegen den Schweizer in London eines der besten Matches des Jahres gespielt.

Aber wie schon bei den Grand Slams fehlte ihm bei seinen beiden Auftritten am Jahresende das letzte bisschen Weitsicht, um zu gewinnen. Bei seiner Premiere 2008 verzettelte er sich in einer stundenlangen Schlacht mit Federer im letzten Gruppenspiel, obwohl er schon längst für das Halbfinale qualifiziert war. Am nächsten Tag schied er erschöpft aus.

Auch im letzen Jahr stand er sich selbst im Weg, als er zwar nur ob einer unglücklichen Konstellation ausschied, da er weniger Spielgewinne in der Gruppenphase verbuchen konnte als Federer und Juan Martin del Potro. Das eigentliche Problem aber war, wie schon so oft, seine Passivität im entscheidenden Match, als er sich von Fernando Verdasco bis in den Tiebreak des dritten Satzes zwingen ließ.

Davon abgesehen steht eigentlich nur noch ein unterdurchschnittlicher zweiter Aufschlag zwischen dem Schotten und seinem ersten ganz großen Titel - und das wäre London ohne Zweifel für ihn.

3. Rafael Nadal

Die einzig bedeutende Trophäe, die Rafael Nadal in seiner Kariere noch fehlt, ist die der ATP World Tour Finals. Doch bei seinen bisherigen Auftritten hat der Spanier kaum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Meist kam er erschöpft zum Jahresendturnier, zweimal fehlte er sogar verletzt - und auch dieses Jahr musste er das letzte Vorbereitungsturnier in Paris mit einer Schulterverletzung absagen. Warum sollte es dieses Jahr also besser werden?

Zum ersten Mal hat Nadal in diesem Sommer gezeigt, dass er konstant zu den besten Hardcourt-Spielern der Welt gehören kann. Er versucht mittlerweile, die Punkte selber zu beenden anstatt seine Gegner müde zu spielen. Die US Open hat er gewonnen, obwohl er in der Vorbereitung keine überragenden Resultate hatte. Früher brauchte Nadal das Selbstvertrauen einer Siegesserie, um auf der allergrößten Bühne zu triumphieren.

Jetzt kann er scheinbar wie Federer aus dem Nichts kommen und die wichtigsten Titel gewinnen. Dazu hat er als einziger Spieler in diesem Jahr gegen sechs der sieben Gegner gewonnen, nur gegen einen groß aufspielenden Andy Roddick in Miami war er unterlegen. Hier liegt auch das einzige Problem des Mallorquiners.

Wenn es auf schnelleren Belägen nur über drei Gewinnsätze geht, sind die grund- und aufschlaggewaltigen Gegner oft in der Lage, ihn vom Platz zu prügeln, ohne sich wie bei den Grand Slams auf stundenlange Kämpfe einlassen zu müssen. Trotz dieses Problems sind Nadals Chancen in diesem Jahr gut wie nie.

4. Robin Söderling

Vor seinem großen Durchbruch auf Sand war Söderling vor allem eines: Ein ausgewiesener Hallenspezialist.

Der große Schwede, der seine Gegner mit seinen Grundschlägen regelrecht beschießt und dazu noch einen der wuchtigsten Aufschläge besitzt, fühlt sich auch heute noch unter dem Dach extrem wohl.

In der vergangenen Woche gewann er in Paris sein erstes wichtiges Turnier und hielt dabei dem sehr lauten Pariser Publikum stand, als er sowohl im Halbfinale als auch im Finale einen Franzosen besiegte.

Auch in London hinterließ er 2009 mächtig Eindruck, als er erst im Halbfinale unglücklich ausschied und davor Novak Djokovic und Nadal keine Chance ließ. Dieses Jahr kann es gut und gerne einen Schritt weiter gehen für ihn, denn Angst vor großen Namen hat der Schwede sicherlich nicht.

Platz 5 bis 8: Von Djokovic bis Berdych

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