Außenseiter will historische Chance nutzen

Von dpa
Tommy, Haas, Philipp, Kohlschreiber
© Getty

Moskau - Die Erben von Boris Becker und Michael Stich holen in der Moskauer Olympia-Halle zum größten Davis-Cup-Schlag seit zwölf Jahren aus:

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Wo Becker und Stich 1995 im bislang letzten deutschen Halbfinale eine denkwürdige Pleite erlitten, will das deutsche Team gegen Titelverteidiger Russland den ersten deutschen Endspieleinzug seit dem dritten Cupgewinn 1993 schaffen.

Sollten die USA das andere Halbfinale in Göteborg gewinnen, winkt ein sogar ein großes Final-Fest in Deutschland, gegen Schweden gäbe es für das Team um Thomas Haas dagegen ein Auswärtsspiel.

"Ein Sieg wäre für das deutsche Tennis sensationell. Jedem ist klar, dass die unglaubliche Chance da ist, seit vielen Jahren wieder das Finale zu erreichen. Jeder ist besonders motiviert, zumal gegen den Titelverteidiger", sagte der deutsche Teamchef Patrik Kühnen, betonte aber auch: "Russland ist Favorit."

Unklarheiten über Favoritenrolle

Haas sieht sich und seine Mitstreiter Philipp Kohlschreiber, Alexander Waske und Philipp Petzschner auf dem ungeliebten Sandplatz nur als krasse Außenseiter. "Wir haben zigtausend Zuschauer gegen uns, die Russen sind Titelverteidiger und eine Auswahl von Spielern, die auf Sand unmenschliches Tennis spielen können", sagte Haas der "Süddeutschen Zeitung". Zumindest war die Luft in der Halle nicht mehr so abgasbelastet wie am Tag zuvor.

Obwohl die Gastgeber um den Weltranglisten-Vierten Nikolai Dawidenko selbst ohne den formschwachen Star Marat Safin extrem ausgeglichen besetzt sind, will Russlands Kapitän Schamil Tarpischtschew von der Favoritenrolle nichts hören. "Die Chancen stehen 50:50", sagt der 59-Jährige, der die russischen Damen gerade zum dritten Fed-Cup-Triumph führte.

Siegertypen glauben an sich 

Kühnen setzt auf den Druck, unter dem die Russen stehen, und den Willen seines Quartetts. "Wir haben eine Chance, weil wir Siegertypen haben", sagte Kühnen und verwies auf die guten Davis-Cup-Bilanzen von Haas und Waske sowie Kohlschreibers Einstand beim Viertelfinale in Belgien.

"Wir glauben an uns", betonte Kohlschreiber, dem Kühnen den Vorzug vor dem lange verletzten Nicolas Kiefer gab. Kiefer hatte am Wochenende erklärt, er wäre gern dabei gewesen, doch Kühnen betonte, Kohlschreiber habe sich seinen Einsatz mit guten Leistungen verdient.

1995: Drama um Stich 

Der einstige Davis-Cup-Sieger Kühnen war vor 14 Jahren an gleicher Stelle beim Erstrunden-Match dabei und holte mit Stich im Doppel schon den entscheidenden dritten Punkt.

Der Weg führte anschließend bis ins fünfte Endspiel mit deutscher Beteiligung nach Düsseldorf und zum Triumph über Australien. Stich hatte ein sechstes Finale 1995 auf dem Schläger, konnte in Moskau aber neun Matchbälle gegen Andrej Tschesnokow nicht zum 3:2-Sieg nutzen.

"Das ist ein Match, an das ich mich bestens erinnere", sagte der 23 Jahre alte Neuling Petzschner, der den verletzten Michael Kohlmann vertritt. "Vielleicht sitzen am Wochenende die Kids zu Hause, und ich kann sie begeistern."

Waske beißt auf die Zähne

Petzschner feierten seinen größten Erfolg als Junior mit dem Doppel-Titel bei den French Open 2002. Sein erfahrener Partner Waske ist am Ellenbogen zwar nach wie vor nicht beschwerdefrei, doch vom Davis Cup hält den 32-jährigen Frankfurter kaum etwas ab.

"Es wird von Tag zu Tag besser. Doch den einen oder Schmerz muss ich anders weg bekommen. Das wird schon", sagte Waske.

Es köchelt

Die Stimmung beim Training ist gut und konzentriert, zwei Mal täglich arbeitet Kühnen mit seinen Schützlingen in der Olympia-Halle. "Die Vorfreude wächst stetig. Es köchelt mehr mit jedem Tag", sagte Kühnen, der nicht unbedingt von der wichtigsten Begegnung seiner Amtszeit sprechen mag und an zurück liegende Relegationsspiele erinnert.

Immerhin war nach dem Abstieg 2003 erst vor zwei Jahren in Tschechien die Rückkehr unter die 16 Weltgruppen-Teams geglückt.

Kühnen: "Es ist jetzt eine andere Anspannung, als wenn man etwas verteidigen muss. Die Freude ist größer als bei anderen Spielen."