"Die beste Saison meiner Karriere"

SID
John Degenkolb befindet sich in dieser Saison in bestechender Verfassung
© getty

John Degenkolb lässt erst gar keinen Zweifel aufkommen. So sehr sich der Thüringer einen Tour-Etappensieg wünscht, seine beiden Klassiker-Triumphe im Frühjahr kann er nicht toppen. "Sanremo und Roubaix sind Monumente und waren meine Kindheitsträume", sagte der 26-jährige Radprofi wenige Tage vor der 102. Frankreich-Rundfahrt. Ein Erfolg bei der Tour sei auch "etwas ganz Spezielles", aber stünde "nicht auf einer Ebene".

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Bei der Großen Schleife nimmt Degenkolb seinen dritten Anlauf, Etappen beim Giro d'Italia und der Vuelta hat er bereits für sich entschieden. Der nach dem kontroversen Aus von Marcel Kittel alleinige Kapitän des deutschen Teams Giant-Alpecin sieht sich nach seinem bisherigen Bilderbuchjahr aber nicht unter Druck. "Ich habe mir nichts mehr zu beweisen, egal wohin uns die Reise führt, es ist die beste Saison meiner ganzen Karriere", betonte Degenkolb.

Kittels Fehlen rückt den Wahl-Frankfurter auch bei der Tour noch weiter in den Mittelpunkt und eröffnet ihm überdies ungeahnte Perspektiven. Das Grüne Trikot ist jetzt ein realistisches Ziel, nachdem die geteilte Führungsrolle in den letzten beiden Jahren keinen Angriff darauf zuließ.

Grün als "Karrieretraum"

"Es ist eine Option, die im Hinterkopf herumschwebt, aber ich gehe nicht als Favorit wie Alexander Kristoff oder Peter Sagan in die Tour und werde daran gemessen", sagte Degenkolb relativierend. Grün sei dennoch "ein Karrieretraum", zumal ihm bei der Vuelta der Sieg in der Punktwertung schon einmal glückte.

Giant-Alpecin-Teamchef Iwan Spekenbrink weiß, dass dafür wirklich alles passen muss. "An den Tagen für John müssen wir die perfekte Kontrolle haben, den perfekten Lead-out, John muss so frisch wie möglich den Sprint fahren", erklärte der Niederländer, während Tony Martin, der bei Quick Step in Mark Cavendish einen weiteren Anwärter auf Grün pilotiert, "auf jeden Fall das Potenzial" in Degenkolb sieht: "Die erste Woche wird ihm in die Karten spielen."

Diese erste Woche ist gespickt mit technischen Herausforderungen, und teilweise topographisch so anspruchsvoll, dass reine Sprinter in arge Nöte kommen könnten. Und nicht zuletzt besucht die Tour am vierten Tag nach Cambrai das Terrain von Paris-Roubaix, wo Degenkolb im April einen beeindruckenden Parforceritt hinlegte und als erster Deutscher nach 119 Jahren triumphierte.

"Stehe im Saft"

"Er wird der Top-Favorit sein", sagt Martin. Dass gerade am kommenden Dienstag alle Augen auf Degenkolb gerichtet sein werden, sieht dieser dennoch nicht als Nachteil: "Wir haben das Know-how, um ein top Setup an den Start zu kriegen."

Körperlich in Schuss gebracht hat sich Degenkolb zunächst mit Kittel bei einem Höhentrainingslager in der Sierra Nevada und anschließend bei der Tour de Suisse. Der Grand Départ am Samstag in Utrecht kann kommen. "Ich denke, dass ich im Saft stehe", sagt Degenkolb, der sich beim Auftakt-Zeitfahren nicht schonen wird. Schließlich könnten ihm ein starker Auftritt und die Wiedereinführung der Zeitgutschriften in den Tagen darauf sogar eine vage Chance auf Gelb eröffnen. "Ich bin in einer Luxussituation", sagt Degenkolb. Nur das Kittel-Aus bedrückt ihn noch immer: "Ich weiß, wie viel ihm der Start bedeutet hätte."

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