AFLD kündigt Nachkontrollen der Tour 2008 an

SID
Bei der Tour de France 2009 gibt es noch keine Dopingfälle
© Getty

Der bislang skandalfrei verlaufenen Tour droht ein Doping-Nachbeben im Herbst. Die AFLD will Blutproben von 15 Radprofis der Tour 2008 noch einmal auf Cera untersuchen.

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Die Tour de France propagierte die heile Welt, doch die dunkle Vergangenheit droht den Radsport schon bald wieder einzuholen.

Pünktlich zum großen Finale auf den Champs Elysees hat die französische Antidoping-Agentur AFLD mit der Ankündigung von weiteren Nachkontrollen aus der Tour 2008 für Wirbel gesorgt.

Bei 15 Fahrern aus den Top 20 des Vorjahres soll in den eingefrorenen Proben nach dem Epo-Nachfolger Cera gesucht werden. Das vermeldete die renommierte französische Sporttageszeitung "L'Equipe" am Sonntag.

Nachkontrollen mit Folgen

So könnte dem Radsport im September oder Oktober ein großes Doping-Beben bevorstehen. Schon im vergangenen Jahr waren die beiden Gerolsteiner-Profis Stefan Schumacher und Bernhard Kohl sowie der italienische Kletterkünstler Leonardo Piepoli bei Nachkontrollen in die Cera-Falle getappt, während der Tour waren der Italiener Riccardo Ricco sowie die Spanier Manuel Beltran und Moses Duenas als Epo-Sünder aufgeflogen.

In diesem Jahr war bei der Tour für Skandale kein Platz. Auf geradezu groteske Weise vollzog die einstige Skandal-Rundfahrt die Rückkehr zur Normalität.

Im Drehbuch der 96. Auflage spielten ausgerechnet zwei Radgrößen mit zweifelhaftem Ruf die Hauptrolle: Alberto Contador als "König des Pelotons" und der einst gehasste Lance Armstrong als Liebling der Massen.

"Das Betrügen ist schwerer geworden"

"Es ist nicht alles gut, aber es hat sich etwas geändert. Das Betrügen ist schwerer geworden. Wir haben bei der Tour ein großes Duell erlebt, genau das, was der Sport braucht", bilanzierte Tour-Direktor Christian Prudhomme.

Skandale wollte die Tour ausdrücklich nicht, und wie auf Knopfdruck herrschte im einst so stürmischen Radsport auf einmal Windstille. Ob es in den Nachtests noch ein Doping-Gewitter geben wird, erscheint doch eher fraglich.

Dass ausgerechnet Contador auch noch in die Rolle des Anti-Doping-Vorkämpfers schlüpfte, passte da irgendwie ins Bild. "Die Mentalität hat sich geändert. Das ist ein großer Sieg für den Radsport", behauptete der "Matador aus Madrid" und lächelte mit unschuldigen Augen die Weltöffentlichkeit an.

Vorher war der Spanier die Berge so schnell hochgeflogen wie einst sein Name aus der Kundenliste von Dopingarzt Eufemiano Fuentes verschwunden war.

Unmenschliche Werte bei Contador

So hatte die Tour zum vierten Mal in Folge einen Gesamtsieger aus Spanien. Ein Land, dass den Ruf der Doping-Drehscheibe in Europa erlangt hat.

Nicht mal die Wissenschaft hatte eine Erklärung für die Leistungen von Contador. Bei seiner Klettershow in Verbier hätte Contador einen VO2max-Wert (misst die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Blutes) von 99,5 Milliliter pro Minute pro Kilogramm haben müssen - ein Wert, der bei einem Menschen noch nie gemessen wurde.

Der dreimalige Toursieger Greg Lemond äußerte Zweifel an der Sauberkeit des Astana-Profis und erhielt dafür schnell den Ruf des Nestbeschmutzers. "Mit Aussagen der Experten muss man vorsichtig sein", sagte Prudhomme knapp.

Armstrong wieder willkommen

Die Tour hat offensichtlich eine Kurskorrektur vorgenommen. Auch der einst so unbeliebte Armstrong ist wieder herzlich willkommen.

Dass ließ sich der Medienprofi aus Texas nicht zweimal sagen und zog mit einer gigantischen PR-Show ganz Frankreich in seinen Bann. Wo er früher ausgepfiffen und mit "Epo-Lance" beschimpft worden war, gab es diesmal ausnahmslos Jubelstürme.

Texaner zufrieden mit Rang drei

Das Rad der Zeit vermochte aber auch Armstrong nicht zurückdrehen. Der siebenmalige Tour-Champion musste sich mit dem dritten Platz begnügen, womit er immerhin den Rekord von Raymond Poulidor an Podestplätzen in Paris einstellte.

"Für einen alten Veteranen wie mich ist es nicht so schlecht, Dritter hinter diesen jungen Kerlen zu werden. Ich kann nicht klagen", meinte der 37-Jährige.

Den zweiten Platz belegte der Luxemburger Andy Schleck, der Bruder des fünftplatzierten Frank, der bewiesenermaßen Fuentes-Kunde war. Aber wie sagte Contador so schön zum Abschluss: "Über Doping spricht heute keiner mehr."

Hoffnungsträger Tony Martin

Die deutschen Radprofis nahmen im Konzert der Großen nur eine Nebenrolle ein. Das muss aber in Zukunft nicht so bleiben. Insbesondere Tour-Debütant Tony Martin avancierte zum großen Hoffnungsträger.

Zwölf Tage fuhr der 24-Jährige im Weißen Trikot des besten Nachwuchsprofis, ehe in den Alpen der große Einbruch kam. Doch am Mont Ventoux meldete sich Martin eindrucksvoll zurück und verpasste als Zweiter nur um Haaresbreite den ersten deutschen Sieg am Schicksalsberg.

Unfälle und Kinderscherze

"Das war alles wie im Traum. Ich habe mich hier als Radprofi weiterentwickelt", bilanzierte der Columbia-Profi, der sich auch noch über reihenweise Etappensiege seines Teamkollegen Mark Cavendish freuen durfte.

Er werde wiederkommen und irgendwann wolle er unter die besten Zehn, Fünf oder Drei fahren. Für den einzigen deutschen Etappensieg sorgte indes Heinrich Haussler, der aber bald unter australischer Flagge fahren will.

Der Tod einer Zuschauerin auf der Etappe nach Besancon und der Horror-Sturz von Jens Voigt (Jochbeinbruch und Gehirnerschütterung) waren die tragischen Schlagzeilen der 96. Tour. Dagegen fiel der Luftgewehr-Angriff auf Oscar Freire und Julian Dean eher in die Kategorie "schlechter Kinderscherz".

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