Rick Zabel im Interview: "Ich gehe euch nicht am Berg auf die Eier, dann geht mir doch im Sprint nicht auf die Eier"

Von Jan Paul Wiewer
Rick Zabel auf dem Arm von Papa Erik.
© getty
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Hat die neue Generation mit Geoghen Hart, Pogacar und Evenepoel die alte Riege endgültig abgelöst?

Zabel: Auf jeden Fall. Bei den Gesamtsiegen der großen Rundfahrten wird kaum ein Weg an den jungen Fahrern vorbeiführen. Was Remco Evenepoel vor seinem Sturz gezeigt hat? Da saß ich mit offenem Mund da und habe mich gefragt, wie man so viel besser sein kann als die anderen? Mit Tao Geoghen Hart und Tadej Pogacar werden sich sicher interessante Rivalitäten bilden, die werden das Zepter an sich reißen. Doch wenn man jeden Tag so für den Sport lebt wie sie, bezweifle ich, dass man den Sport noch mit 36 gerne ausübt. Wenn ich so leben würde, hätte ich schon nach einem Jahr den Spaß verloren und würde mein Rad an den Nagel hängen. Ich kann mir vorstellen, dass die bis zu fünf Jahren auf einem absoluten Topniveau fahren, aber vielleicht mit Ende 20 durch sind und aufhören. Jemanden wie Valverde, der gefühlt 20 Jahre im Sport vorne dabei ist, wird es nicht mehr geben.

Wer ist denn der coolste Fahrer und der nervigste im Peloton?

Zabel: Da gibt es so viele, in beiden Kategorien. (lacht) Mein absoluter Lieblingsfahrer im Feld und mittlerweile auch mein Teamkollege ist Andre Greipel, weil man sich immer mit ihm unterhalten kann. Andre kann einen auch gut motivieren am Berg, wenn man leidet. Ansonsten fand ich Filippo Pozzato immer sehr cool, aber er hat leider schon aufgehört. Er war ein Fahrer mit Stil, einer, der auch mal auf den Tisch gehauen und gesagt hat, wo es langgeht. Jetzt aktuell ist es vielleicht Jacopo Guarnieri, er ist der Anfahrer von Arnaud Demare, der beim Giro vier Etappen gewonnen hat, ihn bewundere ich. Fahrer, die mich nerven, sind kategorisch alle Bergfahrer, die bei einem Sprintfinale versuchen, vorne in Position zu fahren. Da denke ich mir: Ich gehe euch nicht am Berg auf die Eier, dann geht mir doch im Sprint nicht auf die Eier.

Rick Zabel über das Doping-Image des Radsports

Bei jeder großen Tour schwingt die ganze Zeit die Doping-Thematik mit. Trifft es Sie, dass der Radsport bei vielen deutschen Sportfans immer direkt als Doping-Wettkampf abgestempelt wird?

Zabel: Natürlich trifft es mich. Vor allem, weil ich selber damit nie etwas zu tun hatte. Dann ist es natürlich schade, wenn einem solche Vorwürfe gemacht werden. Auf der anderen Seite ist es die Bürde, die meine Generation und eventuell auch noch die folgende tragen muss. Der Radsport hat sehr viele Fehler gemacht und sich dieses Image zurecht abgeholt. Man kann es den Menschen ja gar nicht übelnehmen, wenn sie skeptisch sind. Mit diesen Menschen den Diskurs suchen und ihnen erklären, wie es heutzutage läuft und mit gutem Beispiel vorangehen - das ist das Einzige, was man machen kann. Es gibt Leute, die ihre festgefahrene Meinung haben, die kann man nicht mehr bekehren. Aber es gibt viele junge Fans, die nicht mehr genau wissen, wer Jan Ulrich ist und neue Stars haben. Da hilft der Spruch: Die Zeit heilt alle Wunden.

Der erst 21-jährige Slowene Tadej Pogacar zerlegte nach drei Wochen Frankreich-Rundfahrt am vorletzten Tag die gesamte Konkurrenz und nahm Primoz Roglic beim entscheidenen Einzelzeitfahren über eine Minute ab.
© imago images
Der erst 21-jährige Slowene Tadej Pogacar zerlegte nach drei Wochen Frankreich-Rundfahrt am vorletzten Tag die gesamte Konkurrenz und nahm Primoz Roglic beim entscheidenen Einzelzeitfahren über eine Minute ab.

Wie könnte man den Radsport denn noch transparenter gestalten?

Zabel: Ganz ehrlich: Der Radsport ist meiner Meinung nach eine Vorzeigesportart geworden. Es gibt keine Sportart, die transparenter ist. Wir veröffentlichen die Watt-Werte, wir haben einen Blutpass und wir haben ein sehr gutes Antidoping-System. Nach den schwarzen Jahren hat der Radsport sehr viel gemacht, um von dem alten Image wegzukommen. Wenn ich mir das jetzt so anschaue, muss ich sagen, dass wir da einen guten Job gemacht haben. Wenn ich daran denke, wie oft ich mich testen lassen muss. Was ich alles angeben muss, damit ich immer erreichbar bin für die Dopingkontrolleure, dann weiß ich nicht, wie viel man da noch besser machen kann. Klar, Menschen sind betrügerisch, man findet vielleicht irgendwie einen Weg, aber was sollen wir noch machen? Rein theoretisch könnte jedem Fahrer ein Chip eingepflanzt werden, damit könnte alles überwacht werden - aber dann bewegen wir uns in eine ganz falsche Richtung.

Hatten Sie angesichts der Karriere Ihres Vaters eigentlich eine Wahl, oder war es klar, dass Sie auch Radsportler werden?

Zabel: Mein Weg war schon früh vorgezeichnet. Während mein Vater unterwegs war, haben wir als Kids häufig Radtouren nach der Schule gemacht zu einer Eisdiele. Da habe ich mit meinen Cousins Radrennen nachgespielt. Ich wollte meistens Mario Cipollini sein und mein Cousin war dann mein Vater und jemand anderes war Erik Decker. (lacht)

Rick Zabel begann seine Karriere beim niederländischen Team Rabobank.
© imago images
Rick Zabel begann seine Karriere beim niederländischen Team Rabobank.

Rick Zabel: "Ich habe die Zügel ein bisschen Schleifen lassen"

Wie schwierig war es in der Folge, als Sohn von Erik Zabel diesen Weg zu gehen?

Zabel: Mein Vater und ich haben mittlerweile ein sehr gutes Verhältnis, aber eine Zeit lang war es etwas schwieriger. Mein Vater war mein größter Supporter, aber auch mein schärfster Kritiker. Ich bin vom Charakter eher der Typ gewesen, der, wenn es gut lief, die Zügel ein bisschen hat schleifen lassen. Und mein Vater ist bekannt dafür, dass er genau das Gegenteil gemacht hat. Er hat von mir erwartet, dass ich immer hart zu mir bin - da sind wir manchmal aneinandergeprallt. Aber bei allen wichtigen Entscheidungen haben wir immer zusammengehalten und dieselbe Meinung vertreten. Insgesamt war es für mich Vor- und Nachteil zugleich. Wenn ich ein Radrennen gewonnen habe, war das Medienecho größer als bei anderen, auf der anderen Seite wollten alle anderen Fahrer auf der Rennstrecke mich natürlich schlagen. Wegen meines Nachnamens. Umso schwerer war es, Rennen in der Nachwuchsklasse zu gewinnen, weil auf mich immer ein bisschen mehr geschaut wurde.

Letzte Frage: Werden Sie in Köln oder allgemein in Deutschland eigentlich auf der Straße erkannt?

Zabel: Wenn ich zehn Leute treffe, werde ich vielleicht einmal erkannt. Und wenn, habe ich immer Glück, dann gibt's einen kurzen lustigen Spruch, wie es hier in Köln üblich ist. Aber ich befinde mich im Radsport natürlich sehr in der Nische. Ich kann mich deutlich freier in der Öffentlichkeit bewegen als Spieler vom 1. FC Köln. Ein gutes Beispiel ist der 11.11., wenn ich da einen über den Durst trinke und noch ein gutes Kostüm anhabe, bekommt das niemand mit. (lacht) Würde das Timo Horn machen, stände das am nächsten Tag sofort in der Klatschpresse.

Rick Zabels Teilnahmen an Rennen

Grand Tours3x Giro, 3x Tour de France
Klassiker4x Paris-Roubaix, 3x Milan-San Remo, 3x Flandern-Rundfahrt,
Andere Rennenu.a. UAE-Tour, Tour of Britain, Tirreno-Adriatico, Cyclassics Hamburg, Eschborn-Frankfurt, Tour of California
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