Hall of Fame: Gäb strikt gegen Aufnahme Schurs

SID
Hans-Wilhelm Gäb strikt gegen Aufnahme Schurs in die Hall of Fame
© getty

Der ehemalige Sporthilfe-Chef und Hall-of-Fame-Mitbegründer Hans-Wilhelm Gäb hat sich strikt gegen eine Aufnahme des DDR-Radsportidols Gustav-Adolf "Täve" Schur in die Ruhmeshalle des deutschen Sports ausgesprochen. "Kein Mensch käme auf die Idee, einen im Sport erfolgreichen Nazi, wenn er auch heute noch die Untaten des Regimes verherrlichte, in die Hall of Fame aufzunehmen. Warum dann Schur, der mit 86 Jahren immer noch als Propagandist einer Diktatur auftritt, die erwiesenermaßen Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat?", schrieb Gäb in einer Stellungnahme für den Sport-Informations-Dienst.

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Der 81-Jährige stellte sich damit gegen die Nominierung Schurs, die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ausgegangen war und auch die Tolerierung der Stiftung Deutsche Sporthilfe fand, die er einst anführte und deren Aufsichtsrats-Ehrenvorsitzender er ist. Die Hall of Fame sieht Gäb grundsätzlich allerdings weiterhin als sinnvolle Einrichtung an.

"Mir und meinen Kollegen ging es 2008 darum, die Erinnerung an große Gestalten des deutschen Sports wachzuhalten - von Rudolf Harbig über Max Schmeling und Gottfried von Cramm bis hin zu Fritz Walter, Rosi Mittermaier oder Steffi Graf", schrieb Gäb. Der ehemalige Tischtennis-Nationalspieler und -Funktionär räumte allerdings ein, dass man der Sporthilfe vorhalten könne, "dass wir vor zehn Jahren die Fülle der mit der Hall of Fame verbundenen Probleme nicht im vollen Umfang erkannt haben".

Diskussionen um Hall of Fame

Gäb zitierte aus einem von ihm verfassten Text aus dem Jahr 2008, mit dem er u. a. die Einrichtung der Hall of Fame so begründet hatte: "Die Stiftung Deutsche Sporthilfe und die von ihr berufene Jury müssen sich bei ihrem Vorhaben unvermeidlich der politischen Geschichte unseres Landes stellen und damit auch der Kritik. Kann es eine Institution geben, welche die Verbindung deutscher Sportler und deutscher Sportführer mit totalitären Systemen gerecht und frei von Kontroversen bewertet?" Gäb führte weiter aus: "Wir glauben daran, dass der Sport für unsere Gesellschaft zu wichtig ist, als dass wir seine großen Protagonisten, ihre Leistungen und ihre Ideen dem Dunkel der Geschichte überlassen sollten."

Von Beginn an hatte es um die Hall of Fame Diskussionen gegeben, die sich nicht nur an der Namensgebung, sondern auch an Mitgliedern entzündeten. Befürworter Schurs etwa verweisen noch heute auf die NSDAP-Vergangenheit von Hall-of-Fame-Mitgliedern wie Josef Neckermann oder Willi Daume - Einwände, die Gäb nicht gelten lässt, weil sich beide Funktionäre "im Gegensatz zu Schur nach dem Krieg durch Worte und Taten von ihrer Vergangenheit distanziert haben".

Schur verharmlost Doping

Schur, dessen erste Nominierung 2011 abgelehnt worden war, hatte in der Vorwoche inmitten der neuesten Aufnahme-Diskussion die Doping-Geschichte der DDR verharmlost. Den DDR-Sport als kriminell zu bezeichnen, sei "völliger Quatsch", sagte er der Zeitung Neues Deutschland. Große Entrüstung rief sein Satz hervor, dass es im Gegensatz zum westdeutschen Sport im Osten keine Dopingtoten gegeben hätte.

Vor allem Ines Geipel, die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfevereins (DOH), oder Hall-of-Fame-Mitglied Henner Misersky, der als Langlauftrainer in der DDR Dopinggaben verweigert hat, hatten die Nominierung Schurs heftig kritisiert. Einige Mitglieder der Hall of Fame erklärten dagegen, für die Aufnahme Schurs gestimmt zu haben, darunter die zweimalige Hochsprung-Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth, München-Doppel-Olympiasiegerin Heide Ecker-Rosendahl und der ehemalige 200-m-Weltrekordler Manfred Germar.

Ilgner sieht von Konsequenzen ab

Der heutige Vorstandsvorsitzende der Sporthilfe, Michael Ilgner, hatte zumindest die jüngsten Aussagen Schurs kritisiert, von Konsequenzen für die laufende Wahl aber abgesehen. Der DOSB, der Schur auf Initiative der ihm angeschlossenen Landessportbünde vorgeschlagen hatte, kritisierte Schurs Aussagen nicht und betonte, dass eine Hall of Fame "auch Widersprüchlichkeiten wie gesellschaftliche Brüche aushalten" müsse.

Derzeit wählen 93 Juroren die neuen Mitglieder der Hall of Fame. Die Aufnahme erfolgt, wenn sich die einfache Mehrheit der Abstimmenden dafür ausspricht.

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