Rad-WM: Kein Publikum, unerträgliche Hitze

SID
Die Rad-WM in Katar leidet unter den erwarteten Problemen
© getty

Die Entscheidung, eine Straßenrad-WM nach Katar zu vergeben, wirkt nach dem ersten Wettkampftag noch absurder als zuvor. Zum einen war die Atmosphäre in Katar nicht WM-würdig. Dazu kam die fast unerträgliche Hitze im Wüstenstaat.

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Nach seinem WM-Titel im Mannschaftszeitfahren rümpfte Tony Martin die Nase. "Wir mussten davon ausgehen, aber es ist natürlich schade, oben auf dem Podium zu stehen und es sind mehr Reporter als Fans um einen herum", sagte der 31-Jährige über die in jeder Hinsicht unwürdige Atmosphäre zum Auftakt der Straßenrad-Weltmeisterschaften im Wüstenstaat Katar.

Die fehlenden Zuschauer waren das eine Übel, das andere die fast unerträgliche Hitze, die bereits zu einem heftigen Unfall führte - mit glücklicherweise relativ glimpflichem Ausgang. Die Niederländerin Anouska Koster fuhr, durch einen Hitzeschlag bedingt, auf fast gerader Strecke in die Barrieren und überschlug sich. Stark blutende Wunden und Prellungen im Gesicht trug sie davon.

Etwa 38 Grad Celsius zeigte das Thermometer, als die Frauen am Sonntag noch in der Mittagshitze ihr Teamzeitfahren absolvierten. Trixi Worrack, die mit ihrer Equipe Canyon-SRAM Rang zwei belegte, fand die Bedingungen "echt hart. Wir haben bis drei Minuten vor dem Start eine Eisweste angehabt, um uns runterzukühlen", sagte sie und sprach von einer Körpertemperatur von bis zu 41 Grad während des Rennens, die ein Messgerät anzeigte: "Das ist schon eine harte Nummer."

Sportler am Rande der Gesundheitsgefährdung

Die Sportler bewegen sich offensichtlich am Rande der Gesundheitsgefährdung, trotz frühzeitiger Anreise und verschiedener Maßnahmen zur Hitzeanpassung. Auch die Männer zollten entsprechend Tribut, obwohl sie am Sonntagnachmittag einen Tick weniger unter den Bedingungen zu leiden hatten als die Frauen. "Wir hatten Start gegen 16 Uhr Ortszeit, das war machbar", sagte Marcel Kittel zwar, der an der Seite von Martin mit Etixx-Quick Step siegte. Aber Martin fügte dann doch hinzu: "Nach 15 Minuten ist der Motor bei allen heißgelaufen, ab da war es eine einzige Quälerei. Es war unglaublich heiß."

Radsport und Hitze, das ist an sich nicht ungewöhnlich. Doch Radsport und Wüste, das passt eigentlich kaum zusammen. Der Weltverband UCI hat zur ersten WM im Nahen Osten, die 2012 noch unter dem skandalumtosten Pat McQuaid vergeben wurde, eine 28-seitige Broschüre mit dem Titel "Beat the heat" - "Besiege die Hitze" verfasst. Ein vierköpfiges Medizinergremium beobachtet täglich die Gegebenheiten und spricht Empfehlungen aus. In Abstimmung auch mit der Fahrergewerkschaft könnte dann etwa im Extremfall das Straßenrennen am 16. Oktober um 150 Kilometer und damit um die lange Passage durch die Wüste verkürzt werden.

Geld spielt keine Rolle

Mindestens grenzwertige Verhältnisse, nahezu kein Publikum: Es wird interessant sein, zu beobachten, wie die Katarer nun reagieren. Auf dem Weg zur Sport-Großmacht will sich das Emirat nach wie vor empfehlen. Katar richtet 2019 die Leichtathletik-WM aus und nicht zuletzt die Fußball-WM 2022. Die große Vision sind die Olympischen Sommerspiele. Geld spielt dabei keine Rolle.

Bei der Handball-WM 2015 etwa wurden Soldaten in die spärlich gefüllten Hallen gesetzt, um Plätze zu füllen. Fans, die damals die katarische Multi-Kulti-Truppe unterstützen sollten, wurden kurzerhand eingekauft. "Vielleicht kommen am nächsten Sonntag zum Straßenrennen noch Fans eingeflogen", sagte Tony Martin. Er meinte allerdings echte Anhänger, keine Claqueure.

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