Degenkolb verpasst WM-Gold

SID
John Degenkolb fuhr am Podium vorbei
© getty

Kein historischer WM-Coup für John Degenkolb: Auch 49 Jahre nach Rudi Altigs Triumph am Nürburgring muss der deutsche Radsport auf einen neuen Straßenweltmeister warten. Degenkolb konnte im Straßenrennen zum Abschluss der Titelkämpfe im amerikanischen Richmond/Virginia nach 261,4 km und 6:14:37 Stunden die deutsche Durststrecke nicht beenden und fuhr am Podest vorbei.

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Mit dem WM-Gold hätte der Wahl-Frankfurter eine grandiose Saison gekrönt, nachdem er im Frühjahr bereits die Klassiker Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix gewonnen hatte. Aber im WM-Finale reichten seine Kräfte nicht, und er kam nur auf Rang 29. Gold ging an den Slowaken Peter Sagan, der seinen Angriff besser timte als Degenkolb und seine ganze Cleverness ausspielte.

Degenkolb war in der Schlussrunde am Libby Hill eine Attacke des Tschechen Zdenek Stybar mitgegangen und schien in einer perfekten Position zu sein. Doch die Verfolger schlossen wieder auf und als auch Sagan an der giftigen 23rd Street beschleunigte, konnte der deutsche Kapitän das Hinterrad nicht halten. Auch der Kampf um Silber und Bronze, die an Michael Matthews (Australien) und Ramunas Navardauskas (Litauen) gingen, fand ohne den entkräfteten Degenkolb statt.

Drei giftige Steigungen

Maßgeblich auf dem klassikerähnlichen Kurs war die Position an den Schlüsselstellen, gerade an den Pflasterpassagen, wie dem von Tausenden Radsport-Fans aus aller Welt gesäumten Libby Hill. Zumal das Tempo schon weit vor dem Finale verschärft wurde und an den insgesamt drei giftigen Steigungen am Ende des Rundkurses taktische Fehler nur noch schwerlich zu korrigieren waren. Deshalb war Degenkolb dort oft an der Spitze auszumachen und wollte jederzeit sein Glück in den eigenen Händen halten.

Einige Mannschaften hatten während der 261,4 km erwartungsgemäß kein Interesse, die deutschen Tatkik zu unterstützen. So legten die Niederländer von Beginn an einen relativ hohen Rhythmus vor, um die Konkurrenz zu schwächen. Auf eine Attacke lauerten auch Titelverteidiger Michal Kwiatkowski aus Polen und die starken Belgier. Die Auswahl des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) war aber zunächst wachsam, doch die Energie schwand.

Degenkolb mit Selbstvertrauen

Vor allem durch seine Triumphe in der "Hölle des Nordens" und in Sanremo hatte sich Degenkolb zu einem der großen Favoriten aufgeschwungen - und sein Formaufbau hin zum letzten Saisonhöhepunkt passte auch. Mit einem Sieg auf der letzten Etappe der Vuelta in Spanien tankte er vor 14 Tagen noch einmal Selbstvertrauen. Das hatte Andre Greipel auch. Im besten Jahr seiner Karriere ordnete sich der Rostocker aber unter und verzichtete auf seine Chance.

Plan A mit Degenkolb sollte aufgehen. Er sollte bis ins Finale hinein geschützt werden. Unter anderem hatten Tony Martin, der nach seinem Zeitfahr-Desaster eine starke Leistung zeigte, und Simon Geschke, Tour-Etappensieger in den Alpen, alles dafür getan.

Das BDR-Team wollte keinesfalls unnötig taktieren, sondern auf Angriff fahren. "Ich versuche, 'All in' zu gehen. Ich brauche keine Körner zu sparen oder auf irgendwas zu warten. Ich darf keine Angst davor haben, zu verlieren", hatte Degenkolb dem SID gesagt. Das Regenbogentrikot hatte der Wahl-Frankfurter als "einen Lebenstraum, einen Kindheitstraum" bezeichnet. Auf den muss er nun weiter warten.

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