Giro 2011: Doping-Farce mit Ansage

SID
Trotz laufendem Dopingverfahren will Favorit Alberto Contador beim Giro d'Italia starten
© Getty

Am 7. Mai beginnt der Giro d'Italia in Turin, aber die Veranstaltung hat schon im Vorfeld mit Negativschlagzeilen zu kämpfen. Hauptgrund ist der Start von Alberto Contador, gegen den weiterhin ein Doping-Verfahren läuft.

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Top-Favorit Alberto Contador fährt auf Abruf, zahlreiche einheimische Stars sind suspendiert - doch Angelo Zomegnan hat die Scheuklappen aufgesetzt. Der Direktor des Giro d'Italia übt sich vor seinem am Samstag in Turin beginnenden Radrennen darin, die drohende Doping-Farce zu ignorieren. Dabei berichtet sogar das Hausblatt des Giro, die "Gazzetta dello Sport", seit Tagen vorrangig von Ermittlungen, Abhörprotokollen und Transfusionen.

Zomegnan beharrt dennoch darauf, alles für ein sauberes Rennen getan zu haben. Einzelfälle kann er aber nicht ausschließen, wie er in blumigen Worten erklärt: "Die Mutter eines Idioten ist immer schwanger." Soll heißen: Wer will, findet stets einen Weg.

Verärgert über Start von Contador

Den Weg zur 94. Italien-Rundfahrt hat auch Alberto Contador gefunden. Der Doping-Fall des Tour-Siegers liegt nach dem Freispruch durch den spanischen Radsport-Verband derzeit beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne und soll erst Ende Juni entschieden werden. Zumindest damit ist Zomegnan nicht glücklich. "Das Justizsystem des Sports arbeitet langsamer als erhofft", sagt der frühere Journalist. "Etwas stimmt dort nicht, denn unser Rennen hat es nicht beschützt."

Der eigene Verband hat Contador geglaubt, dass die Spuren des muskelbildenden Mittels Clenbuterol in seinem Körper von einem verseuchtem Kalbsfilet aus dem Baskenland stammen, also darf er vorerst fahren. Wilhelm Schänzer und sein Team vom Kölner Doping-Labor hatten Contador überführt. Schänzer darf sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht konkret zu dem Fall äußern, sagt jedoch: "Wir haben die Verbände darauf hingewiesen, dass wir in Europa kein Clenbuterol-Problem haben wie zum Beispiel in China."

Die Vorwürfe von Contadors Seite, dass die gefundenen Mengen viel zu gering seien, um eine Wirkung zu erzielen, weist Schänzer zurück. "Wir müssen empfindliche Verfahren anwenden, da Clenbuterol auch nur in geringen Mengen zum Doping genutzt wird", sagt der Biochemiker.

Stars Ballan und Bruseghin erhalten Startverbot

Sollte Contador den Jubiläums-Giro zum 150. Jahrestag der Einheit Italiens tatsächlich gewinnen, müsste die Siegerliste bei einem Schuldspruch des CAS vier Wochen nach dem Rennen wieder umgeschrieben werden.

"Dann wären wir ja in guter Gesellschaft", meint Zomegnan sarkastisch und verweist auf die Tour de France. Seinen Sieg im vergangenen Jahr bei dem bedeutendsten Rennen der Welt würde der am zweiten Ruhetag positiv getestete Contador wie alle Ergebnisse seitdem verlieren.

Doch bevor Zomegnan in die Verlegenheit kommt, einen neuen Sieger zu ernennen, hat er bereits mit der Startliste zu kämpfen. Vor allem durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mantua gegen 32 Fahrer und andere angestellte der Lampre-Mannschaft von 2009 musste die Liste mehrmals aktualisiert werden.

Als prominenteste Fahrer wurden Ex-Weltmeister Alessandro Ballan und Marzio Bruseghin, Dritter des Giro 2008, von ihren heutigen Teams suspendiert. Beide Profis müssen sich neben etlichen anderen am zwölften Mai vor einem Richter verantworten.

Angebliche Ferrari-Klienten

Ganz so weit sind die Ermittler in Padua noch nicht, die das Netzwerk des in Italien gesperrten Arztes Michele Ferrari untersuchen. Zu seinen Kunden soll allerdings Michele Scarponi gehören, neben dem Sizilianer Vincenzo Nibali und Contador der dritte Sieganwärter. Auch der amtierende Landesmeister Giovanni Visconti soll ein Klient Ferraris sein. Ausgerechnet Visconti startet mit der Jubiläumsnummer 150.

Unbeeindruckt von allen Schlagzeilen preist Zomegnan den Giro an. Es sei die schwerste und spektakulärste Auflage aller Zeiten. Nach dem Mannschaftszeitfahren in Turin geht die Reise in den Süden bis auf den Ätna. Bei gleich sieben Bergankünften sowie einem Einzel- und einem Bergzeitfahren soll der beste Kletterer der Welt bis zum 29. Mai ermittelt werden.

Und selbst wenn am Ende Alberto Contador siegt und sich nur vier Wochen mit dem Titel schmücken darf, den Organisatoren des Giro dürfte das keine Kopfschmerzen bereiten. Schließlich findet sich auf dem Podium der vergangenen zehn Jahre immer mindestens ein Fahrer, der später den Dopingfahndern ins Netz ging.

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