Gerdemann: "Bin gut im Soll"

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Linus Gerdemann fühlt sich für die Tour de France bereit
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Im Interview bestätigt Milram-Radprofi Linus Gerdemann seine gute Form im Hinblick auf die Tour de France: "Ich bin gut im Soll."

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Linus Gerdemann gehört zu den deutschen Hoffnungsträgern bei der diesjährigen Tour de France. Im Interview spricht der Radprofi vom Team Milram über seine Form, das Comeback von Lance Armstrong und das beherrschende Thema Doping.

Frage: "Linus Gerdemann, Sie gehören zu den deutschen Hoffnungen für die Tour de France. Wie sind Sie bislang durch die Saison gekommen?"

Linus Gerdemann: "Ich bin gut im Soll. Meine Form bei Tirreno-Adriatico war schon ansprechend, danach habe ich mehr trainiert. Auch die Baskenland-Rundfahrt bin ich eher zum Trainieren gefahren. Da war das Amstel Gold Race die erste Standortbestimmung. Ich muss sagen: Meine Formkurve ist ansteigend. Jetzt stehen in den nächsten Wochen die Kletterpartien auf dem Programm. Die Form kommt dann automatisch mit den Rennen."

Frage: "Zuletzt war von Rückenproblemen die Rede. Wie ist der Stand der Dinge?"

Gerdemann: "Ein bisschen zwickt der Rücken noch, aber vom Training her hat es mich weniger beeinflusst."

Frage: "Sie sind wie 13 weitere Fahrer neu zum Team Milram gekommen. Hat sich die Mannschaft schon gefunden?"

Gerdemann: "Von der Stimmung, aber auch von der sportlichen Leistung her bin ich sehr angetan. In den Rennen, in denen ich dabei war, waren wir sehr stark. Viele wie Johannes Fröhlinger haben mich positiv überrascht. Natürlich hat der ein oder andere Sieg gefehlt. Wenn wir aber weiter so auftreten, wird das automatisch kommen."

Frage: "Ihr großes Ziel ist die Tour. Was ist dort möglich?"

Gerdemann: "Ich muss realistisch sein und kann nicht sagen, dass ich mit um den Toursieg fahre. Ich muss erstmal die individuelle Stärke haben, um bei den Favoriten mitfahren zu können. Dafür werde ich mich so gewissenhaft wie möglich vorbereiten."

Frage: "Beherrschendes Thema im Radsport war das Comeback von Lance Armstrong. Wie bewerten Sie seine Rückkehr?"

Gerdemann: "Vor seinem Sturz hat er sich auf den Giro vorbereitet. Deshalb ist ein Urteil über seine Leistungsfähigkeit schwer. Mit absoluten Top-Leistungen ist er bisher nicht in Erscheinung getreten. Ob seine Rückkehr positiv oder negativ ist, kann ich nicht beurteilen. Armstrong ist jedenfalls ein Publikumsmagnet. Wo er war, waren viele Menschenmassen. Positiv ist es insofern, dass dem Radsport mehr Beachtung geschenkt wird. Ich fokussiere mich aber nicht auf Armstrong. Es bringt mir nichts, wenn ich vor Armstrong ins Ziel komme und nur 19. oder 20. werde."

Frage: "Der Radsport hat eine schwere Zeit mit vielen Dopingfällen hinter sich. Hat sich die Situation inzwischen gebessert?"

Gerdemann: "Das ist schwer zu sagen. Man guckt den Fahrern ja nur vor den Kopf. Ich denke aber, dass im Radsport die Doping-Problematik wie in keiner anderen Sportart erkannt worden ist und aktiv was dagegen getan wird. Wir unterwerfen uns allen möglichen Abmeldesystemen, die immer mehr in die richtige Richtung gehen. Es gibt keine andere Sportart, die so bewusst dagegen vorgegangen ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich vieles zum Positiven gewandelt hat, aber dass hätte ich auch schon vor einem Jahr gesagt. Es kann immer wieder negative Überraschungen geben. Es ist aber falsch, nur eine Sportart als schwarzes Schaf hinzustellen. Damit will ich nicht behaupten, dass der Radsport kein Dopingproblem hat, aber es gibt viele Sportarten, die dieses haben."

Frage: "Wie bewerten Sie die Tatsache, dass der Fußball diesbezüglich für sich einen Sonderstatus erreicht hat?"

Gerdemann: "Viele Sportarten würden gut daran tun, die Doping-Problematik ernst zu nehmen und in jeder Phase der Saison für eine größtmögliche Kontrolle zu sorgen. Es gibt Sportarten, die mehr oder weniger ein Doping-Problem haben. Freisprechen sollte sich davon aber keine Sportart."

Frage: "Können Sie die Einwände der Fußballer mit Verweis auf den Eingriff in die Privatsphäre denn nachvollziehen?"

Gerdemann: "Ich bin kein Fußballer und kann nur für mich sprechen. Fakt ist aber, dass es kaum Sportler gibt, die soviel kontrolliert werden und soviel unterwegs sind wie Radfahrer. Ein Fußballer ist die ganze Woche in einer Stadt, hat mal ein Auswärtsspiel oder ist maximal mit dem Team im Trainingslager. Ich reise wesentlich mehr und auch spontaner. Letztendlich ist das aber nicht meine Baustelle. Ich bin froh, dass im Radsport soviel kontrolliert wird. Für mich ist es das Wichtigste, dass ich weiß, dass die Fahrer, mit denen ich Rennen bestreite, auch genauso stark kontrolliert werden."

Frage: "Mountainbike-Olympiasiegerin Sabine Spitz hat jüngst die Handy-Ortung angeregt. Was halten Sie davon?"

Gerdemann: "Prinzipiell ist das keine schlechte Sache, da das Abmeldesystem teilweise sehr kompliziert ist. Ich will es aber nicht vollkommen befürworten, da es ein sehr starker Eingriff in die Privatsphäre ist. Es wäre zu überlegen, ob man dies ein paar Stunden am Tag macht. Auf freiwilliger Basis wäre es in Ordnung. Je mehr Transparenz reinkommt, desto besser."

Frage: "Wie sehr schränkt Sie denn das Whereabout-Abmeldesystem ein?"

Gerdemann: "Ich lebe immer mit der Minimal-Angst, mir einen Missed Test einzuhandeln. Es gibt beispielsweise diesen One-Hour-Stopp, wo man für eine Stunde an einem Ort anzutreffen sein muss. Verpasst du da die Klingel, weil du gerade im zweiten Stock laut Musik hörst, wartet viel Schreibkram auf dich."

Frage: "Wie sieht Ihr Programm bis zum Tourstart aus?"

Gerdemann: "Am Wochenende bin ich in Lüttich am Start, dann am 1. Mai in Frankfurt. Das ist ein extrem wichtiges Rennen für uns. Dort wollen wir uns stark präsentieren und möglichst auch gewinnen. Anschließend werde ich längere Trainingswochen einlegen und ein paar Tour-Etappen abfahren. Im Mai geht es weiter mit der Bayern-Rundfahrt. Unklar ist noch, ob ich die Tour de Suisse oder die Dauphine Libere als Generalprobe fahre."

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