Brioni - Hans im Glück

Von Rennbahnspion
Brioni war einmal mehr der stärkste Deutsche
© oneXtwo

Alfred Hitchcock hätte das Drehbuch für den Elitloppet 2011 nicht spannender schreiben können. Was war das denn für ein verrücktes Rennen in Stockholm? Noch dazu mit einem deutschen Sieger. Doch bis der feststand, mussten Besitzer, Trainer, Fahrer und der mitgereiste Anhang von Brioni durch ein Wellental der Gefühle. Binnen weniger Stunden erlebten sie die bitterste Niederlage und den größten Erfolg.

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Dafür setzte das Brioni-Team sogar ein ungeschriebenes Gesetz außer Kraft, nach dem man das Glück nicht herausfordern soll. Doch Brioni und sein schwedischer Betreuer und Pilot Joakim Lövgren hatten an diesem Nachmittag mit Fortuna einen Pakt geschlossen. Gleich drei Mal musste die Glücksgöttin eingreifen, bevor der Triumph im 650.000 Euro-Spektakel perfekt war.

Im Vorlauf belegte Brioni nach einem kapitalen Taktikfehler seines Fahrers Rang fünf und war damit de facto ausgeschieden. Erst eine - allerdings unumstrittene Entscheidung - der Rennleitung, die den Vierteingekommenen nachträglich disqualifizierte, hievte Brioni als Unbeteiligten doch noch ins Finale. Glück gehabt - Teil 1.

Schlechte Startnummer im Finale

Im Endlauf der Sprinter-Weltmeisterschaft, wie der Elitloppet auch genannt wird, galt Brioni, ursprünglich einer der großen Favoriten des Rennens, nur noch als Außenseiter (Quote 27/1), zumal er als Vorlauf-Vierter mit einer der schlechten Startnummern vorliebnehmen musste. Die Wetter gingen mehrheitlich mit dem Franzosen Rapide Lebel (Quote 2,1).

Ihm machte jedoch das dünne Nervenkostüm einen Strich durch die Rechnung. Einige Galoppsprünge zu Beginn kosteten Rapide Lebell wertvollen, wie sich später herausstellen sollten, sogar entscheidenden Boden. Glück gehabt - Teil 2.

Auch Brioni fand vom äußersten Startplatz naturgemäß nicht sonderlich gut in die Partie. Joakim Lövgren, der im Vorlauf noch voll auf die Karte Angriff gesetzt hatte, versteckte sich am Ende des Feldes. Dort lag Brioni auch noch 300 Meter vor dem Ziel, als vorne längst der Kampf um Sieg und Plätze entbrannt war.

Rapide Lebel vorn

Den besten Eindruck machte Rapide Lebel, der sich nach seinem Fauxpas am Start zurückgekämpft hatte und jetzt sogar die Spitze übernahm. Dessen Fahrer Eric Raffin wollte sich gerade für die Zielfotografen in Pose rücken, als weit außen plötzlich Brioni wie aus dem Nichts heran flog.

Der dunkle Hengst mit der großen Blesse machte Zentimeter um Zentimeter gut - und schließlich das Unmögliche wahr. Auf dem Zielstrich steckte der Deutsche die Nase an Rapide Lebel vorbei in Front - die Sensation war perfekt.

Dass Joakim Lövgren im goldrichtigen Moment frei Fahrt hatte, verdankte er seinem schwedische Kollegen Torbjörn Jansson, der den Widerstand mit der müden Lisa America eingangs der Zielgeraden aufgab und Lövgren mit Brioni fahren ließ.

Fortuna auf Brionis Seite

Glück gehabt - Teil 3. Hätte die Rennleitung nicht..., wäre Rapide Lebel nicht..., hätte Torbjörn Jansson nicht... darüber sprach schon bald niemand mehr. Brioni hatte sich das Glück erarbeitet, sagt ein anderes ungeschriebenes Gesetz.

Die 20.000 Zuschauer auf der Bahn waren völlig aus dem Häuschen, sie betrachteten Brioni, der im Süden Schwedens trainiert wird, auch als einen der ihren. Bei der Siegerehrung erklang jedoch die deutsche Hymne, erstmals seit fast 20 Jahren wieder. Sea Cove war 1993 der letzte Elitloppet-Sieger in deutschem Besitz. Einen Gewinner für die deutsche Traberzucht gab es fünf Jahrzehnte lang nicht mehr.

Brionis Sieg im Eltiloppet - eine besondere Geschichte, die mit all ihren Randaspekten so viel hergegeben hätte. Im deutschen Blätterwald herrschte jedoch wieder einmal das große Schweigen, von TV- und Radiosendern ganz zu schweigen. Die meisten Tageszeitungen widmeten Brioni allenfalls einen Dreizeiler.

Randsportart Trabrennen

Den Medien dafür die Schuld zu geben, wäre allerdings nicht gerechtfertigt. Der Trabrennsport bewegt sich in Deutschland mittlerweile am Rand der Randsportarten. Kein Sportredakteur macht sich die Mühe, große Erfolge deutscher Traber im Ausland zu recherchieren, schon gar nicht am Sonntagnachmittag, wenn früher Redaktionsschluss herrscht und tausend andere Sportergebnisse über den Ticker laufen.

Für eine bedeutungslose Sportart läuft der Hase andersherum. Man muss die Medien füttern, mit honorarfreien Texten und Fotos, regelmäßig, zuverlässig, und - ganz wichtig - den persönlichen Kontakt suchen und pflegen.

Doch wer könnte das tun? Wäre das nicht eine schöne Aufgabe für den Zentralvermarkter des deutschen Trabrennsports? Ach ja, die in Hamburg ansässige Firma gehört übrigens Günter Herz, dem Besitzer von Brioni. Seltsam, das.

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