"Hard to beat, and harder to ignore"

SID
Zenyatta und Jockey Mike Smith wurden beim Breeder's Cup Classic 2010 knapp von Blame besiegt
© Getty

Zenyatta war jahrelang der Star des amerikanischen Galoppsports. Ausgerechnet in ihrem letzten Rennen kassierte die Stute ihre erste Pleite. Doch sie gewann unzählige neue Fans. Das Porträt eines außergewöhnlichen Pferdes.

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"Hard to beat, and harder to ignore" - so überschrieb die "New York Times" im November 2010 eine große Story, die sie der amerikanischen Ausnahmestute Zenyatta widmete. Das war am Tag vor dem Breeder's Cup Classic, mit dem das vierbeinige Wunder seine aktive Laufbahn krönen und gleichzeitig beenden sollte.

Bei keinem ihrer 19 Starts hatte Zenyatta verloren, hatte alles abgeräumt, was abzuräumen war und bereits rund sieben Millionen Dollar verdient.

150.000 Fans pilgerten auf die Rennbahn von Churchill Downs in Louisville, der größten Stadt des Bundesstaates Kentucky.

Millionen von Menschen saßen weltweit gebannt vor ihren Bildschirmen, alle wollten dabei sein bei diesem magischen Moment, diesem historischen Ereignis, wenn "ihre" Zenyatta den 20. Sieg feiert, den 18. in einem Grupperennen, den 14. auf Gruppe-I-Ebene, vergleichbar mit der Champions League im Fußball.

Blame zerstört das Happy End

Doch Zenyatta hielt sich nicht an das Drehbuch, sondern zeigte, dass auch sie nur ein Lebewesen ist und keine Maschine, die sich nach Belieben auf Erfolg programmieren lässt. Ihre vielleicht einzige Schwäche in all den Jahren wurde ihr ausgerechnet beim großen Finale zum Verhängnis: ihre Schlafmützigkeit am Start.

Bei fast jedem ihrer Auftritte sprang sie als Letzte aus der Startmaschine, als wolle sie ihren Gegnern ein bisschen Vorsprung gönnen. Jedes Mal aber holte Zenyatta auf, schluckte einen Konkurrenten nach dem anderen - und hatte am Ende doch wieder die Nase vorn.

Das gewohnte Bild im Breeder's Cup Classic, dem mit fünf Millionen Dollar Dotation wertvollsten Rennen Amerikas: Zenyatta ging als letztes Pferd auf die Reise, lag zunächst sogar einige Längen hinter dem Feld, das vom starken Hengst Blame angeführt wurde.

Wieder machte sich die Wunderstute auf die spektakuläre Aufholjagd und zog an allen vorbei - mit einer Ausnahme. Der zwei Jahre jüngere Blame war zu stark und vor allem am Start zu weit enteilt. Blame stürmte mit weniger als einer Kopflänge Vorsprung als Erster über die Ziellinie. Nur wenige Meter weiter hätte Zenyatta, die kämpfte wie eine Löwin, auch ihn erwischt und die bittere Niederlage verhindert.

Pferdesport-Banausen verneigen sich vor Zenyatta

So aber flossen Tränen. Nicht nur bei Trainer John Shirreffs und Jockey Mike Smith, dem kongenialen Partner von Zenyatta, der die Niederlage sofort auf seine Kappe nahm.

Tränen flossen auf der ganzen Welt bei den zahllosen Zenyatta-Fans. Weniger Tränen der Enttäuschung, denn die Stute hatte wie immer alles gegeben. Es waren eher Tränen der Fassungslosigkeit ob der knappen und tragischen Niederlage. Es war etwas passiert, was man nicht für möglich gehalten, nicht einkalkuliert hatte: Zenyatta hatte verloren.

Trotzdem sprach J.A. Adande, Basketball-Experte bei "ESPN", anschließend von einem der besten Sportevents, die er je live gesehen habe. Michael Wilbon, ebenfalls "ESPN", äußert sich für gewöhnlich sehr kritisch über den Pferdesport. In seiner Talksendung "Pardon The Interruption" gab er diesmal zu, dass der Breeder's Cup Classic dank Zenyatta "eine unglaublich tolle Veranstaltung" gewesen sei.

Platz zwei bei der Wahl zur "Female Athlete of the Year"

Obwohl es ihr definitiv letztes Rennen war, erhielt Zenyatta schließlich doch noch Gelegenheit zur Revanche an ihrem einzigen Bezwinger, und die nutzte sie im Stile eines wahren Champions: Bei der Wahl zu "Amerikas Pferd des Jahres 2010" setzte sich Zenyatta unlängst mit 128 zu 102 Stimmen klar gegen Blame durch.

Zudem belegte sie bei der von "Associated Press" durchgeführten Wahl zum "Female Athlete of the Year" hinter Ski-Star Lindsey Vonn Platz zwei. Und landete damit noch vor College-Basketball-Star Maya Moore und Tennis-Ikone Serena Williams. Das gleiche Kunststück war ihr schon 2009 gelungen.

Noch vor Jahresende hatte Zenyatta ihr neues Quartier bezogen: eine große, helle, natürlich rund um die Uhr bewachte Boxe auf der Lane's End Farm in Versailles im Pferdestaat Kentucky, der übrigens den Beinamen "Bluegrass State" trägt. Der Spitzname zielt auf die von März bis April blaugrün blühenden Grasweiden ab.

Im Frühjahr wird Zenyatta erstmals gedeckt. Die Wahl fiel auf Bernardini, den neben zahlreichen Siegen in großen Rennen auch eine Niederlage mit Zenyatta verbindet. Er verlor den Breeder's Cup Classic 2006 gegen Invasor.

Wert der Zenyatta-Nachkommen kaum zu ermessen

Der Wert der Zenyatta-Nachkommen ist kaum zu ermessen. Der Hengst Talking Horse, der der gleichen Großmutter wie Zenyatta entstammt, wechselte auf der Keeneland-Jährlingsauktion 2010 für die Kleinigkeit von 4,2 Mio. Dollar den Besitzer.

Zenyatta selbst kostete übrigens nur 60.000 Dollar. Sie litt in jungen Jahren unter einer Scherpilzflechte und war auch wegen ihrer enormen Größe (183 cm Stockmaß) keine besonders attraktive Erscheinung.

Jerry Moss hatte Erbarmen mit dem "hässlichen Entlein" - und wurde mit 7.304.580 Dollar belohnt, die Zenyatta im Rennstall verdiente.

Unter dem Label des erfolgreichen Musikproduzenten erschien 1980 das The-Police-Album "Zenyatta Mondatta". 24 Jahre später kramte Moss diesen Namen für eine schnelle Stute wieder hervor. Über beide wird man auch in vielen Jahren noch voller Ehrfurcht sprechen.

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