"Keine Reifendominanz wie in der F1"

Jens Marquardt verteidigte in diesem Jahr mit BMW den Titel bei den Herstellern
© bmw

Die DTM-Saison 2013 wurde für BMW das erwartet schwierige zweite Jahr. Trotzdem zeigt sich Jens Marquardt im Rückblick zufrieden. Im Interview spricht der Motorsportdirektor der Münchner über das DRS, die Options-Reifen und eine Wundertüte für das kommende Jahr. Kritik gibt's für den TV-Partner.

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SPOX: Herr Marquardt, die DTM-Saison 2013 ist seit mehr als zwei Wochen Geschichte. Mit etwas Abstand: Wie fällt Ihr Fazit aus BMW-Sicht aus?

Jens Marquardt: Nach den drei Titeln in unserem Comeback-Jahr war es klar, dass die zweite Saison schwer werden würde. Wir konnten den Erfolg von 2012 ja auf keinen Fall mehr toppen. Trotzdem haben wir die Ziele, die ich mir persönlich gesetzt habe, erreicht. Und mit der Titelverteidigung bei den Herstellern sind wir auch nicht ganz leer ausgegangen.

SPOX: Was waren die größten Schwierigkeiten im zweiten Jahr?

Marquardt: Es war für uns alle eine neue Situation. Wir sind als Champion in die Saison gegangen. Wir waren die Gejagten. Zudem sind wir mit einem neuen Team und damit zwei weiteren Autos an den Start gegangen. Das musste sich alles erst mal einspielen. Ganz zu schweigen von den technischen Neuerungen wie DRS und Options-Reifen. Aber man hat gesehen, dass wir nach einer Schwächephase in der Mitte der Saison gegen Ende wieder angezogen haben. Das stimmt mich optimistisch für die Zukunft.

SPOX: Beim letzten Rennen in Hockenheim war es ausgerechnet Timo Glock, der mit seinem ersten Sieg für einen versöhnlichen Saisonabschluss sorgte.

Marquardt: Das hat mich ungemein gefreut. Mit diesem Ausrufezeichen hat Timo bewiesen, dass er in die DTM gehört. Dass er in seinem ersten Jahr auch Probleme haben wird, war jedem bereits im Vorfeld klar. Gerade wenn auch das Team zu kämpfen hat. Außerdem hatte er im Vergleich mit anderen ehemaligen Formel-1-Fahrern, die in die DTM gewechselt sind, weniger Tests und kein Training am Freitag. Allein deswegen muss man Timos erste Saison höher ansiedeln.

SPOX: Der Pechvogel bei BMW war Martin Tomczyk, der ein Jahr zum Vergessen erlebte. Wie häufig mussten Sie ihn aufmuntern?

Marquardt: Ach, Martin ist nicht der Typ, der den Kopf in den Sand steckt. Es war kein einfaches Jahr für ihn, das stimmt allerdings. Es kam alles zusammen. Das beste Beispiel war das Wochenende in Brands Hatch. Er fährt alles in Grund und Boden, und dann schaffen wir es nicht, sein Auto im richtigen Gewicht zu halten. Da zweifelt man natürlich an allem. Aber er hat nie aufgegeben, das rechne ich ihm hoch an.

SPOX: Sie haben die technischen Erneuerungen wie das DRS und die Options-Reifen angesprochen. Wurde die DTM dadurch attraktiver?

Marquardt: Ich ziehe grundsätzlich ein positives Fazit. Wir haben so viele Überholmanöver auf der Strecke gesehen wie seit langer Zeit nicht mehr. Trotzdem war es nicht wie in der Formel 1, in der das Überholen durch das DRS mittlerweile mehr ein Vorbeiwinken ist. Bei uns kommt es immer noch auf den besseren Racer an. Trotzdem hat im Gesamtbild natürlich nicht alles hundertprozentig zusammengepasst. Es gibt ein paar offene Fragen: Warum macht man das DRS-Fenster drei Runden vor dem Ende zu? Wie gehen wir mit dem Thema blaue Flaggen um? Trotzdem hat die DTM ihren Status als beste Tourenwagenserie der Welt gefestigt.

SPOX: Gerade an den Reifen gab es trotzdem Kritik. Es wurden Stimmen laut, dass die Reifen einen zu großen Einfluss nehmen würden.

Marquardt: Das sehe ich nicht so. Wir hatten keine Reifendominanz wie in der Formel 1. Das soll kein Vorwurf an Pirelli sein, aber das sind natürlich die Geister, die man rief. Bei uns steht der Fahrer im Vordergrund. Er entscheidet mit seinem Fahrstil, wie schnell der Options-Reifen abbaut. Das haben vor allem Mike Rockenfeller und Mattias Ekström ziemlich perfekt gezeigt, das gebe ich selbst als Konkurrent zu. Das Problem war eher, dass wir es mit der "ARD" nicht geschafft haben, das Geschehen besser zu transportieren. Der Zuschauer konnte nicht nachvollziehen, warum der eine Fahrer auf einmal so viel schneller war.

SPOX: Könnten Sie sich vorstellen, die Pflichtboxenstopps abzuschaffen oder das Tankverbot wieder aufzuheben?

Marquardt: Ich saß mal in Singapur in der Boxengasse, als Felipe Massa mit einem brennenden Tankschlauch hinter mir vorbeigefahren ist. Das brauche ich nicht noch einmal. Das Nachtanken ist ein unnötiges Risiko und zudem teuer. Der Mehrwert rechtfertigt sich nicht. Die Boxenstopps finde ich dagegen klasse. Es gibt kaum etwas Faszinierenderes als ein Auto mit Karosserie und Radhäusern, an dem in unter drei Sekunden alle vier Räder gewechselt werden. Das ist ein Spektakel. Allerdings lassen sich die Fenster für die Stopps natürlich diskutieren.

SPOX: Muss zudem der Fahrer noch mehr in den Fokus rücken? DTM-Chef Hans Werner Aufrecht hat zuletzt die Namen Felipe Massa, Juan-Pablo Montoya und Robert Kubica ins Spiel gebracht.

Marquardt: Ich bin kein Fan davon, nur nach Namen zu gehen. Es gab in der Vergangenheit genügend Beispiele, die der Serie trotz ihres Rufs nicht zu größerer Popularität verhelfen konnten. Wir müssen eher versuchen, die aktuellen Fahrer dem Zuschauer vertrauter zu machen. Viele haben starke Persönlichkeiten und interessante Geschichten zu erzählen, nur weiß niemand etwas davon. Da liegt viel Potenzial, das wir ungenutzt lassen.

SPOX: Wie könnte die Lösung aussehen?

Marquardt: Wir müssen eine Plattform für die Fahrer schaffen. Von 70 Minuten im TV sind sie 60 Minuten im Cockpit. In den restlichen zehn Minuten gibt es vielleicht ein kleines Filmchen, aber das war's meistens schon. Bis zum nächsten Rennen sind sie wieder in Vergessenheit geraten. Dazu kommt dann vielleicht einmal im Jahr eine Homestory zum frisch gekürten Champion, die aber nur in Fachblättern erscheint. Das ist zu wenig.

SPOX: Fehlen vielleicht auch weitere Rennen? 2014 gibt es erneut nur zehn Rennen.

Marquardt: Das kommt auf den Blickwinkel an. Sportlich gesehen wären elf oder zwölf Rennen schön, das gebe ich zu. Aber wir müssen auch auf die Kosten schauen. Wir waren in diesem Jahr zum ersten Mal in Moskau, 2014 kommt die Reise nach China dazu. Zehn Rennen dürfen trotzdem nicht das Ende der Fahnenstange sein.

SPOX: Gibt es eigentlich Überlegungen wegen des Rennens in China, vor allem aber auch wegen der Kooperation mit der japanischen Super-GT-Serie, aus marketingtechnischen Gründen einen asiatischen Rennfahrer unter Vertrag zu nehmen? Das ist in anderen Sportarten ja durchaus gang und gäbe.

Marquardt: Wenn er schneller ist als unsere derzeitigen Fahrer, lässt sich über alles reden. Aber rein aus PR-Gründen wird es so etwas bei BMW nicht geben. Die Performance steht an erster Stelle.

SPOX: Stehen die Fahrerpaarungen für das nächste Jahr schon fest?

Marquardt: Nein, wir werden uns wie immer im Winter zusammensetzen und entscheiden, mit welchen Fahrern und Paketen wir in die verschiedenen Serien gehen.

SPOX: Ein Name, der in diesem Zusammenhang immer häufiger fällt, ist Maxime Martin. Bekommt er eine Chance?

Marquardt: (schmunzelt) Er hat eine tolle Saison in Amerika hingelegt. Und die Leistung beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring war natürlich überragend. Was er beim letzten Stint auf den Asphalt gezaubert hat, als er 20 Sekunden pro Runde auf die Führenden aufgeholt hat, ist jedem in Erinnerung geblieben. Wir werden noch lange Spaß an ihm haben.

SPOX: In der DTM?

Marquardt: Ich weiß es nicht. Das kommt vielleicht wieder aus der Wundertüte.

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