Air Raphael und Pocket Rocket

Raphael Holzdeppe holte bei der WM in Peking Silber
© getty

Raphael Holzdeppe belohnt sich für Silber im Stabhochsprung mit Bier, ein Kenianer steigt endgültig zur Legende auf. Zudem: Die weibliche Antwort auf Usain Bolt, ein kurioser Werdegang und eine vergebliche Suche nach Bananen und Toiletten.

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Wie unterschiedlich die Reaktionen auf eine gewonnene Silbermedaille bei WM-Titelverteidigern doch ausfallen können. Während Kugelstoßer David Storl am Sonntag den zweiten Platz eher griesgrämig zur Kenntnis nahm, freute sich Stabhochspringer Raphael Holzdeppe ausgelassen. "Das eine oder andere Bier werde ich mir heute Abend gönnen", sagte der 25-Jährige nach einem Wettkampf, der nicht wesentlich dramatischer hätte sein können.

Alles oder nichts, hieß es für den gebürtigen Kaiserslauterer vor dem letzten Versuch über 5,90 Meter. Scheitert er, sind alle Medaillenchancen verspielt. Schafft er es, ist Silber sicher. "Da ist mir das Herz ganz schön in die Hose gerutscht", meinte Holzdeppe, der die Aufgabe im Stile eines ganz Großen löste.

Der dritte Tag zum Nachlesen im RE-LIVE

Da der kanadische Überraschungssieger Shawnacy Barber 5,90 Meter bereits im ersten Versuch geschafft hatte, hätte Holzdeppe anschließend für Gold sechs Meter überfliegen müssen. Dafür reichte es nicht - egal! "Ich bin einfach überglücklich. Ich habe alles gegeben, was drin war, mein ganzer Körper tut weh", sagte Holzdeppe: "Es war ein Auf und Ab der Gefühle."

Nur Bronze für Air France

Verrückt: Der große Favorit auf Gold, der als derzeit nahezu unschlagbar geltende Olympiasieger Renaud Lavillenie, schlich wie die beiden Polen Pavel Wojciechowski und Piotr Lisek mit Bronze um den Hals aus dem Pekinger Nationalstadion.

"Ich weiß noch gar nicht, was da draußen passiert ist. Es sollte wohl einfach nicht sein", sagte Lavillenie: "Ich kann meine Enttäuschung nicht verstecken." Zum vierten Mal hatte der Franzose Anlauf zu seinem ersten WM-Titel genommen. Zum vierten Mal vergebens: 5,80 Meter standen am Ende für Air France zu Buche. Nach 2009 in Berlin und 2011 in Daegu holte er zum dritten Mal Platz drei, 2013 in Moskau reichte es zu Silber.

Weltmeisterschaften scheinen wie verhext für den Franzosen zu sein. Dabei geht es bei Wettbewerben mit Lavillenie normalerweise nur darum, wer hinter dem 28-Jährigen die weiteren Plätze belegt. Alleine in der vergangenen Hallen-Saison sprang er fünf Mal über die magischen sechs Meter - das schaffte vor ihm nur Sergej Bubka.

Am Dienstag (Tag 4 im LIVETICKER) ruhen die deutschen Hoffnungen auf den Diskuswerferinnen. Mit Julia Fischer, Nadine Müller und Shanice Craft hat der DLV gleich drei Eisen im Feuer. Zudem stehen die Entscheidungen im Weitsprung der Männer, über 400 m Hürden der Männer, 1500 m der Frauen und 800 m der Männer an.

Die Entscheidungen des Tages:

Stabhochsprung Männer: Die Medaillenvergabe haben wir bereits ausführlich thematisiert (siehe oben). Erfreulich aus deutscher Sicht neben Holzdeppe: Tobias Scherbarth landete mit 5,65 m auf dem geteilten siebten Platz.

Dreisprung Frauen: Hut ab vor Kristin Gierisch! Die Chemnitzerin landete mit 14,25 m auf dem achten Rang und tütete damit die beste Platzierung einer deutschen Dreispringerin seit 22 Jahren ein. 1993 in Stuttgart wurde Helga Radtke Fünfte. Gold sicherte sich Caterine Ibargüen (Kolumbien/14,90 m) vor Hanna Knyazyeva-Minenko (Israel/14,78) und Olga Rypakova (Kasachstan/14,77).

10.000 m Frauen: Wer holt hinter Gelete Burka aus Äthiopien Silber und Bronze? Eigentlich ging es nur um diese Frage. Doch es kam anders: Burka wurde "nur" Zweite und musste sich von der überragenden Kenianerin Vivian Cheruiyot (31:41,31 Minuten) geschlagen geben. Bronze schnappte sich Emily Infeld aus den USA.

3000 m Hindernis Männer: Der 3000-Meter-Hindernislauf der Männer war eine einzige Kenia-Show. In 8:11,28 Minuten setzte sich Ezekiel Kemboi vor seinen Landsmännern Conseslus Kipruto (8:12,38) und Brimin Kipruto (8:12,54) durch. Der vierte Platz ging - Überraschung - mit Jairus Birech ebenfalls an einen Kenianer.

100 m Frauen: Erst schlug sie ungläubig die Hände vor das Gesicht, dann hüllte sie sich in die niederländische Flagge und ließ die Freudentränen über ihre Wangen kullern: Dafne Schippers, die als erste Europäerin seit der Französin Christine Arron 2005 wieder eine Medaille im 100-Meter-Lauf gewonnen hat. Der Star des Rennens war natürlich aber trotzdem Shelly-Ann Fraser-Pryce, die sich vor Schippers und Tori Bowie (USA) Gold sicherte. Doch dazu in der Rubrik "Frau des Tages" mehr.

Mann des Tages: Ezekiel Kemboi

In Kenia ist er längst eine lebende Legende, nun dürfte er auch weltweit ein gutes Stück bekannter sein: Ezekiel Kemboi. Der 33-Jährige gewann zum vierten Mal in Serie den WM-Titel über 3000 m Hindernis und damit als erster Leichtathlet seine siebte Medaille in ein und derselben Disziplin. Muss man noch mehr sagen? Nein! Da zieht man besser ganz still seinen Hut.

Frau des Tages: Shelly-Ann Fraser-Pryce

Als erste Sprinterin überhaupt sicherte sich die Jamaikanerin in 10,76 Sekunden zum dritten Mal WM-Gold in der Königsdisziplin. Zwei Olympiasiege hat Fraser-Pryce, die nur Pocket Rocket genannt wird, über 100 m auch schon auf dem Konto. "Ich bin glücklich und stolz. Egal, was kommt, ich arbeite stets hart, um eine erfolgreiche Frau zu sein - auch wenn manche Menschen eingeschüchtert von mir sind", erklärte Fraser-Pryce.

Sprüche des Tages:

"Es war wohl einfach nicht mein Wettkampf. Wenn dir beim Formel-1-Wagen der Reifen platzt in der ersten Runde, dann bist du auch erst mal aus dem Tritt." (David Storl mit einem Tag Abstand zu seinem zweiten Platz im Kugelstoßen)

"Auf dem Einlaufplatz fehlen definitiv Toiletten." (Sprinter Julian Reus über seine vergebliche Suche nach einem stillen Örtchen im Pekinger Nationalstadion)

"Ich wollte im Hotel eine Banane haben. Gab's nicht. Bananen gibt es nur jeden zweiten Tag. Bei einer WM! Für Sportler! In einem Hotel für 1000 Menschen!" (800-Meter-Läufer Robin Schembera über seine Suche nach einem gesunden Snack)

Zahlen des Tages:

Lediglich 4,45 Meter übersprang die mit großen Ambitionen nach Peking gereiste Silke Spiegelburg in der Stabhochsprung-Qualifikation. Die Folge: Das Finale am Mittwoch findet ohne die Deutsche statt.

3 deutsche Speerwerfer haben sich für das Finale qualifiziert. Glückwunsch an Thomas Röhler, Andreas Hofmann und Johannes Vetter.

Name des Tages: Julius Yego

Mit 84,46 m qualifizierte sich Julius Yego locker für das Finale im Speerwerfen, wo der Kenianer durchaus zu den heißen Kandidaten auf eine Medaille zählt. Dabei ist sein Weg zum Leistungssport nicht gerade alltäglich. Der 26-Jährige begeisterte sich nämlich beim Viehhüten im Hochland Kenias für das Speerwerfen. "Während ich die Kühe im Auge hatte, habe ich Holzstöcke geworfen. Das hat mein Interesse am Speerwurf geweckt", erklärte Yego einmal.

Alle WM-Entscheidungen im Überblick

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