Die Bolt-Show im Blitzlicht von Moskau

Von Max Marbeiter
Usain Bolt lief auch in Moskau der Konkurrenz davon
© getty

Usain Bolt hat Moskau nicht enttäuscht. Der schnellste Mann der Welt zog zwar erneut nicht seine gewohnte Show ab, dominierte die Konkurrenz dennoch abermals spielend. Auch die deutschen Leichtathleten fanden erstmals ihren Platz auf dem Podium. Außerdem: Eine Geschichtsschreiberin und eine gesegnete Weitspringerin.

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Regen. Gewitter. Starke Konkurrenz. Ein schwacher Start (immerhin kein Fehlstart). Optimal waren die Voraussetzungen für Usain Bolt beim 100-Meter-Finale sicherlich nicht. Wirklich interessiert haben die Umstände den Jamaikaner allerdings nicht, haben sie eigentlich nie. Und deshalb tat Bolt auch, was Bolt eigentlich immer tut, wenn er sich Richtung Startblock bewegt. Er dominierte die Konkurrenz.

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Auf halber Strecke hatte er Hauptkonkurrent Justin Gatlin eingeholt. Aber was heißt eingeholt? Bolt schwebte förmlich am Amerikaner vorbei, überholte ihn mit der ihm ganz eigenen Leichtigkeit und darf sich nach seinem Fehlstart-Aussetzer von Daegu nun wieder 100-Meter-Weltmeister nennen. Ganz nebenbei lief der schnellste Mann der Welt im zum Highlight des Abends endlich gut gefüllten Luschniki-Stadion in 9,77 Sekunden auch noch Saisonbestleistung.

Bolts Verfolgern um Gatlin und Bronze-Gewinner Nesta Carter blieb da nur die artige Gratulation auf der Ehrenrunde. Und selbst dabei hatte der Amerikaner Schwierigkeiten, mit dem Dominator schrittzuhalten. Dem Anlass gebührend hatten die Veranstalter bereits Bob Marleys "Buffalo Soldier" rotieren lassen. Angesichts der jamaikanischen Dominanz - fünf der schnellsten sechs Finalisten kleideten sich in Gelb, Grün und Schwarz - sicherlich keine falsche Wahl.

Ob Michael Schrader irgendwo im weiten Rund seine Hüften ebenfalls zu jamaikanischen Reggae-Rhythmen kreisen ließ, ist nicht überliefert. Grund dazu hätte er allerdings definitiv gehabt. Schließlich hatte er am Nachmittag den Zehnkampf all derer gewonnen, die nicht auf den Namen Ashton Eaton hören und durfte sich zur Belohnung die Silbermedaille umhängen.

Die übrigen deutschen Medaillenkandidaten um Nadine Müller (Diskus), Sosthene Moguenera (Weitsprung), Rico Freimuth und Pascal Behrenbruch (beide Zehnkampf) gingen dagegen leer aus. Am Sonntag bietet sich aus Sicht des DLV allerdings direkt die Chance auf Wiedergutmachung (15 Uhr im LIVE-TICKER). Vor allem die Stabhochspringer um Raphael Holzdeppe und Björn Otto machen Hoffnung. Verena Sailer peilt den Einzug ins 100-Meter-Finale an.

Die Entscheidungen des Tages:

100m, Damen: Verena Sailer ist voll dabei. Die Europameisterin von 2010 gewann ihren Vorlauf und lief dabei in 11,11 Sekunden die insgesamt fünftschnellste Zeit. Ob es am Ende für eine Medaille reicht, darf angesichts der starken Zeiten der Konkurrenz aus den USA und Jamaika durchaus bezweifelt werden. Neben Sailer war über die 100 Meter mit Tatjana Pinto Lofamakanda lediglich eine weitere deutsche Läuferin am Start, qualifizierte sich aber ebenfalls für das Halbfinale - wenn auch lediglich über ihre Zeit. Im Vorlauf hatte es nämlich nur zu Rang vier gereicht.

Stabhochsprung, Damen: Was hat Silke Spiegelburg bei großen Wettkämpfen nicht alles erleiden müssen? Oft schrammte sie nur knapp an Edelmetall vorbei. Zu oft. In Moskau soll nun alles besser werden. Und der erste Schritt ist getan. Wie ihre Kolleginnen Lisa Ryzih und Kristina Gadschiew übersprang Spiegelburg 4,55 Meter - und das gleich im ersten Versuch. Damit befindet sie sich in illustrer Gesellschaft von Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa, die sich bei ihrem vielleicht letzten großen Wettkampf in der Heimat ebenfalls fürs Finale qualifizierte.

400m, Damen: Bis zum Halbfinale konnte Esther Cremer noch halbwegs mithalten. Dann war Schluss. Nach 52,42 Sekunden beendete die deutsche Meisterin ihren Lauf jedoch als Letzte und muss sich das Finale nun in passiver Rolle ansehen. Nimmt man allein die Rennen vom Samstag zum Maßstab, führt ohnehin kein Weg an Amantle Montsho vorbei. Die Titelverteidigerin gewann ihr Halbfinale derart souverän, dass man in Moskau guten Gewissens schon mal die botswanische Hymne einstudieren kann.

110m Hürden, Herren: Ein Deutscher hatte sich angeschickt, in die Phalanx aus Amerikanern, Russen und Läufern aus den Karibikstaaten einzubrechen. Gebracht hat es freilich nichts. Erik Balnuweit ist bereits im Vorlauf ausgeschieden. Dabei fehlten dem Leipziger mit 13,68s lediglich 63 Hundertstel auf den Tagesschnellsten David Oliver aus den USA (13,05).

1500m, Damen: Ist das bitter! 24 Läuferinnen zogen ins Halbfinale ein, Diana Sujew belegte... Rang 25. Nur 13 Hundertstel fehlten der Deutschen am Ende. Ganz vorne landeten Genezebe Dibaba aus Äthiopien, die Kenianerin Hellen Onsando Obiri und Zoe Buckman (AUS).

Kugelstoßen, Damen: Freud und Leid liegen manchmal eng beieinander. So auch im deutschen Team. Wo Christine Schwanitz mit 19,18 Metern als Qualifikationsvierte souverän ins Finale einzog, ist die Weltmeisterschaft für Josephine Terlecki bereits beendet. Einen Zentimeter weiter, und Terlecki wäre ihrer Teamkollegin gefolgt. Zum heulen!

Mann des Tages: Alexander Iwanow

Usain Bolt steht eigentlich immer im Mittelpunkt. Immer.

Mit dem Sieg des Jamaikaners über 100 Meter war allerdings deutlich eher zu rechnen, als damit, dass ein 20-jähriger Geher die erste Goldmedaille für Russland bei der Heim-WM holt.

Alexander Iwanow verblüffte die gesamte Elite und ließ ganz nebenbei Olympiasieger Chen Ding hinter sich.

Entsprechend ausgiebig genoss er die Zuneigung des russischen Publikums. Außerdem geben Geher einfach immer eine herausragende Figur ab.

Frau des Tages: Brittney Reese

Wer Geschichte schreibt, gehört einfach zu den Athleten des Tages! Zum dritten Mal in Folge machte Brittney Reese bei einer Weltmeisterschaft den weitesten Satz.

Ein Kunststück, das zuvor noch keiner Weitspringerin gelungen war.

Im Anschluss entblößte die Amerikanerin ihr Sieger-T-Shirt. Aufschrift: "Unleash the Beast". Passt!

Bleibt eigentlich nur zu erwähnen, dass sich Reese selbstverständlich auch bei den Olympischen Spielen in London die Goldmedaille umhängen durfte.

Sprüche des Tages:

"Ich bin glücklich, aber wollte es eigentlich noch besser machen. Meine Beine waren nach dem Halbfinale etwas müde. Ich weiß nicht, warum." (Usain Bolt macht der Konkurrenz Hoffnung)

"Gestern bin ich zum ersten Mal seit drei Wochen wieder aus den Blöcken gestartet." (Großbritanniens 100-Meter-Finalist James Dasaolu hat offenbar eine optimale Vorbereitung absolviert)

"Sie nennen sie nicht umsonst die Zerstörerin mit dem Babyface." (Marathon-Weltrekordhalterin Paula Radcliffe würdigt die Leistung von Weltmeisterin Tirunesh Dibaba)

Zahlen des Tages:

2 Nach seinem Titel über die 100 Meter fehlen Usain Bolt in Moskau nur noch zwei Titel, um Carl Lewis (acht Mal Gold, je einmal Silber und Bronze) als erfolgreichsten Medaillensammler bei Weltmeisterschaften abzulösen. Bei den noch ausstehen Rennen über 200 Meter und 4x 100 Meter kein aussichtsloses Unterfangen.

3 Gold in Berlin. Gold in Daegu. Gold in Moskau. Drei Mal in Folge sicherte sich Brittney Reese den Weltmeistertitel im Weitsprung. Das hat noch keine Frau geschafft. Mal sehen, wie es in zwei Jahren weitergeht.

Name des Tages: Blessing Okagbare

Afrikanische Eltern belegen ihre Sprösslinge gern mit bedeutungsschweren Namen. Knowledge. Destiny. Oder eben Blessing. Die Silbermedaille im Weitsprung dürfte für die Sprintspezialistin allerdings tatsächlich einem Segen gleichgekommen sein. Von daher: Glückwunsch, Blessing Okagbare!

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