Boy Turn-Europameister im Mehrkampf

SID
Philipp Boy ist neuer Turn-Europameister im Mehrkampf
© Getty

Philipp Boy ist neuer Turn-Europameister im Mehrkampf und hat die Nachfolge von Fabian Hambüchen angetreten. Der Cottbuser sicherte sich sein erstes EM-Gold.

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Philipp Boy blickte lange Zeit skeptisch durch die Halle und wehrte alle verfrühten Gratulationen ab. Nachdem der 23-Jährige seine letzte Übung am Boden geturnt hatte, dauerte es noch eine halbe Ewigkeit, bis bei der Turn-EM in Berlin sein Triumph im Mehrkampf feststand.

Sieg in der Lieblingsstadt

Die Zuschauer riefen schon: "Du hast es geschafft", doch Boy blieb cool. Erst als der Ukrainer Mykola Kuksenkow geturnt hatte, riss der Cottbuser die Siegerfaust in die Höhe und ließ sich feiern.

"Wahnsinn, der absolute Wahnsinn," schrie der neue EM-Champion immer wieder. "Ich musste so lange warten, bis der Ukrainer durch war. Erst dann war alles klar. Jetzt bin ich total happy." Der neue Turn-Held war am Ziel seiner Träume angelangt.

"Dieser Sieg hier in Berlin war so wichtig. Das habe ich schon letztes Jahr bei der WM in Rotterdam gesagt, als ich Zweiter wurde. Hier wollte ich unbedingt glänzen", sagte der Brandenburger, der Berlin als seine "Lieblingsstadt" bezeichnet.

Zuschauer aus dem Häuschen

Auch die deutschen Frauen hatten Grund zum Jubeln. Die viermalige deutsche Meisterin Elisabeth Seitz (Mannheim) holte nach vier Geräten Silber. Die 17-Jährige sorgte für den größten EM-Erfolg der deutschen Frauen im Mehrkampf seit der Wiedervereinigung.

Es gewann die Russin Anna Dementjewa. Dritte wurde die Rumänin Elena Racea. Seitz zeigte Schwächen am Schwebebalken und büßte ihre zwischenzeitlche Führung ein. In den Einzelfinals hat sie am Wochenende noch Chancen auf Edelmetall am Stufenbarren und beim Sprung.

Hoch emotional wurde es für Europas neuen Champion Philipp Boy hingegen bei der anschließenden Blumenzeremonie. Die 5000 Zuschauer in der Halle hielt es nicht mehr auf den Sitzen, sie kreischten, klatschten und pfiffen, was das Zeug hielt.

Hambüchen freut sich mit Boy

Boy bemühte sich um Fassung, doch dann wurden seine Augen immer glasiger und Tränen sichtbar. "Unglaublich. Ich bin mal gespannt, was auf der Medals Plaza am Potsdamer Platz gleich abgeht", meinte Boy.

Der entthronte Europameister Fabian Hambüchen gratulierte seinem Rivalen und Nachfolger. "Es ist schön, dass der Titel in Deutschland geblieben ist. Es war ein erfolgreicher Tag für das deutsche Turnen. Es ist doch gut. Jetzt kommt es nicht immer nur auf mich an", sagte Hambüchen, der in Berlin wegen einer Achillessehnenverletzung fehlt. Schmunzelnd fügte er an: "Nichtsdestotrotz hätte ich heute gerne mitgeturnt."

Alle Erleichterung, alle Tränen bei Boy waren verständlich. Der Cottbuser erlebte einen hochdramatischen Mehrkampf, in dem er lange Zeit weit abgeschlagen hinter den Medaillenrängen lag - und am Ende mit hauchdünnem Vorsprung siegte.

"Es war der Horror"

"Das war eine Achterbahn der Gefühle", sagte der Sonnyboy. "Es war der Horror für mich, am Seitpferd anzufangen. Nach dem Barren war ich gefrustet. Doch ich sagte mir, ich habe noch mein Lieblingsgerät, das Reck und den Boden. Da ist noch einiges rauszuholen."

In der Tat drehte der neue Champion an den letzten beiden Geräten noch den Wettkampf und zeigte am Reck seine ganz Klasse. "Wäre ich da abgestiegen, hätte ich mich begraben", meinte Boy.

Vielmehr jedoch verspürte der Nachfolger von Fabian Hambüchen nach dem Reck neues Selbstvertrauen für die Übung am Boden. "Vor der letzten Bahn am Boden sagte ich mir nur noch, jetzt müssen die Beine alles hergeben. Dann hat es vielleicht doch noch gereicht."

Koczi mit Silber

Auch im Verband herrschte riesige Freude. "Ich bin überglücklich. Trotz des guten Vorkampfes konnte man nicht sicher sein, dass wir einen solchen Erfolg erleben", sagte Sportdirektor Wolfgang Willam vom Deutschen Turner-Bund (DTB). Abgerundet wurde das gute Abschneiden der Gastgeber durch Marcel Nguyen (Unterhaching), der Platz sechs belegte.

Zweiter wurde Flavius Koczi aus Rumänien (88,825), der sich Boy (88,875) knapp geschlagen geben musste. Platz drei teilten sich Mykola Kuksenkow (Ukraine) und der Brite Daniel Purvis mit je 88,350 Punkten.

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