PDC-Boss Barry Hearn im Interview: "Mein Herzinfarkt wäre ein guter Pay-per-View gewesen"

Barry Hearn mit Phil "The Power" Taylor.
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Ihr Sohn Eddie leitet in der Firma die Box-Sparte. Wie würden Sie Ihre Beziehung beschreiben?

Hearn: Wir haben eine fantastische Beziehung. Eddie hat sich zum mit Abstand besten Box-Promoter entwickelt, den ich jemals auf der Welt gesehen habe. Natürlich bin ich sehr stolz auf ihn. Ich bin aber genauso stolz auf meine Tochter Katie, die unsere TV-Produktion leitet. Alle Eltern sind doch stolz auf ihre Kinder, ich habe nur das außergewöhnliche Glück, auch ganz eng mit ihnen zusammenarbeiten zu dürfen, das macht es so speziell.

Am Freitag startet die Darts-WM im Ally Pally. Wie blicken Sie auf die Entwicklung zurück bis hierhin?

Hearn: Ich gebe es gerne zu: Ich bin extrem stolz darauf, was wir erreicht haben. Wenn Sie mir vor 15 Jahren gesagt hätten, wo Darts heute stehen wird, hätte ich Sie für verrückt erklärt. Das war undenkbar. Die Entwicklung hat unsere kühnsten Erwartungen übertroffen. Sie hat Leben verändert, im wahrsten Sinne des Wortes. Und das Schönste an der Sache ist: Ich bin davon überzeugt, dass Darts noch weiter wachsen kann und wird. Darts hat eine unglaubliche Zukunft vor sich. Es ist ein einfacher Sport, er ist billig, er macht Spaß und er schließt niemanden aus. Ich sehe Darts in der Zukunft als eine Art beliebtere Version von Golf. Als wir angefangen haben, betrug das Preisgeld für das ganze Jahr 500.000 Pfund, jetzt stehen wir bei 17 Millionen. Die Spieler können das Geld riechen und verschreiben sich dem Darts-Sport viel mehr als früher. Das Ergebnis ist, dass wir einen Standard erleben, der niemals höher war. Es kommen immer neue Spieler aus allen Teilen der Welt nach vorne. Nehmen wir Gabriel Clemens.

Den German Giant.

Hearn: Ja, aber vor zwei Jahren kannte kein Mensch den German Giant, niemand kannte seinen Namen. Heute wird Clemens vor der WM als ernsthafter Aspirant angesehen, der weit kommen kann. Der Erfolg von Darts in Deutschland ist sensationell. Bei unserem ersten European-Tour-Event in Deutschland waren 50 Leute da. 50! Heute strömen Tausende Fans in Deutschland zu den Events. Max Hopp, Gabriel Clemens, Martin Schindler - das ist nur der Anfang, es werden immer mehr deutsche Spieler nachrücken. Darts wird in Deutschland größer und größer und größer werden.

Barry Hearn gründete seine Firma Matchroom 1982.
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Barry Hearn gründete seine Firma Matchroom 1982.

Barry Hearn: "Wie im Tennis mit Boris: Ganz Deutschland wird Darts schauen"

Warum hat Darts in Deutschland diesen Erfolg, obwohl nach wie vor ein Top-10-Spieler ja fehlt?

Hearn: Ich glaube, dass der britische und der deutsche Markt sich ähneln. Wir Briten und ihr Deutsche sind Leute, die gerne in der Gruppe Spaß haben, die gerne singen, die gerne etwas trinken - und die gerne qualitativ hochwertigen Sport sehen, egal wo. Dass Deutschland Darts so angenommen hat, bevor es deutsche Top-Spieler gab, ist bemerkenswert. Wenn eines Tages ein Deutscher in der Weltspitze angekommen ist, wird es auf ein neues Level gehoben. Dann wird Deutschland zum Darts eine Beziehung haben wie damals zum Tennis mit Boris Becker. Ganz Deutschland wird Darts schauen.

Wem trauen Sie es am ehesten zu, ganz oben anzugreifen?

Hearn: Vielleicht wird es Hopp sein, er ist immer noch sehr jung. Vielleicht Clemens, der auch noch nicht alt ist. Ich gehe aber davon aus, dass deutsche Spieler ganz nach vorne kommen werden, deren Namen wir heute noch gar nicht auf dem Zettel haben. Kann ein Deutscher in den nächsten fünf Jahren die WM gewinnen? Ich würde sagen: vielleicht. Ich kann ihnen versichern, dass Deutschland einer unserer wichtigsten Märkte sein wird. Wenn wir über einen Austragungsort nachdenken, egal für welches Event, denken wir immer zuerst an Deutschland, einfach wegen der Fans.

Für Sie persönlich: Was war bis heute der größte Darts-Moment, den Sie erlebt haben?

Hearn: Es gab so viele, aber das WM-Finale 2007, als Barney Phil Taylor im Sudden Death schlug, war das aufregendste Match, das ich jemals gesehen habe. Aktuell ist es natürlich großartig, MvG zuzuschauen, aber ehrlich gesagt freue ich mich bei einer WM auch immer besonders auf die Spiele in den ersten Runden. Ich liebe es, Youngster zu sehen, die ihren Durchbruch auf der großen Bühne schaffen, denken wir nur an Jungs wie Nathan Aspinall oder Chris Dobey. Auch der erste Sieg von Max Hopp auf der European Tour war etwas Spezielles. Aber das beste Match aller Zeiten war Barney vs. Taylor - wobei ich erwarte, dass es in diesem Jahr ein neues bestes Match aller Zeiten geben wird. Das hoffe ich zumindest.

Sie haben Phil Taylor angesprochen, der Darts wie kein Zweiter geprägt hat. Was ist Ihre Lieblingsgeschichte mit ihm?

Hearn: Ich habe Phil einmal nach seinem Erfolgsgeheimnis gefragt. Ich habe zu ihm gesagt: Du bist ein kleiner, fetter Kerl aus Stoke-on-Trent. Wie machst Du das? Und Phil antwortete: "Darts ist mein Beruf, ich gehe ganz normal zur Arbeit wie jeder andere auch. Von 9 bis 12 Uhr werfe ich Pfeile, dann mache ich Mittagspause und dann werfe ich von 14 bis 18 Uhr wieder Pfeile." Darts ist ein Sport, in dem es auf Wiederholungen ankommt. Wenn wir uns vorstellen, dass jemand sein ganzes Leben lang jeden Tag acht Stunden lang Pfeile wirft, dann wissen wir, wie viele Opfer Phil gebracht hat. Spieler, die diese Opfer nicht bringen, werden es nie vom guten zum großen Spieler schaffen. Phil Taylor war immer der Inbegriff eines Spielers, der sich alles hart erarbeitet hat und so zum Größten aller Zeiten wurde.

Barry Hearn: "Angeln sorgt dafür, dass ich bei Verstand bleibe"

Phil Taylor hat Darts über viele Jahre dominiert, heute ist Michael van Gerwen die klare Nummer eins. Allerdings ist das Niveau enorm angestiegen.

Hearn: Ich kann mich an Zeiten erinnern, da bist du mit einem 88er Average ins Finale gekommen. Damit qualifizierst du dich heute nicht mal für die WM. Wir haben in dieser Saison 49 Nine-Darter gesehen. Früher gab es hohe Prämien für einen Neuner, die gibt es heute nicht mehr, weil ein Neuner nicht mehr selten ist. Selbst auf der Development Tour werden Neuner geworfen, das war vor zehn Jahren noch unvorstellbar.

Unvorstellbar ist es aktuell noch, dass eine Frau bei einer WM eine größere Rolle spielt. Liegt da noch eine Entwicklungschance für Darts?

Hearn: Absolut. Das ist doch das Schöne an unserem Sport. Alle sind gleich, jeder hat zwei Arme und kann die Pfeile in die Scheibe werfen. Ich bin mir sicher, dass eines Tages eine Frau kommen und dazu in der Lage sein wird, die Top-Männer zu schlagen. Das wird dann noch mal für eine neue Dimension sorgen und auch noch mal neue Leute zum Darts bringen. Irgendwo auf der Welt gibt es da dieses Mädchen, die mit einem vom lieben Gott gegebenen Talent in die Weltspitze vordringen wird. Vielleicht ist sie aus Deutschland, vielleicht aus Holland, vielleicht aus Neuseeland, aber irgendwo auf der Welt gibt es dieses Mädchen, das uns alle zum Staunen bringen wird, da bin ich sicher.

Letzte Frage: Haben Sie noch genug Zeit zum Angeln?

Hearn: Aber natürlich! (lacht) Angeln sorgt dafür, dass ich bei Verstand bleibe. Kein Handy, keine Fragen, kein Ärger - Angeln ist der Sport, bei dem ich entspannen und über die Zukunft verschiedener Sportarten nachdenken kann. Ich denke die ganze Zeit darüber nach, was der nächste große Sport sein könnte. Egal, was es ist, es muss profitabel sein, Wachstumspotenzial haben und es muss vor allem Spaß machen. Wir beschäftigen uns in jedem Jahr mit einigen Optionen, es wird eines Tages ein neuer Sport, eine neue Veranstaltung kommen, da können Sie sicher sein!

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