Boxen - Henry Maske im Interview: "Bei McDonald's hieß ich Peter Sahr"

Henry Maske leitete als Franchise-Unternehmer insgesamt zehn McDonalds-Filialen.
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1989 folgte der Gewinn der Amateur-WM - und der Mauerfall. Wo haben Sie die Wende erlebt?

Maske: Manfred Wolke und ich waren bei einer Talkshow in Potsdam zu Gast und sollten eigentlich über den WM-Titel reden. Wir sind bis zur Hälfte gekommen, als die Köchin hereinstürzte und die Nachricht verbreitete. Danach interessierte sich natürlich niemand mehr für uns.

Was waren Ihre ersten Gedanken?

Maske: Ungläubigkeit, gefolgt von Freude und dem Wissen, dass nun niemand mehr flüchten muss. Aber es tauchten natürlich auch viele Fragezeichen auf. Was wird jetzt? Was bedeutet das für uns? Man muss sich das so vorstellen: Die Mauer war in all den Jahrzehnten einfach immer da, sie war Gesetz. Uns wurde eingetrichtert, wenn die Mauer irgendwann mal fallen sollte, dann in die andere Richtung.

Die Wende stellte auch Ihre sportliche Laufbahn auf den Kopf. Der Weg zum Profi-Dasein schien frei, bis auf einmal die Bild titelte "DDR-Olympiasieger Maske will Profi werden" und damit Ihre Vorgesetzten in Alarmbereitschaft versetzte.

Maske: Man kann das heutzutage gar nicht mehr glauben, aber ich habe davon erst mal nichts mitbekommen. Ich war wegen meines Studiums auf dem Weg zum Judo-Training, als ein Kollege davon erzählte. Wenige Minuten später wurde ich vom Oberstleutnant abgeholt und musste 100 Meter weiter in einen Raum, dort warteten der Oberst und zwei Journalisten. Und auf diesem Weg musste ich mir überlegen, was ich machen wollte.

Was haben Sie gesagt?

Maske: Dass ich Wolfgang Wilke, dem damaligen Trainer von Graciano Rocchigiani und derjenige, der die Geschichte lanciert hatte, nicht kenne und das Gerücht falsch ist. Aber ich habe dem Oberst ehrlich mitgeteilt, dass ich natürlich nicht weiß, was die Zukunft bringt. Am nächsten Tag stand in den Zeitungen "Maske wird kein Profi."

Damit lagen die Medien natürlich falsch. Kurze Zeit später wechselten Sie ins Profi-Lager und unterschrieben bei Wilfried Sauerland einen Vertrag. Es heißt, Wolke und Sie wurden von ihm erst mal zum Einkleiden geschickt. Stimmt das?

Maske: Ja, aber so abgerissen sahen wir gar nicht aus (schmunzelt). Trotzdem haben wir es genossen, so etwas hatten wir ja noch nicht erlebt, das war damals schon eine interessante Erfahrung.

Bleibt nur noch die Frage nach dem Finanziellen?

Maske: Es gab keinen Kofferraum voller Geld, wenn Sie das meinen. Ich werde keine Summe nennen, aber glauben Sie mir, das hielt sich alles im Rahmen. Damit hatten wir aber auch kein Problem. Ich war überzeugt: Wenn ich meine Leistung bringe, kommt alles andere von alleine. Viel interessanter war, dass sich Sauerland eigentlich schon aus dem Boxsport verabschieden wollte. Bis seine damalige Lebensgefährtin mich irgendwo gesehen hat und in mir offenbar etwas gesehen hat. Der Rest ist Geschichte.

Im Mai 1990 feierten Sie Ihr Profi-Debüt gegen Antonio Arvizu.

Maske: Genau, der Mann in Turnschuhen.

Wie bitte?

Maske: Das muss ich erklären. Ich war vor dem Kampf natürlich nervös, erster Profi-Kampf, dann auch noch in London. Als ich dann aber Arvizu gesehen habe, war ich eher geschockt. Er stieg mit normalen Turnschuhen in den Ring. Ich dachte mir: Ich bin Olympiasieger, Amateur-Weltmeister, habe meine Klasse also schon bewiesen, und dann schicken mir sie einen armen Typen, der nicht mal Geld für richtige Boxstiefel hat? Ich war stinksauer nach dem Kampf und hatte den Eindruck, dass Sauerland mir gar nichts zutraut. Erst danach habe ich verstanden, dass das gang und gäbe ist und ich mir mein Brot hart verdienen muss.

Genau das taten Sie in den folgenden Jahren. Sie feierten Siege am Fließband und wurden zu einem der populärsten Sportler in Deutschland - zumindest in den alten Bundesländern. In der ehemaligen DDR galten Sie dagegen als Sündenbock und wurden als Wendehals beschimpft. Wie haben Sie die Anfeindungen erlebt?

Maske: Bei mir persönlich ging es, weil ich viel unterwegs war. Im Gegensatz zu meiner Frau. Sie erlebte das am eigenen Leib, im Supermarkt, im Kindergarten. Immer wenn sie rausging, wurde sie mit der Boshaftigkeit der Menschen konfrontiert. Wobei das eher ein Ausdruck der allgemeinen Unzufriedenheit war, und meine Familie und ich waren nun mal eine passende Zielscheibe.

Auch die Medien nahmen kein Blatt vor den Mund. Ein Redakteur einer Regionalzeitung in der DDR schrieb: "Wenn Maske bei den Eskimos boxen würde, wäre es ihm auch scheißegal, Hauptsache er würde Geld verdienen". Fühlten Sie sich missverstanden?

Maske: Viele Journalisten aus der DDR dachten nach der Wende, sie können sich alles erlauben und hätten jedes Recht der Welt. Dieser Freiraum tat ihnen nicht gut, eine Gürtellinie kannten sie nicht mehr. Egal, wie tief sie sinken mussten, Hauptsache es war unterhaltsam und lenkte von den alltäglichen Problemen ab.

Der Vorwurf, Sie hätten sich verkauft, blieb einige Jahre an ihnen haften. Haben Sie sich persönlich als Ware gefühlt?

Maske: Ja, aber jeder Mensch verkauft sich irgendwie und irgendwann als Ware. Das war nach der Wende genauso wie vor der Wende. Der einzige Unterschied: Nach dem Mauerfall war ich noch mehr auf die Resonanz angewiesen, die ich vom Publikum bekam. Als Profi-Sportler lebst du nun mal auch davon. Glücklicherweise stach ich allein durch meine Art heraus. Viele Boxer der alten Generation hauten Sätze wie "Ich geh da rein und hau meinem Gegner auf die Schnauze" raus. Aber so wollte ich mich nicht geben. Boxen hat so viel mehr Facetten zu bieten. Deswegen habe ich versucht, das Boxen auf meine Art wieder populärer zu machen.

Wie haben Sie das geschafft?

Maske: Ich habe den Menschen in den Vordergrund gestellt. Ich wollte, dass auch Leute, die nichts mit Boxen am Hut hatten, vestanden, dass Boxer mehr als zwei Sätze geradeaus sagen können. Das war aber gerade in der Anfangszeit auch für mich alles andere als einfach. Ein Beispiel: Ich wurde von Dieter Thomas Heck gefragt, ob ich bei seiner Rateshow "Die Pyramide" mitmachen wolle. Aber stellen Sie sich vor, ich würde mich im TV blamieren. Dann heißt es danach: Schau an, der dumme Boxer wieder! Irgendwann habe ich doch zugesagt. Ich habe zwar alle drei Raterunden verloren, aber bin glücklicherweise in kein Fettnäpfchen getreten (lacht).

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