„Solis bekam alles geschenkt“

SID
Karsten Röwer arbeitet seit 2008 für das Sauerland-Team
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SPOX: Ihre Wege trennten sich im Laufe der Jahre, Brähmer wechselte zu Universum und wurde Profi - kam allerdings auch mit dem Gesetz in Konflikt.

Röwer: Das war tragisch. Er war ein junger Mann, der die falschen Freunde hatte. Dann passiert es ganz schnell, dass man auf die schiefe Bahn gerät. Ich sehe es mittlerweile aber so: Durch das Boxen ist er wieder auf den richtigen Weg gekommen. Das ist das perfekte Beispiel, zu was der Sport fähig ist.

SPOX: Sie sind wohl dennoch darauf bedacht, dass Ihre Nachwuchsboxer wie Tyron Zeuge und Enrico Kölling nicht ähnliche Fehler machen. Sind die Beiden die Zukunft des deutschen Boxens?

Röwer: Wenn sie sich weiter so prächtig entwickeln, können sie zu zwei großen Nummern werden. Das sind echte Berliner Jungs mit Wiedererkennungswert. Aber sie sind ja nicht die einzigen. Es kommen immer wieder Jugendliche aus dem Amateurbereich nach. Es ist nur wichtig, sie richtig aufzubauen. Ich bin kein Fan davon, wenn jemand mit 18 Jahre schon Profi wird.

SPOX: Auch Sie waren einst aktiv im Ring. Immerhin bestritten Sie rund 100 Amateurkämpfe. Warum hat es nicht zu mehr gereicht?

Röwer: Ganz ehrlich: Dafür hat mir einfach das nötige Talent gefehlt. Ich bin ja eher durch Zufall zum Boxen gekommen. An meiner ehemaligen Schule hing ein Plakat: "Jungs, die sich beweisen wollen, kommen zum Boxen!" Also habe ich es ausprobiert und bin dabei geblieben. Aber in der DDR gab es viel Konkurrenz, über Fritz Sdunek, der mich damals betreut hat, habe ich dann die Seiten gewechselt und wurde Trainer.

SPOX: Fiel Ihnen der Wechsel schwer?

Röwer: Man muss sich natürlich anders verhalten und die Emotionen vielleicht ab und an zurückfahren. Das Schwierigste war aber, eine gewisse Distanz zu meinen ehemaligen Kameraden aufzubauen. Eines musste ja klar sein: Ich war jetzt kein Athlet mehr, sondern Trainer. Das muss man auch nach außen transportieren.

SPOX: Wie viel haben Sie sich von Sdunek abgeschaut?

Röwer: Ich fand es schon immer sehr interessant, wie er seine Boxer in der Ecke motiviert hat. Er schafft es durch seine ruhige und doch entschlossene Wortwahl, das letzte aus seinen Schützlingen herauszukitzeln.

SPOX: Welche Eigenschaften muss ein Trainer grundsätzlich mitbringen?

Röwer: Zuckerbrot und Peitsche, damit läuft es eigentlich ganz gut (lacht). Aber im Ernst: Jeder Boxer ist unterschiedlich. Mit Jürgen kann ich nicht so reden wie mit jüngeren Sportlern. Wenn ich zu Jürgen sagen würde: "Du Idiot, was machst du da?", dann würde er sofort auf stur schalten. Bei Tyron und Enrico bin ich eher als Vorbild gefragt. Wenn ich mal bei einem Trainingslauf mitmache, schindet das Eindruck.

SPOX: Ihre Freundschaft zu Sdunek hat Ihnen vor einigen Jahren auch einen Job bei Ahmet Öner und dessen Arena-Boxstall eingebracht. Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Röwer: Ich weiß, viele Leute haben kein gutes Haar an Ahmet gelassen. Er ist nun mal ein Box-Verrückter. Manchmal reißt er Sachen mit seinem Hintern ein, die er mit den Händen aufgebaut hat. Er ist einfach zu spontan und impulsiv. Aber das bedeutet nicht, dass er keine Ahnung hat. Er hat viel für das deutsche Boxen getan. Wenn man sich mal überlegt, wie viele kubanische Talente er nach Deutschland geholt hat. Ich bin ihm dankbar, weil ich bei Arena auf mich aufmerksam machen konnte und gutes Geld verdient habe.

SPOX: Bei Arena waren Sie unter anderem für Odlanier Solis verantwortlich. Warum hat es für ihn nie zum ganz großen Wurf gereicht?

Röwer: Das ist eine gute Frage. Solis war eigentlich der beste Boxer, den ich je trainiert habe, rein vom Talent her. Aber er hatte leider andere Probleme. Er war faul, sein Gewicht hat nie gepasst und er bekam alles geschenkt. Sein Schmuck, seine dicken Autos - das hat nicht gepasst. Solis braucht ein Umfeld, das rund um die Uhr für ihn da ist. Ich kann mich noch gut erinnern, als er bei unserer ersten Begegnung 118 Kilos auf die Waage gebracht hat. Also bin ich jeden Morgen mit ihm gejoggt, alleine hätte er das wohl nicht gemacht.

SPOX: Hätte ein Solis in Bestform eine Chance gegen die Klitschkos gehabt?

Röwer: In Topform? Ja, dann hätte er die Klitschkos schlagen können. Aber diese Zeit scheint leider schon vorbei zu sein.

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