"Stallone hat mich verfolgt"

Von Interview: Bastian Strobl
Sam Soliman (r.) ist mit Sylvester Stallone befreundet
© Getty

Sam Soliman hat sich gegen Felix Sturm seinen Traum erfüllt und ist neuer Pflichtherausforderer auf den WM-Gürtel seines Landmannes Daniel Geale. Im Interview spricht er über den Wettlauf gegen die Zeit, seine Motivationsvorträge und Sylvester Stallone.

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SPOX: Herr Soliman, Australien ist in dieser Woche im Boxfieber. Am Mittwoch verteidigte Daniel Geale seinen WM-Gürtel gegen Anthony Mundine. Sie kämpfen wiederum gegen Felix Sturm um den Posten des Pflichtherausforderers.

Sam Soliman: Das stimmt, in dieser Woche sind wir die Nummer eins im Land. Das ist zur Abwechslung auch mal ganz schön. Ich will mir gegen Sturm endlich meinen Titelkampf holen, der mir im letzten Jahr gestohlen wurde. Aber das ist einfach der Boxsport. Solange man nicht im Ring steht, zählen irgendwelche Absprachen nicht. Im Hintergrund läuft so viel Politik ab. Dagegen hat man meistens keine Chance.

SPOX: Deutschland als Austragungsort gilt bei den meisten ausländischen Boxern als riskante Angelegenheit. Stichwort: Punktrichter. Gehen Sie mit gemischten Gefühlen in den Kampf?

Soliman: Natürlich hoffe ich, dass alles in geregelten Bahnen verläuft. Aber darüber darf ich mir gar nicht so viele Gedanken machen. Mein Fokus muss Sturm gelten, ansonsten bräuchte ich gar nicht anzutreten.

SPOX: Ihr Landsmann Geale hat im September 2011 das Kapitel Sturm bereits erfolgreich hinter sich gebracht, indem er sein Heil in der Offensive suchte. Darf man von Ihnen eine ähnliche Taktik erwarten?

Soliman: Nein, das würde auch wenig Sinn machen. Jeder Boxer hat seinen eigenen Stil. Geales Taktik zu kopieren, wäre falsch. Man kann niemanden nachahmen. Wenn ich das versuchen würde, hätte Sturm schon gewonnen.

SPOX: Sturm gilt als exzellenter Konter-Boxer. Werden Sie auch in seine Falle tappen?

Soliman: Es mag sein, dass er dort seine Stärken hat. Aber Sturm hat meine Konter-Qualitäten noch gar nicht gesehen. Ich werde versuchen, immer wieder das Tempo zu verändern, damit er seinen Rhythmus nicht findet. Über die Distanz sehe ich sowieso Vorteile bei mir.

SPOX: Das sind starke Worte eines mittlerweile 39-Jährigen.

Soliman: Ach, was bedeutet schon das Alter? Wenn ich an Bernard Hopkins denke, der mit 46 Jahren noch Weltmeister geworden ist. Oder Randy Couture, der mit 43 Jahren noch mal UFC-Champion geworden ist.

SPOX: Sie fühlen sich also nicht in einem Wettlauf gegen die Zeit?

Soliman: Nein, warum auch! Ich fühle mich genauso fit wie vor zehn Jahren. Das habe ich vor allem meinem Lebensstil zu verdanken. Ich habe in der Vergangenheit einige Zugeständnisse gemacht. Während meine Freunde feiern gegangen sind, war ich im Gym. Während sie auf Konzerten waren, habe ich mir Videos meines nächsten Gegners angeschaut. Aber genau da trennt sich die Spreu vom Weizen. 90 Prozent der Boxer verlieren mit der Zeit ihren Antrieb. Die anderen 10 Prozent sind meistens Weltmeister. Wenn ich zurückgetreten bin, kann ich immer noch genügend Spaß in meinem Leben haben.

SPOX: Das klingt sehr selbstreflektierend und passt zu einem Boxer, der in der Szene als freundlich, ehrlich und offen gilt. Woher kommen diese Charakterzüge?

Soliman: Das habe ich meinen Eltern zu verdanken. Mein Vater hat mir vor seinem Tod immer wieder eingetrichtert: "Behandele andere Menschen so, wie du selbst behandelt werden willst." Daran habe ich mich versucht zu halten.

SPOX: Das war wohl nicht immer so, gerade in Ihrer Kindheit in Brunswick.

Soliman: Das war ein ganz schlimmes Viertel in Melbourne. Zum Glück habe ich früh gelernt, nein zu sagen. Aber ich war sicherlich kein Kind von Traurigkeit. Das ging damals nach dem Motto: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Jede Postleitzahl hatte seine eigene Gang. Auf dem Schulhof kam es dann meistens zum Aufeinandertreffen. Suspendierungen vom Unterricht waren deswegen an der Tagesordnung.

SPOX: Und Sie mittendrin?

Soliman: Nein, so würde ich das nicht sagen. (schmunzelt) Aber natürlich gibt es auch von mir ein paar Geschichten. Einmal wurde ich von zwei Typen angegriffen und habe mich gewehrt. Am Ende wurde aber nur ich bestraft, weil der Lehrer meinen Schlag gesehen hat. Das war eine Lektion für mich. Außerdem werde ich nie das enttäuschte Gesicht meiner Mutter vergessen, als sie von meiner Suspendierung erfahren hat.

SPOX: Ihre Mutter war auch nicht sonderlich angetan, als Sie mit dem Kampfsport begannen.

Soliman: Sie hat es gehasst. Boxen hatte für sie immer etwas Gewalttätiges an sich. "Gewalt löst keine Probleme", hat sie immer gesagt. Bei meinen ersten sechs Amateur-Kämpfen wollte sie deswegen auch nie dabei sein, dabei habe ich kaum Kratzer abbekommen. Irgendwann hat sie sich dann doch überreden lassen. Auch mein Vater war kein großer Fan davon. Das hielt ihn aber nicht davon ab, nach einem Kampf in die Umkleidekabine zu rennen und zu brüllen: "Ich habe es Euch ja gesagt, mein Sohn ist der Beste."

SPOX: Sie haben sich über die Jahre entwickelt, besonders in persönlicher Sicht. Sie arbeiten mittlerweile als Botschafter für das Programm "Choices: The Good, the Bad and the Ugly." Was machen Sie genau und welche Bedeutung hat dieser Titel?

Soliman: Es geht darum, Jugendlichen zu helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Ein Beispiel: Sie sind in einen Streit verwickelt. "The Good" wäre in diesem Fall, den Konflikt mit Worten zu lösen oder ihm einfach aus dem Weg zu gehen. "The Bad" wäre, in eine Schlägerei verwickelt zu werden und am Ende eine Anzeige zu kassieren oder dergleichen. Im schlimmsten Fall prügelt man seinen Gegenüber windelweich, so dass dieser mit dem Kopf auf den Bordstein aufschlägt und vielleicht sogar stirbt. Man gewinnt dann zwar den Fight, verliert aber etwas viel Wertvolleres: seine Freiheit. Wer will schon gerne ins Gefängnis? Das wäre "The Ugly". Ich will den Kindern zeigen, dass sie ihr Schicksal in den eigenen Händen haben.

SPOX: Sie werden selbst von Australian-Football-Vereinen eingeladen, um vor den Spielern einen Vortrag zu halten. Worum geht es in diesen Reden?

Soliman: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Das gilt für Jugendliche, aber auch für diese Sportler. Für die Footy-Spieler bedeutet das: Wie ernähre ich mich richtig? Wie schlafe ich richtig? Wie betreibe ich einen angemessenen Lebensstil? Sie sollen die Konzentration auf ihren Job, ihre Leidenschaft legen. Sie sollen lernen, welches Privileg es ist, ihren Traum zu leben. In diesem Zusammenhang sollte es ganz normal sein, einigen Verlockungen zu widerstehen.

SPOX: Apropos Traum: Sie haben sich einen kleinen Traum erfüllt, als sie Sugar Ray Leonard kennen lernen durften. Wie kam es dazu?

Soliman: Ich habe bei "The Contender" teilgenommen. Das war eine Reality-TV-Show in den USA, bei der mehrere Boxer in einem Haus lebten, trainierten und dann im K.o.-Modus gegeneinander antraten. Und Sugar Ray war der Moderator. Das war unglaublich. Mit so einer Legende Zeit zu verbringen, werde ich nie vergessen. Ich hatte Gänsehaut.

SPOX: Ein Haus voller Boxer? Kann das bei so viel Testosteron überhaupt gut gehen?

Soliman: Es war schon eine komische Situation. Am Nachmittag hängst du mit den anderen Boxern ab, redest mit ihnen über Gott und die Welt. Und am Abend schlägst du ihnen dann die Fresse ein. Im Endeffekt war es aber eine tolle Erfahrung und hat mir vor allem einen gewissen Bekanntheitsgrad in den Staaten verschafft.

SPOX: Das klingt ein wenig nach Hollywood. Da passt es gut, dass ein berühmter Schauspieler einmal über Sie gesagt hat: "Sam Soliman ist einer meiner Lieblingskämpfer. Er ist ein echter Champion und..."

Soliman: Sylvester Stallone!

SPOX: Korrekt! Woher kennen Sie Sly?

Soliman: So blöd es klingen mag: Er hat mich einige Zeit lang verfolgt. Er hat 2005 meinen Kampf gegen Winky Wright gesehen und wollte mich seitdem treffen. Offenbar hat ihn imponiert, wie ich als klarer Außenseiter die Gunst des Publikums gewonnen habe. Er hat mir mal erzählt: "Das war wie in einem Rocky-Film. Niemand hat dir eine Chance gegeben, aber du hast trotzdem nie aufgeben." Als er mich dann auch noch zu einer Premiere eingeladen hat, war ich komplett sprachlos. Mit Sly über den roten Teppich? Das hätte ich mir nie erträumen lassen. Als ich dann auch noch erzählt habe, dass ich meinen Pudel nach Rockys Frau Adrian genannt habe, war das Eis endgültig gebrochen.

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