Sturm: "Werbung für den Box-Sport"

SID
Felix Sturm ließ sich nach seinem Sieg nach der neunten Runde feiern
© Getty

Um 0:30 Uhr am frühen Samstagmorgen war alles Geschichte. Die wüsten Beleidigungen und Beschimpfungen, die Drohungen im Vorfeld. Auf dem Podium in der Kölnarena saßen zwei deutsche Profiboxer, die sich gegenseitig Hochachtung und Respekt für einen bemerkenswert guten WM-Kampf zollten.

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"Wir haben Werbung für den Boxsport gemacht. Sebastian hat zu einem tollen Kampf beigetragen", sagte Felix Sturm. Der 33 Jahre alte Superchampion der WBA im Mittelgewicht hatte am späten Freitagabend vor rund 10.000 Zuschauern wohl einen seiner besten Kämpfe überhaupt gemacht und Herausforderer Sebastian Zbik unerwartet in neun Runden zur Aufgabe gezwungen.

Sturm und der Schweriner hatten sich im Vorfeld gegenseitig die Anerkennung für Geleistetes verweigert, von Genugtuung wollte der Weltmeister aber nichts wissen. "Klappern gehört zum Geschäft, das ist okay. Wichtig ist, dass es ein fairer Kampf war. Der Rest ist vergessen, vergeben, vergessen. Jeder geht seinen Weg, er macht sein Studium, ich meine nächsten Kämpfe", sagte Sturm.

Die Zufriedenheit und Erleichterung stand dem Ausnahmeathleten bosnischer Abstammung, der seine Kämpfe seit 2010 selbst vermarktet und veranstaltet, aber deutlich in das leicht verschrammte Gesicht geschrieben.

Aufgabe in der Pause zur zehnten Runde

Einen Gegner so niederzukämpfen, dass diesem nur die Kapitulation bleibt, ist neben einem Knockout durch einen gut getimten Leberhaken so etwas wie das "Hohe C" im Boxen. Es hat etwas entwürdigendes. Das drückten auch die Worte von Zbik aus.

"Es ist die schlimmste Art, so zu verlieren", sagte der 30-Jährige, der seine schweren Blessuren im Gesicht nicht wie viele andere Kollegen mit einer Sonnenbrille zu kaschieren versuchte. Der Schweriner zeigte in der Niederlage, der zweiten in seiner nun 32 Kämpfe umfassenden Profikarriere, nicht nur damit große Klasse. "Er hat mich geschlagen, Respekt vor Felix, Glückwunsch an Felix, Glückwunsch an Fritz", sagte der Herausforderer.

Beide Kämpfer waren einst Stallkollegen in der Universum Box-Promotion, aus der sich Sturm mit geschätzten 900.000 Euro freigekauft hat. Sturms Trainer Fritz Sdunek war einst Chefcoach in dem Stall und kannte Zbik, Student an der Europäischen Sportakademie in Potsdam in den Fächern "Leistungssport und Sportmanagement", daher bestens.

Das zahlte sich aus. Zbik, 2011 einmal WBC-Weltmeister, hatte eine starke Anfangsphase und rüttelte Sturm mit einem harten linken Aufwärtshaken in Runde zwei durch. "Ich muss ein bisschen was vor die Birne bekommen, damit die Birne wieder arbeitet", sagte Sturm. Danach lief es.

Mit seiner steifen und zuweilen wuchtigen linken Führhand, die zumeist ins Tempo des Gegners kam, klopfte er Zbik mürbe. Der wurde merklich langsamer, Sturm kam dann auch mit schweren Haken und Aufwärtshaken durch. In der Pause zur neunten Runde gab Zbiks Trainer und Ex-Weltmeister Artur Grigorjan Ringsrichter Raul Caiz Jr. (USA) das Zeichen zur Aufgabe. Unter beiden Augen und an der Stirn war Zbik schwer gezeichnet.

Pflichtverteidigung gegen Golowkin

"Nach der sechsten hat mich Artur schon gefragt, wie es aussieht. Da war schon zu sehen, dass mir die Körner ausgehen", sagte der Geschlagene zum krassen Leistungsabfall. "Wir haben einfach meine Gesundheit in den Vordergrund gestellt und den Kampf gemeinsam abgebrochen."

Sturm hätte diesen Ausgang nicht erwartet. Als Unternehmer habe er unter Druck gestanden. Die Verlegung des Kampfes von Oberhausen nach Köln, das Ballyhoo im Vorfeld, oder die mäßigen Auftritte wie zuletzt beim Unentschieden gegen Martin Murray.

Der eigenwillige Weltmeister hatte wieder etwas verändert. Er trennte sich von Konditionstrainer Clive Salz, trainierte anders, länger und offenbar besser. "Das war der beste", sagte Sdunek zum fünften Kampf unter seiner Regie. Sturm will nun bis September die Pflichtverteidigung gegen den Kasachen Gennady Golowkin machen.

Zunächst aber geht es am Dienstag nach München zum Champions-League-Halbfinale der Bayern gegen Real Madrid, dann mit Ehefrau Jasmin und Sohn Mahir in den Urlaub. Sebastian Zbik hingegen setzt sich an die Bücher.

"Ich konzentriere mich auf mein Studium, ich muss einiges nachholen", sagte er und meinte zu seiner Zukunft im Boxen: "Es wäre aber zu früh zu sagen, dass ich die Boxhandschuhe an den Nagel hänge."

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