Zwölf Minuten Boxen nach 26 Jahren Gefängnis

SID
Dewey Bozella (l.) gewann seinen ersten und einzigen Kampf gegen Larry Hopkins
© Getty

Sein Leben liest sich wie das Drehbuch eines Hollywood-Films: 26 Jahre saß Dewey Bozella zu Unrecht im Gefängnis. Den Traum von einem Profiboxkampf gab er jedoch nie auf. Am Wochenende stieg er im Alter von 52 Jahren zum ersten und gleichzeitig letzten Mal in den Ring. Seine unglaubliche Lebensgeschichte beeindruckte auch US-Präsident Barack Obama.

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Selbst Barack Obama war gerührt. Nachdem der US-Präsident von der unglaublichen Lebensgeschichte des Boxers Dewey Bozella erfahren hatte, griff er spontan zum Hörer. Am Telefon wünschte Obama seinem Landsmann für dessen ersten Kampf viel Glück und verprach, ihn am heimischen Fernseher anzufeuern.

Wer den wohl mächtigsten Mann der Welt als Fan hat, muss etwas Besonderes sein. Und das ist Dewey Bozella ohne Zweifel. Für die Verfilmung seines Leben interessieren sich bereits viele Hollywood-Agenten.

Mit 52 Jahren in den Ring

26 Jahre - also sein halbes Leben - saß Bozella zu Unrecht im Gefängnis. Doch der Traum von einem Boxkampf als freier Mann hielt ihn am Leben. Am Wochenende durfte er im Staples Centers von Los Angeles im Alter von 52 Jahren endlich in den Ring steigen.

Der Cruisergewichtler besiegte in vier Runden seinen Landsmann Larry Hopkins einstimmig nach Punkten und schrieb eine der beeindruckendsten Sportgeschichten des Jahres.

"Für mich ist ein Traum wahr geworden. Ich habe in meiner Zelle immer geträumt, dass so etwas einmal passiert", sagte Bozella. Sein erster Fight war zugleich sein letzter: "Es ist ein Sport für junge Menschen. Ich habe getan, was ich unbedingt einmal tun wollte. Jetzt bin ich glücklich."

Bozellas Vater bringt seine Mutter um

Glück war für Bozella bislang ein Fremdwort. In seinem turbulenten Leben kassierte er einen Schicksalsschlag nach dem anderen. Im Alter von neun Jahren musste er mitansehen, wie sein Vater seine schwangere Mutter totprügelte und anschließend den kleinen Dewey und dessen acht Geschwister im Stich ließ.

Er erlebte, wie einer seiner Brüder erstochen wurde und ein zweiter bei einem Schusswechsel starb. Einen anderer Bruder verlor Bozella durch Aids.

Kein Wunder, dass auch der junge Dewey auf die schiefe Bahn geriet. Seine Zeit als Jugendlicher vertrieb er sich in kriminellen Gangs. Die Polizei hatte ihn schon länger auf dem Kieker, als sie ihn 1977 festnahm.

Der schwerwiegende Vorwurf: Bozella soll eine 92-Jährige Frau auf brutale Weise umgebracht haben. Da es weder Fingerabdrücke noch andere Beweise gab, wurde der damals 18-Jährige wieder freigelassen.

Verurteilung wegen Mordes

Sechs Jahre später aber der Schock für Bozella, der die Tat stets bestritt: Der Fall wurde neu aufgerollt, weil Zeugen ihn als Täter identifizierten. Der Richter verurteilte Bozella wegen Mordes und schickte ihn ins berüchtigte Gefängnis Sing Sing nahe New York.

Als ihm 1990 bei der Neuverhandlung der Richter einen Deal anbot, ihn bei einem Geständnis sofort freizulassen, blockte Bozella ab: "Ich hätte nicht damit leben können." Doch mit 20 weiteren Gefängnisjahren zahlte er einen hohen Preis für seine Standhaftigkeit.

Seine Wut auf die Justiz ließ er beim Boxtraining aus, so wurde er Häftlingsmeister im Halbschwergewicht. Auch im Kampf um seine Rehabilitation bewies Bozella Ausdauer. Einmal pro Woche schrieb er an das "Innocent Projekt" einen Brief mit der Bitte, ihm zu helfen.

Mit Erfolg: Die Organisation, die sich um die Aufklärung von Justizirrtümern kümmert, deckte die schlampige Polizeiarbeit und Falschaussagen der Zeugen auf. Am 28. Oktober 2009 wird Bozella freigesprochen.

Bozella erhält Arthur-Ashe-Preis

"Ich kann nicht zornig sein. Ich habe jetzt meinen Frieden gefunden", sagt Bozella. Er will eine Stiftung gründen, mit der Jugendliche durch Sport von kriminellen Handlungen abgehalten werden sollen.

Für seine "humanitäre Gesinnung" erhielt der Boxer vor wenigen Monaten den Arthur-Ashe-Preis des US-Sportsenders "ESPN". Der ganze Wirbel um seine Person ist ihm nicht ganz geheuer, aber Barack Obama darf ruhig öfters anrufen: "Ich war so überwältigt, dass sich der Präsident ausgerechnet bei mir meldet. Ich hatte Tränen in den Augen."

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