Steve Cunningham: Der vergessene Weltmeister

Von Norbert Pangerl
Steve Cunningham (l.) hat bereits Siege gegen Marco Huck und Enad Licina auf dem Konto
© Getty

Steve Cunningham ist IBF-Champion im Cruisergewicht und hat bereits alle anderen amtierenden Weltmeister besiegt. Trotzdem ist die aktuelle Nummer eins der unabhängigen Weltrangliste in Deutschland nur den wenigsten Leuten ein Begriff. Der Kampf gegen Yoan Pablo Hernandez soll das ändern.

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Wenn man Steve Cunningham über sein Verhältnis zu den amerikanischen Fernsehstationen reden hört, schwingt stets große Verbitterung in den Worten des amtierenden IBF-Cruisergewichts-Weltmeisters mit.

"Ich bin altmodisch. Wenn du behauptest, du bist der Beste, dann musst du auch die Besten schlagen. Als David Haye im Cruisergewicht war und nach seinem Sieg gegen Enzo Maccarinelli behauptete, er habe im Cruisergewicht aufgeräumt, hätte Showtime (Pay-TV-Sender in den USA, Anm. d. Red.) sagen sollen: 'Moment, da gibt es immer noch Steve Cunningham', aber niemand macht das", schimpfte er im August in einem Interview mit dem Kampfsportportal "Fighthype". Cunningham weiter: "Ich habe alle Champions geschlagen, die Top-10-Leute - und diese Typen erwähnen mich nicht mal."

In den USA schwer vermarktbar

Diese Aussagen machen das ganze Dilemma klar, in dem Steve Cunningham seit seinem Wechsel ins Profilager im Jahr 2000 steckt. Lediglich einmal wurde ein Kampf von ihm im US-Fernsehen übertragen. Und das, obwohl er bereits seit gut fünf Jahren an der Spitze der Cruisergewichtsklasse mitmischt. Besser: sie mitbeherrscht.

Nach dem Aufstieg von David Haye und Tomasz Adamek ins Schwergewicht ist er mittlerweile die Nummer eins der unabhängigen Weltrangliste. Die drei anderen Weltmeister der anerkannten Verbände - Marco Huck, Guillermo Jones und Krzysztof Wlodarczyk - hat er allesamt schon einmal besiegt. Und trotzdem hält sich das Interesse am Boxer Steve Cunningham in seiner Heimat USA in Grenzen.

Das junge Cruisergewicht fristet zwischen New York und Los Angeles immer noch ein Schattendasein hinter dem vor sich hin darbenden Schwergewicht und den leichteren Gewichtsklassen, in denen Namen wie Floyd Mayweather Jr. oder Manny Pacquiao zu wahren Gelddruckmaschinen mutiert sind.

Cunningham: "Das ist einfach zum Kotzen"

"Das ist einfach zum Kotzen, was da vor sich geht. Ich glaube nicht, dass es weltweit einen anderen gibt, der alle Titelhalter seiner Gewichtsklasse besiegt hat. Wenn die amerikanische Bevölkerung die Chance hätte, mich zu sehen, wäre ich längst ein Superstar", hadert der 35-Jährige mit seinem Schicksal.

Große Schuld an seiner Situation habe auch sein Ex-Promoter Don King: "Ich denke, vieles hing auch damit zusammen, dass ich acht Jahre lang von Don King promotet wurde. Die Fernsehstationen wollten mit ihm keine Geschäfte machen, aber ich habe gedacht, wenn ich weiter gewinne, dann werden sie mich irgendwann wahrnehmen."

Obwohl er aber weiter gewann und sich im Dezember 2008 mit Tomasz Adamek eine denkwürdige Ringschlacht lieferte, blieben die großen Angebote für Cunningham aus.

Seit 2010 bei Sauerland unter Vertrag

Im Sommer 2010 nahm schließlich das Sauerland-Team aus Berlin den 1,91m großen Fighter unter Vertrag. "Er ist ein wahrer Champion innerhalb und außerhalb des Rings", sagte Kalle Sauerland damals und fügte an: "Wir sahen, was er mit Marco Huck gemacht hat, als er in Deutschland kämpfte und wir freuen uns, ihn wieder an die Spitze zu führen."

Zweimal hat Cunningham mittlerweile in Deutschland im Ring gestanden. Gegen Troy Ross und Enad Licina hatte er dabei deutlich mehr Mühe als viele dachten. Am Samstag steigt er nun mit Yoan Pablo Hernandez gegen den nächsten Stallkollegen in den Ring.

Hernandez: "Das wird der Kampf meines Lebens"

Der 26-jährige Exilkubaner, der von Ulli Wegner trainiert wird, hat nach seiner bisher einzigen Niederlage gegen den Ex-Weltmeister Wayne Braithwaite zehn Siege aneinandergereiht und durfte sich zuletzt Interims-Weltmeister der WBA nennen. Nachdem ein Kampf mit dem regulären WBA-Champ Guillermo Jones platzte, will er nun die IBF-Krone von Cunningham und zeigt sich furchtlos gegenüber dem Titelverteidiger.

"Ich habe mich mit meinem Trainer Ulli Wegner sehr gut vorbereitet. Mir ist egal, wer mir im Ring gegenüberstehen wird", äußerte sich Hernandez zuversichtlich. Hernandez weiter: "Er ist ein sehr guter Boxer. Für mich ist dieser Kampf eine große Herausforderung und eine große Chance, mein Können unter Beweis zu stellen." Angst, dass er nach Huck und Licina das dritte Opfer von Cunningham werden könnte, habe er nicht: "Dies wird mein Tag und der Kampf meines Lebens."

Cunningham, der seit seiner Zeit bei der Navy den Spitznamen USS trägt, nimmt den Kampf aber nicht auf die leichte Schulter: "Ich glaube, dass Hernandez die zurzeit wohl größte Herausforderung für mich ist. Ich denke, er ist ein sehr guter Kämpfer und wird in großartiger Form sein. Deshalb will ich den deutschen Fans einen guten Fight zeigen. Es wäre toll, wenn es der Kampf des Jahres wird."

Top-Kampf für die Fans und die Gewichtsklasse

Ob Kampf des Jahres oder nicht, klar ist, dass sich die Boxfans in Neubrandenburg und vor dem TV auf einen tollen Fight zwischen einem erfahrenen Weltmeister und einem jungen Herausforderer freuen können. Wer schlussendlich als Sieger aus dem Ring gehen wird, bleibt abzuwarten, ein Sieger steht aber bereits vor dem Kampf fest: das Cruisergewicht.

"Ich hoffe, dass die Fernsehstationen aufwachen und damit aufhören, die Cruisergewichtler zu übersehen. Was immer die Sender dazu veranlasst, das Cruisergewicht zu vernachlässigen, wir können es klären. Ich weiß zwar nicht, was es ist, aber ich weiß, dass es da draußen eine Menge großer Cruisergewichtler gibt und ich hoffe, dass wir die Chance erhalten, unsere Gewichtsklasse zu präsentieren", erklärte der Weltmeister.

Am Samstag hat er die Gelegenheit, gegen das Vergessen anzukämpfen und für seine Gewichtsklasse Werbung zu machen - sogar das Fernsehen ist da.

Die Weltranglisten der anerkannten Verbände

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