Klitschkos letztes Ziel: Die Eroberung der USA

Von Haruka Gruber
What's next? Die nächsten Gegner von Wladimir Klitschko stehen schon ungeduldig bereit
© Imago

So wichtig der Erfolg über David Haye war - Wladimir Klitschko hat das Schwergewicht "totgesiegt" und steht vor zwei großen Problemen. Ihm fehlen die Gegner. Und ihm fehlt die Liebe aus Amerika.

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Vor einer halben Ewigkeit, vor den Zeiten von Facebook und Youtube, wurde unter Medienprofis ein Leitsatz vertreten, unumstößlich und allgemein gültig. Schlechte Publicity ist besser als gar keine Publicity, hieß es, denn Publicity an sich sei bereits ein wertvolles Gut.

Wladimir Klitschko konnte über zu wenig Publicity nicht klagen: Die TV-Quoten in Deutschland und die Resonanz im restlichen Europa waren so überwältigend wie das Urteil eindeutig. Der unterlegene David Haye hätte sich als Hasenfuß erwiesen, Klitschko hingegen habe seine boxerische Klasse demonstriert.

Nachbetrachtung: Haye scheitert am Klitschko-Catenaccio

Entsprechend erfreulich musste Klitschko die Kunde aufgenommen haben, dass ein Kampf von ihm erstmals seit fast drei Jahren auch in den USA live zu sehen war. Bei Pay-TV-Sender "HBO", der die Übertragung ohne Bezahlung unverschlüsselt ausstrahlte und damit ein großes Publikum ansprach.

Wladimir Klitschko keine globale Ikone

Der Haye-Fight bedeutete für Klitschko demnach eine weitere Chance, um sich in den USA zu etablieren. Im wichtigsten Box-Markt vermochte er wegen seines eher abwartenden Stils und der angeblichen Verwechselbarkeit mit Bruder Witali kaum jemanden zu begeistern.

"Es ist wichtig, in den USA präsent zu sein", sagt Klitschko gegenüber SPOX. Er stellte nach seinem Sieg aber auch klar: "Der Kampf hat gezeigt, dass Deutschland einer der wichtigsten Märkte ist, alleine schon wegen des starken Euro-Kurses gegenüber dem Dollar."

Klitschko gehört hierzulande zu den größten Stars. Um zu einer globalen Ikone zu werden, fehlt ihm jedoch der Zuspruch aus Amerika. Und auf den wird er trotz seines beeindruckenden Sieges gegen Haye weiter warten müssen.

Klitschko-Kampf kostenlos auf HBO

Klitschkos Promoter Bernd Bönte erklärt zwar im SPOX-Gespräch, dass "'HBO' der wichtigste Box-Sender der Welt ist", nur in den USA interessierte es die meisten Zeitungen und Internet-Portale entweder nur am Rande - oder sie beschwerten sich bitterlich über den aus ihrer Sicht schwachen Haye und den ereignisarmen Verlauf.

"Die Boxwelt war in heller Aufregung, als sie hörte, dass 'HBO' den Kampf im Free-TV und nicht im Pay-TV überträgt. Im Nachhinein muss sich 'HBO' aber glücklich schätzen, denn wenn die Leute für so etwas gezahlt hätten, würden sie sich betrogen fühlen", schreibt "Ringside Report". "Der Kampf war so langweilig, dass uns 'HBO' Geld hätte geben müssen, um ihn sich anzuschauen."

Keine Herausforderung für Klitschko mehr?

Der Gewinn seines dritten Titels markiert eine Zäsur für Klitschko. Gemeinsam mit seinem Bruder nennt er alle WM-Gürtel der vier angesehenen Box-Verbände sein eigen. Der Erfolg über Haye jedoch bedeutet auch, dass im ohnehin konkurrenzarmen Schwergewicht der letzte veritable und vor allem gut zu verkaufende Gegner bezwungen wurde. "Sie haben das Schwergewicht totgesiegt", schreibt die "Welt".

Das bezeichnende im Leben eines Leistungssportlers ist das stetige Streben nach Höherem. Doch nach was soll Wladimir Klitschko streben? Ein Duell mit dem Bruder schließen beide aus, bliebe demnach nur die Eroberung der USA - was sich bislang aber als unmögliches Unterfangen erwies.

Klitschko im Interview: "Ich war ein gebrochener Mann"

Klitschkos letzter großer Auftritt in den Staaten datiert vom Februar 2008. Der Ort: Madison Square Garden, New York. Der Gegner: Sultan Ibragimow. Das Ergebnis: Trotz eines einstimmigen Sieges desaströs für Klitschko, weil sich die angeödeten Amerikaner von ihm abwendeten. Seitdem gilt er als nicht vermarktbar - was Haye wiederum zum Anlass nahm, über Klitschkos Art des Boxens zu lästern.

Augen auf das Duell Chisora gegen Fury

"Wie schwer es ist, hat Haye jetzt selbst erfahren", sagt Klitschko. "Er hat gegen mich genauso gekämpft wie Ibragimow damals. Total ängstlich, ohne Mut. Er hat nur abgewartet." Generell würde die Bedeutung der USA überbewertet werden, "der Haye-Fight hat doch gezeigt, dass Deutschland auch ein sehr großes Box-Land ist".

Um die ohnehin schwelende Diskussion um fehlende Gegner nicht weiter zu befeuern, beeilte sich Klitschko damit, neue Kontrahenten ins Gespräch zu bringen. Das Rad muss sich eben weiterdrehen. So riet er den Journalisten, sich aufmerksam das Duell zwischen den beiden britischen Nachwuchshoffnungen Derek Chisora und Tyson Fury am 23. Juli anzusehen.

Die Botschaft: Er werde mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen den Sieger antreten. Als nächsten Kampftermin peilt Promoter Bönte ein Datum zwischen Oktober und Dezember an.

Mangel an hochklassigen Gegnern

Doch die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auch dieser Kampf, egal ob ihn Chisora oder Fury herausfordert, erneut nicht viel mehr sein wird als ein einseitiges Jab-Festival von Klitschko.

Chisora wird bei der unabhängigen Weltrangliste von "Boxrec" immerhin auf Platz neun geführt, doch mit seinen 27 Jahren, der überschaubaren Erfahrung von 14 Profikämpfen (14 Siege) und der Größe von 1,87 Meter fehlt es ihm an Format.

Fury bringt zwar eine beeindruckende Statur mit (2,06 Meter) und ist dafür recht beweglich, doch er ist sogar erst 23 Jahre alt und taucht bei der "Boxrec"-Weltrangliste erst auf Platz 31 auf. Den weiteren gehandelten Gegnern dürften es an Klasse (Alexander Dimitrenko), an Größe (Jean Marc Mormeck, David Tua, Denis Boizow) oder an Routine mangeln (Robert Helenius, Kubrat Pulew).

Wenn überhaupt, bieten sich Chris Arreola oder der talentierte Alexander Powetkin an. Bleiben ansonsten der im kommenden Jahr zurückkehrende Odlanier Solis und Tomasz Adamek, der sich jedoch Anfang September mit Vitali messen wird.

Rückkampf gegen David Haye?

Die meist diskutierte Option ist ein Rückkampf mit Haye, doch dies scheint mittlerweile wenig wahrscheinlich. Klitschko bot seinem Erzfeind zwar eine Revanche an, aber Bönte schloss diese nun bei "BBC" aus: "Es gibt keine Chance auf ein Rematch. Wladimir zieht weiter. Witali könnte aber eine Möglichkeit sein. Er sagte schon, dass er Haye ausknocken will."

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Aber auch das scheint nicht leicht umzusetzen zu sein, zu viel ist zwischen dem Klitschko- und dem Haye-Lager passiert. "Es war die grausamste Kooperation, an der ich je beteiligt war. Selbst Ahmet Öner kommt nicht heran. Er hat einfach keine Ahnung vom Geschäft. Aber das Haye-Management hat mir schlaflose Nächte bereitet", sagt Bönte.

So habe die Gegenseite noch am Kampftag Anwälte eingeschaltet und darauf bestanden, dass die anwesenden Journalisten für ihre Akkreditierung 1000 Euro zu zahlen hätten. Oder Klitschko sei plötzlich mit einer Gruppe Bodyguards bestehend aus suspekten MMA-Kämpfern aufgetaucht, die nicht angemeldet gewesen seien.

Booth klagt über "Knebelvertrag"

Hayes Manager und Trainer Adam Booth wiederum klagt in seiner britischen Heimat darüber, dass sie einen "Knebelvertrag" unterschreiben mussten und dass sie selbst auf einen Rückkampf verzichten würden - was Haye jedoch revidiert.

Er hätte zwar geplant, mit seinem 31. Geburtstag Mitte Oktober die Karriere zu beenden, "aber wenn mir die Klitschkos bis dahin einen Kampf anbieten, werde ich den Rücktritt verschieben".

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