Klitschko: "Ich war ein gebrochener Mann"

Von Für SPOX in Hamburg: Haruka Gruber
Wladimir Klitschko trug bei seinem Sieg über David Haye eine kleine Cutverletzung davon
© Getty

Wladimir Klitschko hat David Haye im Boxkampf des Jahres klar nach Punkten besiegt und damit auch den letzten noch fehlenden WM-Gürtel im Schwergewicht in die Klitschko-Familie geholt. Nach dem Sieg äußerte er sich im Interview.

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Es war der Kampf der Kämpfe - und es war das größte Box-Ereignis der letzten Jahre: Im Durchschnitt waren unglaubliche 15,5 Millionen TV-Zuschauer (67 Prozent Marktanteil) dabei, als Wladimir Klitschko in Hamburg einstimmig nach Punkten seinen Erzfeind David Haye besiegte und seinen dritten Weltmeisterschaftstitel eroberte.

Damit gehören den Klitschko-Brüdern alle Schwergewichts-WM-Gürtel der vier wichtigsten Box-Verbände. Nach dem vielleicht wichtigsten Erfolg seiner Karriere fand Klitschko ungewohnt deutliche Worte. Er griff seine Kritiker an - und riet Haye, aus dem Schwergewicht zu verschwinden.

Frage: Was möchten Sie David Haye sagen, nachdem dieser Sie bei jeder Gelegenheit versucht hat zu provozieren?

Wladimir Klitschko: Vorweg etwas Positives: Ich wurde in meiner Karriere schon häufig vor Kämpfen von meinen Gegnern verbal angegriffen, aber danach tauchten sie nicht mehr auf der Pressekonferenz auf. Aber David Haye und sein Team hielten sich an unsere Vereinbarung. Danke dafür. Das ist der gute Part. Aber David, ich muss ehrlich sagen, dass du mich mit diesem T-Shirt richtig angepisst hast. Es war weit unter der Gürtellinie und keine coole Aktion. Ich glaube, dass jeder am Ende das bekommt, was er verdient.

Frage: Wie sicher waren Sie, dass Sie nach Punkten führen?

Klitschko: Ich war mir eigentlich die ganze Zeit sicher, dass ich führe. Haye stand immer unter Druck und ich habe während des Kampfs nie meine Geduld verloren. Es klingt vielleicht arrogant oder hochnäsig, aber ich wusste, dass ich ihn schlagen werde. Von daher freue ich mich riesig, dass sich sieben Wochen sehr harte Arbeit gelohnt haben, doch der Sieg ist keine große Überraschung.

Frage: Trübt irgendetwas Ihre Freude?

Klitschko: Es ist ein ganz besonderer Sieg. Es ging um den letzten WM-Titel, den Witali und ich noch nicht hatten. Aber: Ich habe auch gehofft, dass mir gegen Haye der 50. Knockout meiner Laufbahn gelingt.

Frage: Ihr Coach Emmanuel Steward sagte im Vorfeld, dass Ihnen noch der Signature Fight fehlt wie ihn Witali gegen Lennox Lewis hatte. Könnte es der Kampf gegen Haye gewesen sein?

Klitschko: Es war definitiv mein Signature Fight. Dennoch: Am besten wäre es gewesen, wenn ich ihn ausgeknockt hätte.

Frage: Sie wollten Haye eine Lehrstunde verpassen. Ist es Ihnen gelungen?

Klitschko: Ich muss David meinen Respekt zollen. Normalerweise werden die Gegner spätestens in der zwölften Runde müde, aber er blieb vom ersten bis zum letzten Gong wachsam. Es war wegen seiner Schnelligkeit und boxerischen Fähigkeiten eine große Herausforderung. Dennoch sage ich: Es war eine Lehrstunde, auch wenn der K.o. gefehlt hat. Er hat genug abbekommen, um zu verstehen, dass er im Schwergewicht nichts zu suchen hat. Möglicherweise hätte Haye im Schwergewicht weiter Erfolg gehabt, wenn er gegen gewisse Kämpfertypen in den Ring gestiegen wäre. Aber das höchste Level wird für ihn sehr schwer zu erreichen sein. Er ist nicht aus dem Holz geschnitzt, um an der Spitze mitzuboxen. Er sollte zurück ins Cruisergewicht gehen.

Frage: Ein hartes Urteil.

Klitschko: David war schnell und versuchte Dinge, die er in der Lage ist umzusetzen. Ein Schwergewichts-Weltmeister zu sein, bedeutet jedoch, schwer, groß und stark zu sein. Ambitionen sollte man immer haben. Aber es ist nicht der einfachste Weg, wenn man von einer anderen Gewichtsklasse hochkommt. Es gibt einen Grund, warum es verschiedene Klassen gibt im Boxen. Wie auch immer: David, du hast Eier und du bist ins Schwergewicht gekommen und hast mich herausgefordert. Nach zwei Jahren Reden und heißer Luft, die du produziert hast, kam es endlich zu dem Kampf - und es war großartig fürs Boxen. Respekt dafür. Die Sportart hat diesen Kampf gebraucht.

Frage: Haye erklärte, dass ihn der Bruch seines kleinen Zehs im rechten Fuß stark behindert hat und er sonst gewonnen hätte. Ihr Kommentar?

Klitschko: Ich bin zwar ein Doktor, aber in Sportwissenschaften und nicht in Medizin, deswegen kann ich nicht sagen, ob er am Zeh von einer Biene gestochen wurde oder was auch immer. Ich gebe ihm einen Rat: Sage nie nach einer Niederlage, dass du verletzt warst und deswegen nicht kämpfen konntest. So reden Loser. Egal, was man sagt, bei der Öffentlichkeit kommt das nicht gut an. Nimm den Kampf so, wie er war. Ich hätte auch einige Dinge anbringen können, aber ich habe gelernt, dass das falsch ist. Es gab auch Kämpfe, in denen ich meine Hand gebrochen hatte, aber kein Wort darüber verloren habe (Gemeint ist der Kampf gegen Lemon Brewster 2007, Anm. d. Red.).

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Frage: Kommt es zur Revanche?

Klitschko: Ich habe Haye gefragt, aber er musste ziemlich lange überlegen und hat geantwortet: vielleicht. Ich habe nichts anderes erwartet. Normal kommt man rein und fordert sofort den Rückkampf. Ich würde ihn beim nächsten Mal ausknocken. Generell sitze ich jetzt im Fahrersitz und werde überlegen müssen, wie es weitergeht. Ich freue mich, mich erstmal um meine Familie und um mich kümmern zu können und nichts mit Boxen zu tun zu haben.

Frage: Die Alternativen sind rar im Schwergewicht.

Klitschko: Es ist eine logische Frage: Wer wird der nächste Gegner? Wer ist noch übrig? Witali und ich haben jetzt alle Gürtel. Ich bin nicht in der Lage, die Frage zu beantworten. Im Pound-for-Pound-Ranking ist Manny Pacquiao vorne. Normalerweise sollte der beste Schwergewichtler auch der stärkste Boxer überhaupt sein. Ich könnte zwar Pacquiao herausfordern, aber das wäre wegen der Größe doch ein Mismatch. Kommt es deshalb zum Rückkampf mit Haye? Oder was anderes? Es gibt genügend Zeit.

Frage: Sah man in Hamburg den besten Klitschko aller Zeiten?

Klitschko: Ich war schon sehr gut in Form, aber der beste Klitschko wäre gewesen, wenn mir ein Knockout gelungen wäre.

Frage: Wie sehen Sie Ihre persönliche Entwicklung?

Klitschko: Viele erinnern sich nicht mehr daran, aber 2004 war ich noch der Loser der zwei Brüder. Man vergisst schnell diese Zeiten, ich jedoch nicht. 2004, nach den beiden Niederlagen in Folge, war ich am Bodensatz des Boxens angekommen. Ich war ein gebrochener Mann. Ich habe jedoch immer an mich geglaubt und blieb motiviert. Deswegen ist dieser Sieg meine Rache für all die Jahre.

Frage: Wie meinen Sie das?

Klitschko: Ich spreche alle Kritiker an - ohne Ausnahme: Fresst eure eigenen Wörter! Fresst eure Wörter! Ihr habt alle gesagt, dass mir David Haye unter die Haut gegangen wäre und mich entnervt hätte. Aber ich blieb immer fokussiert und habe meinen Kampf durchgezogen und war siegreich. Es war ein langer Weg, um zum Champion zu werden und sich von den Rückschlägen zu erholen. Ich weiß, wovon ich spreche: Ich war ein Champion - und in einem Moment wurde ich zu einem Nichts. Viele Leute vergessen das, ich nicht. Dieser Sieg über Haye ist eine Erinnerung an alle, die nicht an mich geglaubt haben. Ich hasse euch, aber ich liebe euch auch, weil ihr mir so motiviert habt! Daher: Danke, an alle Kritiker.

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