Dominanz oder das nächste Comeback?

Von Max Marbeiter
Nikola Mirotic (l.) gelangen im Halbfinale gegen den FC Barcelona 9 Punkte
© getty

Maccabi Tel Aviv schockte ZSKA Moskau (Hier geht's zur Analyse). Von ihren Fans getragen gelang den Israelis im Halbfinale des Final Four ein epische Comeback. Im Finale wartet nun Real Madrid (20 Uhr im LIVE-TICKER), das den Erzrivalen FC Barcelona demontierte (Hier geht's zur Analyse) - und erneut stehen Maccabis Chancen nicht allzu gut.

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Real Madrid - Maccabi Tel Aviv

Ausgangslage: Was war das für Auftakt ins Final Four. Dramatik. Ein Comeback. Ein Gamewinner. Eine Demonstration. Kurz: Basketball auf allerhöchstem Niveau - und doch auf so unterschiedliche Art und Weise. Denn, wo Real den Erzrivalen aus Barcelona nach allen Regeln der Kunst dominierte, war Maccabi gegen ZSKA einzig und allein auf seine Comeback-Fähigkeiten angewiesen - und auf seine herausragenden Fans.

"Es ist Wahnsinn. Ich habe noch niemals so eine Unterstützung gesehen und gespürt. Es ist so unglaublich, dass mir die Worte fehlen, um es zu beschreiben", sagte ein ungläubiger Tyrese Rice. Was der Ex-Münchner meint: Maccabis Anhänger hatten das Mediolanum Forum vollkommen in Beschlag genommen und für eine Stimmung gesorgt, wie sie eines Final Fours nicht würdiger hätte sein können.

Und dennoch hätte es eigentlich nicht reichen dürfen. Zu dominant trat ZSKA drei Viertel lang auf, zu chancenlos erschien Tel Aviv. Moskau hatte Maccabis Gameplan nach wenigen Minuten entschlüsselt und ließ die Israelis nicht ins Laufen kommen. Die Zone war dicht, Drives zum Korb kaum möglich. Dafür nutzte ZSKA seine Größenvorteile mit an Grausamkeit grenzender Effizienz, ließ seine Offense geduldig über seine Big Men im Lowpost laufen und führte spät im dritten Viertel mit 15 Punkten. Maccabi war chancenlos.

Was dann folgte, war Basketball in Reinform und ein Comeback, wie es sich Maccabi nach seiner Aufholjagd in Spiel eins der Playoffs gegen Milan eigentlich patentieren lassen sollte. Der gelb gekleidete Teil der Halle kochte und Rice lief heiß. Endlich fand er den Weg in die Zone, endlich geriet Moskaus Defense ins Wanken - bis Viktor Khryapa schlussendlich den Ball fallen ließ und Rice den Israelis das Finale bescherte. Druck? Versagensängste? "Den musste ich machen, den übst du im Training so oft, den musste ich einfach machen", gab der Ex-Münchner halbwegs nüchtern zu Protokoll.

Weit weniger nüchtern ging es unmittelbar nach der Schlusssirene zu. Parkett und Ränge verschmolzen. "Es gibt im europäischen Basketball nicht ansatzweise etwas Vergleichbares zu unseren Fans, wenn es um Leidenschaft und Herzblut geht", war auch Coach David Blatt überwältigt. "Dass wir ihnen dieses Wochenende hier schenken können, ist etwas ganz Besonderes."

Nicht nur seinen Fans machte Maccabi ein Geschenk. Die Israelis lieferten ein Spektakel, das im Grunde kaum zu toppen war. Und wer einen latenten Hang zur Dramatik pflegt, der war beim Final-Four-Clasico dann auch gänzlich fehl am Platz. Dabei versprach Barca gegen Real eigentlich das spannendere Duell zu sein. Eigentlich standen sich zwei der besten Teams des Kontinents gegenüber. Eigentlich. Denn, was Real nach einem rund vierminütigen Kaltstart aufs Parkett zauberte, ist mit Dominanz noch deutlich zu milde umschrieben.

Madrid demontierte den ewigen Rivalen aus Barcelona nach allen Regeln der Kunst. Bei den Königlichen fiel viel (14/29 3FG), bei den Katalanen viel zu wenig (27 Prozent 3FG, 54 Prozent FT). Real verteidigte herausragend, traf sicher aus der Distanz und zelebrierte Basketball in seiner schier grenzenlosen Pracht.

Ob nun Nicola Mirotic, Sergio Rodriguez, Sergio Llull oder Rudy Fernandez - keiner von Reals Edel-Ballern war von Barca auch nur ansatzweise zu stoppen. Am Ende stand eine Demonstration, ein Beleg der eigenen Stärke - und ein Fingerzeig Richtung Finale.

Denn so beeindruckend Maccabis Comeback auch war, das Matchup Real kommt den Israelis noch weniger entgegen als jenes gegen Moskau. Madrid besitzt ebenfalls beeindruckende Big Men, verteidigt ebenfalls intensiv, hat den Russen aber eine Guard-Rotation voraus, die europaweit ihresgleichen sucht. Die Duelle in den Top 16 waren zwar eng (74:68, 77:76 Real), liegt Maccabi gegen Real aber erst einmal deutlich zurück, dürfte das Comeback unmöglich sein - wobei...

Das Schlüsselduell: Sergio Rodriguez vs. Tyrese Rice. Seit Freitag ist Rice eine Maccabi-Legende. Wie der Ex-Bayer die Israelis zunächst zurückbrachte und schließlich den finalen Punch setzte, war beeindruckend. Mal wieder unterstrich der Point Guard, weshalb auch Svetislav Pesic vergangene Saison irgendwann dazu überging, Rice von der Bank zu bringen. Mit seiner Energie verleiht er dem Team einen zusätzlichen Push.

Nun hat Real allerdings den Picasso unter den Sixth Men im Roster. Mehr noch: den amtierenden MVP der Euroleague. Sergio Rodriguez' Impulse von der Bank sind nicht minder beeindruckend als die des Tyrese Rice. "El Chacho" dirigiert das Spiel der Madrilenen, ist immer für den überraschenden Moment gut und trifft noch dazu traumwandlerisch sicher aus der Distanz (4/5 3FG gegen Barcelona).

Barca fand keine Mittel gegen Rodriguez, steht damit aber nicht allein da. Der Funken Extravaganz macht den Spanier zu einem besonderen Spieler. Einem Spieler, den Maccabi kaum wird stoppen können.

Der X-Faktor: Nicola Mirotic als X-Faktor zu bezeichnen, grenzt beinahe an Blasphemie. Immerhin ist der Forward einer der besten Spieler Europas und noch dazu auf dem Sprung in die NBA. Als Barcelona in der Anfangsphase noch ernsthafte Hoffnungen hegte, tatsächlich Siegchancen zu besitzen, hielt er mit 9 Punkten dagegen.

Mirotic liefert das komplette Big-Man-Paket. Er weiß ebenso den eigenen Ring zu schützen, wie vorne vielseitig abzuschließen. Ob im Post oder aus der Distanz - findet Mirotic seinen Rhythmus, ist er schwer zu stoppen.

Und genau da sollte Maccabi ansetzen. Im Top-16-Hinspiel hielten die Israelis den gebürtigen Montenegriner beispielsweise bei 1/5 aus dem Feld. Dazu holte Mirotic lediglich 2 Rebounds. Gelingt es auch diesmal, den Vierer in dessen Schaffen wenigstens ein wenig einzuengen, ist Real zumindest einer seiner vielen Offensivoptionen beraubt.

Prognose: Maccabi reitet die Euphoriewelle. Klar. Für die Israelis ist spätestens seit dem grandiosen Comeback gegen Moskau alles möglich. Nicht ganz. Denn Reals Selbstbewusstsein dürfte nach der Clasico-Demonstration durchaus Muhammad Ali'sche Züge annehmen. Auch die Madrilenen wären gern die Größten. Zumindest in Europa.

Nach den traumatischen Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr, als man Olympiakos das Final-Comeback gestattete, dürfte Maccabi zudem kaum unterschätzt werden. Deshalb: Real holt den Titel!

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