Das Ende der goldenen Generation?

Von Robert Arndt
Titelverteidiger Spanien ist im Halbfinale ausgeschieden
© fiba.com

Spanien wurde im Halbfinale von Slowenien nach allen Regeln der Kunst vorgeführt. Das Team wirkte gegen einen furiosen Gegner überfordert und zu langsam. Es könnte der letzte Auftritt der goldenen Generation um die Gasol-Brüder und Juan Carlos Navarro gewesen sein.

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Fünf Minuten vor dem Ende hatte auch der letzte im Sinan Erdem Dome verstanden, dass es nichts werden würde mit der spanischen Titelverteidigung. Der 37-jährige Pau Gasol hielt den Ball im Post. Nur wenige Momente später war die Kugel wieder weg. Der 19 Jahre jüngere Luka Doncic griff dazwischen und sicherte seinem Team den Ballbesitz. Der Guard von Real Madrid feierte in der Folge, als ob das Spiel bereits zu Ende wäre.

Nicht zu Unrecht. Slowenien hatte sich im zweiten Durchgang in einen Rausch gespielt, die Führung betrug bereits rund 20 Zähler. Das schier Unmögliche schien wahr zu werden. Die erfolgsverwöhnten, noch ungeschlagenen Spanier wurden besiegt. Noch vor dem Turnier fragten sich die europäische Basketball-Experten, wer denn dieses Powerhouse bezwingen könnte? Nach diesem denkwürdigen Donnerstagabend gibt es eine Antwort.

87 Punkte pro Partie legten die Iberer in den sieben Spielen zuvor auf. Die über Jahre eingespielte Mannschaft lief ihre Systeme im Schlaf, es wurde mit den Gegnern gespielt. Trainer Sergio Scariolio gönnte sich sogar den Luxus, den doch arg in die Jahre gekommenen Juan Carlos Navarro (37) starten zu lassen. Gegen Slowenien zog er nach sieben Minuten die Notbremse. Auch so erzielte La Roja nur 72 Zähler und ließ sich 92 einschenken.

Gasol-Brüder aus dem Spiel genommen

Doch nicht nur La Bomba wirkte ein wenig fehl am Platz. Gegen die mobilen Slowenen hielt Scariolo an seiner großen Aufstellung fest. Die drei Nominellen Fünfer, die Gasol-Brüder und Willy Hernangomez teilten sich zusammen fast 70 Minuten und hatten große Probleme. Anthony Randolph, einst wegen charakterlicher Probleme und fragwürdiger Wurfauswahl in der NBA gescheitert, deutete mehr als nur einmal an, warum er einst ein Lottery-Pick (2008 von den Golden State Warriors) war.

Im Zusammenspiel mit Gasper Vidmar warf er alles rein, was er hatte und entnervte vor allem Pau Gasol sichtlich. Dagegen fanden nur neun der 24 Würfe der Gasol-Brüdern den Weg in den Korb. Die wichtigsten Waffen im Angriff waren stumpf. Marc patrouillierte zudem statt der Zone an der Dreierlinie - doch nachdem er von dort aus noch Deutschland versenkt hatte, ging bei ihm an diesem Abend nicht viel.

Pick'n'Roll und der Dreierregen

Aber nicht nur die großen Jungs hatten Schwierigkeiten. Auch auf den Guard-Positionen wirkten die Iberer überfordert. Schon Dennis Schröder hatte im Viertelfinale einige Lücken offenbart, Goran Dragic und Co. nutzten sie noch gnadenloser aus. Die Verteidigung im Pick'n'Roll, was den Großteil der slowenischen Offense ausmachte, blieb über 40 Minuten mangelhaft. Sicherlich hatten die Slowenen an vielen Stellen auch das nötige Quäntchen Glück, doch zumeist wurden die Systeme wie aus einem Guss gelaufen.

Dazu kam auch das glühend heiße Händchen im Kollektiv. 14 versenkte Dreier bei 25 Versuchen sieht man nicht alle Tage, vor allem nicht, wenn sich diese auf gleich sieben verschiedene Spieler verteilen. Für den Hinterkopf: Bis zum Viertelfinale ging nur ein Drittel der Distanzwürfe durch die Reuse. "Alles ging rein, egal, wie schwer der Wurf war", musste auch Pau Gasol anerkennen. "Sie stehen zurecht im Endspiel."

Doncic nicht zu halten

Nur ein Slowene haderte ein wenig mit seinem Jumper, auch wenn er es wohl verschmerzen kann: Luka Doncic. Schon vor dem Spiel war fraglich, wer denn nun das Wunderkind verteidigen solle. Spaniens Trainer versuchte viel, eine Lösung hatte er bis zur Schlusssirene nicht gefunden. Egal ob Veteranen wie Fernando San Emeterio oder Sergio Rodriguez oder junge Beine wie die von Joan Sastre - keiner konnte den Senkrechtstarter stoppen.

Sicherlich war nicht jede Entscheidung die richtige, gerade im zweiten Durchgang, doch wie er den Angriff seiner Mannschaft vor der Pause dominierte, war wie schon gegen Lettland schier beeindruckend. Nach 27 Punkten im Viertelfinale setzte er diesmal seine Mitspieler in Szene (8 Assists) und schnappte sich viele wichtige Abpraller (12) zwischen den spanischen Türmen.

Seine unbändige Energie riss seine Mannschaft mit und animierte die zahlreichen slowenischen Fans, die auch in der halbleeren Arena am Bosporus für ordentlich Stimmung sorgten.

Ausgebranntes Spanien

Es war schlicht Energie, die dem Titelverteidiger abging. Der Wille war den Spaniern nicht abzusprechen, doch funktionieren wollte nur wenig. Die ersten sieben Dreier klatschten nur auf den Ring und machten die Mission nicht leichter. Die Slowenen begannen, die Gasols konsequent zu doppeln, um dann in Windeseile am Perimeter zu rotieren und die entstandenen Freiräume zuzulaufen.

So waren nur wenige Versuche der Spanier wirklich gefährlich. Ricky Rubio (1/6 Dreier), Rodriguez (1/4) oder die Gasol-Brüder (2/7) - sie alle fanden nicht ihren Rhythmus von draußen, was doch so lange die Stärke der Iberer war. "Es war einfach nicht unser Abend. Wir haben auch den Ball zu oft hergeschenkt", bilanzierte Gasol nüchtern.

Nur 27 Punkte erzielten die Spanier in der zweiten Halbzeit, viel zu wenig für eine Ansammlung solcher Klassespieler. Dabei soll nicht unter den Tisch gekehrt werden, dass auch der noch amtierende Europameister einige Ausfälle vor dem Turnier zu verkraften hatte. Sergio Llull, Nikola Mirotic oder Rudy Fernandez sagten im Vorfeld ab, Scharfschütze Alex Abrines verletzte sich im ersten Gruppenspiel. Einen wie ihn hätten sie in diesem Halbfinale dringend benötigt.

Die nächste Generation klopft an

War es also ein verlorenes Turnier? Auf den ersten Blick ja, auf den zweiten nein. Vier der fünf Starter sind auf der falschen Seite der 30, dazu ist Rubio nun schon zehn Jahre dabei. Noch ist unklar, ob Spieler wie Navarro, San Emeterio oder Pau Gasol noch ein weiteres Turnier ihre Knochen für ihr Land hinhalten werden. Pau ließ nach dem Spiel zumindest Raum für Spekulationen. "Mein Plan mit dem Team? Ich will zunächst noch die Bronzemedaille holen."

Dahinter schart schon die nächste Generation mit den Hufen. Die Hernangomez-Brüder machten bereits bei diesen Titelkämpfen einen guten Eindruck, auch Abrines wird in naher Zukunft eine größere Rolle einnehmen. Eine solch goldene Generation wie die um die Gasols wartet zwar nicht, aber diese ist ähnlich wie für Deutschland die Ära Nowitzki, einzigartig.

Auch in den kommenden Jahren werden die Spanier im Kampf um die Medaillen ein Wörtchen mitreden. Dass dabei dann wie eine Selbstverständlichkeit Gold herausspringt? Diese Zeiten sind seit diesem Halbfinale vorbei.

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